Pühringer: "Die wirklichen Knackpunkte sind noch offen"

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Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer – am Montag ist er seit 20 Jahren im Amt – sitzt im Verhandlungsteam der ÖVP zur Steuerreform. Er lehnt Neuwahlen strikt ab. Eine Einigung bezeichnet er als „Pflicht“.

Wenn man die öffentlichen Debatten verfolgt, hat man den Eindruck, dass bei der Steuerreform Gegensätze und Finanzierungslücken größer statt kleiner werden. Kündigen sich da Neuwahlen an?

Josef Pühringer: Sicher nicht. Die Regierung ist gewählt, um Probleme zu lösen, und nicht, um sich in Neuwahlen zu flüchten. In der Bevölkerung hält sich der Wunsch danach auch in Grenzen. Außerdem sind die Kassen der Parteien kurz nach einer Nationalratswahl nicht so randvoll, dass die Parteien mit Begeisterung in Neuwahlen gehen würden.

Zuletzt ist die SPÖ auf Wink des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl der ÖVP offenbar bei der Absage an Vermögenssubstanzsteuern entgegengekommen. Zumindest wurde das von der SPÖ so interpretiert. Die ÖVP sagt zu allen Vorschlägen Nein. Wo gibt es Bewegung in Ihrer Partei?

Die Frage der Bewegung bei der Gegenfinanzierung wird sich erst am Schluss stellen. Das, was Häupl gesagt hat, ist nicht rasend neu. Denn dass mit der ÖVP eine Substanzbesteuerung keinesfalls infrage kommt, war 100-prozentig sicher.

Die SPÖ versucht nun, ökonomisch nicht gerade der reinen Lehre entsprechend, die Erbschaftssteuer als Vermögenszuwachssteuer zu definieren. Kommen für Sie Wiedereinführung der Erbschafts- oder Schenkungssteuer infrage?

Das, was der Vizekanzler gesagt hat, gilt.

Der hat beides abgelehnt.

Jawohl.


Seit Vizekanzler Mitterlehner im Amt ist, geht er beim Ministerratsfoyer häufig direkt auf Konfrontationskurs zu Bundeskanzler Faymann. Ist das der neue Stil der Regierung, der versprochen wurde?

Ich bin froh, dass sich unter Mitterlehner das Erscheinungsbild der ÖVP deutlich verändert hat. In der Steuerreformgruppe erlebe ich gemeinsame Arbeit auf Augenhöhe. Dass es bei zwei sehr unterschiedlichen Parteien zu inhaltlichen Auseinandersetzungen kommt, liegt in der Natur der Sache. Entscheidend ist, dass Kompromissfähigkeit auf beiden Seiten da ist. Keine Partei hat eine absolute Mehrheit. Unser Grundproblem ist, dass die Anhänger der ÖVP und der SPÖ sagen: Ihr müsst alles zu 100 Prozent durchbringen. Das wird nicht möglich sein. Hürden müssen abgebaut und Gräben müssen zugeschüttet werden. Diese gemeinsame Kraftanstrengung sind wir der Bevölkerung schuldig.


Ist es nur Theaterdonner, was der Öffentlichkeit geboten wird?

Das möchte ich nicht beurteilen. Ich bin einer der häufigsten Verhandler auf Länderseite und kann sagen, dass die Tonlage in den Verhandlungen eine sehr moderate ist. Allerdings sind die wirklichen Knackpunkte noch offen.

Das heißt: Der Point of no Return ist bei der Steuerreform noch nicht überschritten.

Der ist nicht überschritten. Bei den Tarifen kommt man sicherlich leichter zusammen, wenngleich die Unter- und Obergrenze auch noch nicht fixiert sind. Bei der Gegenfinanzierung gibt es noch Punkte, wo man weit auseinander ist. Aber alle wissen, dass es einen Finalpunkt gibt, den man bei Wahrung der Glaubwürdigkeit einhalten muss. Ein Ergebnis ist eigentlich Pflicht.

Bei der Gegenfinanzierung spielt die Betrugsbekämpfung eine nicht unwesentliche Rolle. Zuerst wurde eine Milliarde genannt, jetzt sind es 1,5 Milliarden, die erwartet werden. Stehen diese hoffnungsvollen Schätzungen nicht auf wackeligen Beinen?

Wahr ist: Die Betrugsbekämpfung wird einen ganz wichtigen Beitrag bei der Gegenfinanzierung leisten. Ich nehme an, dass das, was die höchsten Beamten des Finanzministeriums errechnen und als Maßnahmen vorschlagen, nicht auf wackeligen Beinen steht.

