SPÖ-Klausur: Die Rückkehr des Roten Wien

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Bürgermeister Michael Häupl kündigt in Rust an: Wien wird wieder Gemeindebauten errichten, Gebühren werden bis 2017 nicht erhöht, ein zweites Pflichtkindergartenjahr soll kommen.

Rust. Tradition ist wichtig. Zu diesem Schluss kam der Wiener Bürgermeister gestern, Donnerstag, in Rust. Bei der Klubtagung der Hauptstadt-SPÖ verkündete er, was er sich (nach Bekanntgabe des Wahltermins und den Details zur Steuerreform) für den Anlass aufgespart hatte: Wien wird wieder Gemeindebauwohnungen bauen.

2000 Stück sollen es in der kommenden Legislaturperiode sein. Dafür wird ein (bei Bedarf wiederbefüllbarer) Sondertopf von 25 Millionen Euro aus dem Budget zur Verfügung gestellt. Der erste Gemeindebau ist schon fix: Er wird im zehnten Bezirk in der Fontanastraße 1 (früherer AUA-Standort) errichtet. Die Ansage, die bei der roten Basis für Szenenapplaus sorgte, kam nicht von ungefähr. Dass leistbares Wohnen das große Wahlkampfthema sein würde, war im Vorfeld klar. Ebenso, dass die SPÖ den Grünen etwas entgegensetzen musste, nachdem diese neue Gemeindebauten schon länger fordern.

Allerdings hatte der Wiener Wohnbaustadtrat, Michael Ludwig, zuletzt in allen Interviews ausgeschlossen, dass Wien selbst wieder Wohnungen bauen würde. Die Genossenschaften könnten das deutlich billiger, lautete sein Argument. Deshalb setzte Ludwig auf günstige, kleine Smartwohnungen, also speziell geförderte Wohnungen, deren Mieten sich an Gemeindebaumieten orientieren. Den Mietern sei, so argumentierte Ludwig, ja egal, ob auf der Fassade „Gemeindebau“ oder „Geförderter Wohnbau“ stehe.

Den Mietern vielleicht, aber dem Bürgermeister nicht. „Ich glaube nicht, dass es smart ist, Begriffe zu verwenden, die keine Sau versteht“, sagte Michael Häupl am Donnerstag nicht sehr charmant. Wobei sich der inhaltliche Unterschied zwischen den Smartwohnungen und den neuen Gemeindebauten, die vorerst von einer gemeinsamen Gesellschaft von Gesiba (Wien Holding) und Wiener Wohnen errichtet werden, in Grenzen hält: Beide sind etwa gleich groß, kosten circa gleich viel Bruttomiete (7,50 pro Quadratmeter) und sehen ähnlich aus. Die einzige echte Differenz: Für Gemeindebauwohnungen muss der Mieter keine Eigenmittel aufbringen, für Smartwohnungen schon. Allerdings sind diese (dank Förderung) relativ gering: einmalig etwa 60 Euro pro Quadratmeter. Das wären bei einer 50-Quadratmeter-Wohnung beispielsweise 3000 Euro.

Hätte man nicht, statt lautstark die Rückkehr des Gemeindebaus auszurufen, Smartwohnungen noch mehr fördern können? Durchaus. Aber, das ist die Lektion aus Rust: Gemeindebau klingt eben besser. Das „Experiment“ (O-Ton Häupl) Gemeindebau neu passt auch perfekt zum Metathema, das über diesem Wahlkampf schwebt und das man schon aus den vorigen kennt: die Rückkehr des guten, alten Roten Wien. In Wien, der Stadt, mit der, wie die Stadt selbst nicht müde wird zu betonen, höchsten Lebensqualität weltweit, umsorgt die SPÖ die Wiener wie in einem All-inclusive-Club: von der Wiege bis zur Bahre. Das aktuelle Motto des Wellnesswahlkampfs lautet: „Für Wien brauchst a G'spür“.

Lebendige Erinnerung an das ''Rote Wien''

Als bislang letzter Wiener Gemeindebau wurde 2004 das Haus Rößlergasse 15 in Liesing fertiggestellt. Mit 220.000 Gemeindewohnungen bezeichnet sich die Stadt Wien gern als „größte Hausverwaltung“ Europas: In 1800 Häusern lebt eine halbe Million Menschen – und somit jeder vierte Wiener. Die Wohnanlagen werden von der Agentur „Wiener Wohnen“ verwaltet, einem Unternehmen der Stadt Wien. Die Geschichte der Gemeindebauten geht aber sehr viel weiter zurück. Mehr ....

Gebühren werden bis 2017 nicht erhöht

Diese Strategie zeigt sich auch in Häupls zweiter Ankündigung: „Ich werde das Valorisierungsgesetz 2015 und 2016 aussetzen.“ Das bedeutet: Im Wahljahr 2015 und 2016 werden die städtischen Gebühren (Wasser, Abwasser, Müll, Parkgebühr, Wiener Linien) nicht erhöht. Wobei eine Erhöhung bei den Wiener Linien 2016 vermieden werden soll, aber nicht garantiert ist. Zur Erklärung: Steigt die Inflationsrate (seit der bisher letzten Erhöhung) über drei Prozent, werden die städtischen Gebühren automatisch erhöht. Diese Anhebung wird nun ausfallen und 2017 nicht in vollem Umfang nachgeholt. Damit werden die Betriebskosten, also die Mieten, bis ein Jahr nach der Wahl zumindest nicht von der Stadt nach oben getrieben. Die SPÖ kann sich selbst rühmen, neben dem Comeback des symbolträchtigen Gemeindebaus noch eine weitere Maßnahme gegen steigende Mieten zu setzen. Für Häupl ist das „eine Förderung für kleine Einkommen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten“. Eine Erhöhung ab 2017 wird nicht ausgeschlossen.

Nicht fix, aber trotzdem eine Wahlkampfidee: Häupl will sich für ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr einsetzen, das ursprünglich von Integrationsminister Sebastian Kurz vorgeschlagen worden ist: „Wenn ich mir die Ergebnisse der Schulreifeuntersuchungen ansehe, haben 25 Prozent der Kinder ohne Migrationshintergrund Defizite in Deutsch.“ Diese müssten behoben werden. Nachsatz: „Mir wäre ein verpflichtendes Vorschuljahr lieber“, meinte Häupl: Aber man könne auch über ein zweites Kindergartenjahr, also die Finanzierung, reden, so Häupl. Der Hintergrund: Ein Vorschuljahr muss der Bund bezahlen, ein Kindergartenjahr das Land Wien.

AUF EINEN BLICK

Gemeindebauten. Bei der SPÖ-Klubklausur in Rust kündigte Wiens Bürgermeister, Michael Häupl, an, dass die Stadt wieder Gemeindebauten errichten würde. 2000 sollen es in der kommenden Legislaturperiode sein.

Gebührenstopp. Für die Jahre 2016 und 2017 kündigte Häupl auch an, dass die automatische Anpassung der Gebühren ausgesetzt würde.

Wahl. Wien wählt am 11.Oktober einen neuen Gemeinderat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2015)

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