Können Sie garantieren, dass mit 17. März eine Steuerreform steht?

Ich bin nicht der Verhandlungsleiter und kann keine Garantien abgeben. Aber ich setze mich dafür ein.


Weil Sie vom Kompromiss gesprochen haben: Könnte die Forderung der ÖVP nach einer zusätzlichen Förderung für Familien einem derartigen Kompromiss zum Opfer fallen?

Was alles sein könnte, kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Für mich ist das als Zeichen, auch wenn es von überschaubarer Größe ist, für Familien mit Kindern wichtig. Familien mit mehreren Kindern sind, wenn Sie sich die Belastung ansehen, immer noch die Lastesel der Gesellschaft.


Finanziell sind sie aber im internationalen Vergleich sehr stark unterstützt.

Dann schauen Sie sich den Lohnzettel eines Unselbstständigen an, der ein Kind hat, und den eines Unselbstständigen, der drei oder vier Kinder hat.

Man könnte den Eindruck haben, der Mittelstand müsse sich die Steuerreform selbst bezahlen, wenn man an die Erhöhung der Höchstbemessungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge denkt. Ist das nicht ein leistungsfeindlicher Impuls?

Wenn das überhaupt kommen sollte, sind das im Vergleich zur Tarifreform sehr kleine Beiträge. Gerade die Ablehnung der Vermögensteuern ist ein Beweis dafür, dass wir auf den Mittelstand besonders aufpassen.

Aber gleichzeitig wird auch die Erhöhung der Grundsteuer immer wahrscheinlicher. Hat sich die ÖVP davon verabschiedet, den Mittelstand zu vertreten?

Die ÖVP passt auf den Mittelstand ganz besonders auf, also auf die Leistungsträger. Wir wissen, dass die ganz große Masse der Steuerleistung von dort kommt.

Die Industriellenvereinigung hat empfohlen, angesichts des Fehlens eines großen Wurfs die Steuerreform bleiben zu lassen und sich zuerst auf Reformen zu einigen. Ein hilfreicher Beitrag?

Dass Reformen kommen müssen, ist keine Frage. Diese Erträge aus Reformen können nur in einem bescheidenen Ausmaß zur Gegenfinanzierung herangezogen werden. Die Tarifreform tritt mit voller Wucht am 1.1.20016 in Kraft. Der Ertrag aus Reformen baut sich aber langsam auf. Die Industriellenvereinigung hat eine Steuerreform sehr vehement eingefordert. Ich halte nichts davon, im Galopp eine Pause einzulegen.

An welche Reformen denken Sie? Die Länder gefallen sich manchmal als Bremser.

Die Länder bremsen überhaupt nicht, bei allen großen Reformen, die es in der Zweiten Republik gegeben hat. Auf uns kann sich niemand ausreden. Wir haben angeboten, die Schulverwaltung zu übernehmen und nicht unbeachtliche Kosten einzusparen.


Mit einer Übernahme der Schulverwaltung wird es aber nicht getan sein.

Wenn bei der Gegenfinanzierung ein Betrag übrig bleibt, wird der aufzuteilen sein nach dem Prozentsatz der Steuereinnahmen: zwei Drittel Bund, ein Drittel Länder und Gemeinden. Niemand darf ein Sonderopfer geben müssen.

Wie störend ist es bei den Verhandlungen, dass Werner Faymann nicht der stärkste SPÖ-Vorsitzende aller Zeiten ist?

Zu Vorgängen in der SPÖ möchte ich nicht Stellung nehmen. In den Verhandlungen spielt das keine Rolle. In der Außendeutung spielt das natürlich eine größere Rolle.


Steht Schwarz-Grün in Oberösterreich auch nach der Herbstwahl?

Im Herbst sind die Wählerinnen und Wähler am Wort und verteilen die Gewichte. Grundsätzlich galt und gilt in Oberösterreich immer das Credo, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen. Gemeinsam konnten wir viel erreichen, wenn man als letztes Beispiel an die Medizinische Fakultät denkt. Jetzt gilt es, Oberösterreich weiterzuentwickeln. Wir brauchen eine Wachstumsstrategie für Oberösterreich. Wir sind europaweit im vorderen Mittelfeld der Industriebundesländer, wollen aber an die Spitze. Das muss unser Ziel für die Zukunft sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2015)

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