Andrä Rupprechter: "Für mich war Südtirol nie Ausland"

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Er sei ein Fan von Papst Franziskus und wie dieser gegen eine zügellose Wirtschaft, sagt Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter. Ein Gespräch über Gott, die Welt und die ÖVP.

Laut Statistik hören jedes Jahr 2400 Bauern auf, am Ende bleiben immer größere Betriebe übrig. Gefällt Ihnen diese Entwicklung?

Andrä Rupprechter: Wir haben noch immer eine kleinstrukturierte Landwirtschaft. Außerdem hat sich die Entwicklung seit dem EU-Beitritt verflacht, die gemeinsame Agrarpolitik gibt den Bauern wieder eine Perspektive. Aber jeder Hof, der zusperrt, ist bedauerlich. Wir helfen den Kleinbetrieben über die Kleinerzeugerregelung, die eine Verwaltungsvereinfachung und einfachere Vorschriften für Förderungen bringt.

Muss man die kleinen Bauern also hegen und pflegen?

Ja, auf jeden Fall.

Und deshalb können sie auch nichts zur Steuerreform beitragen?

Das ist unbestritten. Hände weg von den Bauernhöfen, da gibt es nichts zu holen. Das ist eine klare Botschaft, dass wir weder für Vermögenssteuern noch für Erbschaftssteuern zu haben sind.

Wenn man sich so um die Belastung der Bauern sorgt, sollte man dann nicht die Beiträge zur Landwirtschaftskammer senken? Die sind nämlich höher als die Grundsteuern, die die Bauern bezahlen.

Das kann ich so nicht nachvollziehen. Aber das ist auch eine Frage, die die Landwirtschaftskammern betrifft. Aber eine Möglichkeit wäre auf jeden Fall, dass man die Beiträge zur Arbeiterkammer reduziert. Die Arbeiterkammer wird jährlich reicher und weiß gar nicht mehr, wo sie ihre Erträge investieren soll. Über das sollte man nachdenken.

Sollte man dann nicht auch gleich über die Pflichtmitgliedschaft in den diversen Kammern nachdenken?

Ich habe eine Meinung dazu. Ich bin aber nicht zuständig für die gesetzliche Regelung der Pflichtmitgliedschaft. Das ist bei den Landwirtschaftskammern Ländersache. Die Frage der gesetzlichen Interessenvertretung der Wirtschaft und der Arbeit ist außerhalb meines Zuständigkeitsbereichs.

Aber gerade wenn Sie außerhalb Ihres Zuständigkeitsbereichs denken, kommen sehr visionäre Ideen heraus – Stichwort Adoptionsrecht für homosexuelle Paare.

Also ich habe zur Pflichtmitgliedschaft eine sehr visionäre Vorstellung, aber die werde ich jetzt für mich behalten.

Sie wollen eine ökosoziale Komponente in der Steuerreform. Was meinen Sie damit?

Ich habe dem Finanzminister und dem Vizekanzler meine Vorstellungen übermittelt, ansonsten will ich nicht ins Detail gehen. Für die Steuerreform ist bei uns der Finanzminister zuständig, wir kommentieren in unserer Partei einzelne Maßnahmen nicht.

Sehr pauschal zur Steuerreform, weil Sie ein sehr katholischer Mensch sind: Papst Franziskus hat erklärt, dass diese Wirtschaft tötet. Können Sie damit etwas anfangen?

Er hat gesagt, dass eine nur den Marktkräften verpflichtete Wirtschaft, die keine Schranken hat, tötet. Das ist die Fortsetzung der päpstlichen Enzykliken. Arbeiterpapst Leo XIII. hat die katholische Soziallehre als dritten Weg zwischen Sozialismus und Manchester-Liberalismus definiert. Dieser Weg macht die Leistung, das Eigentum, die Eigenverantwortung nach dem Personalitätsprinzip, aber auch die Solidarität und die Subsidiarität zu den Grundprinzipien. Wir wollen auch keine zügellose Marktwirtschaft. Es muss ökologische und soziale Grenzen für das wirtschaftliche Wachstum geben, aber selbstverständlich auf Grundlage der Marktwirtschaft: Leistung, Eigentum, Wettbewerb als Kräfte, die uns voranbringen.

Wie finden Sie den Papst insgesamt?

Ich bin ein euphorischer Fan vom neuen Papst.


Von Benedikt XVI waren Sie kein Fan?

Wie gesagt: Ich bin ein Fan von Franziskus, weil er viele Dinge anspricht, die uns in dieser Glaubensgemeinschaft weiterbringen.


Würden Sie auch jemandem einen Faustschlag versetzen, wenn er Ihre Mutter beleidigt?

Meine Mutter ist schon verstorben. Ich war nie der Schlägertyp und brauche an sich keine Faustschläge.

Wie geht es Ihnen mit den familienpolitischen Ansichten des Papstes? Er hat gemeint, Katholiken sollten sich nicht wie Karnickel vermehren, drei Kinder seien genug.

Da bin ich schon über dem Limit, ich habe vier Kinder, aber trotzdem kein schlechtes Gewissen deswegen.

Es ist also doch nicht alles sakrosankt, was der Papst sagt?

Vielleicht war die Wortwahl mit den Karnickeln nicht so optimal. Aber er hat das in Südkorea gesagt, bei seinem Besuch in Asien, wo das Bevölkerungswachstum enorm ist. Wenn das Oberhaupt der Kirche sich dazu bekennt, dass man eine Familienplanung machen soll und eine klare Leitlinie vorgibt, nämlich drei Kinder, ist das schon eine starke Ansage. Das hat es unter seinen Vorgängern nicht gegeben.

Veränderungen hat es auch in der ÖVP gegeben. Sie haben einmal Ihre Töchter zitiert, die gesagt haben, die ÖVP sei eine „verzopfte, reaktionäre, stockkonservative Partei“. Gilt das immer noch?

Ich habe in der Zwischenzeit auch gesagt, dass meine Töchter Django (Spitzname von Reinhold Mitterlehner, Anm.) cool finden.

Was hat sich nach dem Obmannwechsel von Michael Spindelegger zu Reinhold Mitterlehner verändert?

Es ist ein Geist der Öffnung eingekehrt. Das tut der Partei gut.


War es höchste Zeit für den Wechsel an der Spitze der ÖVP?

Das haben Sie gesagt.

Wir sagen gar nichts, wir fragen Sie.

Ich stelle fest, dass wir derzeit Rückenwind haben und auch der neue Führungsstil gut ankommt. Es macht Spaß, in diesem Team zu arbeiten, mit klaren Vorgaben, mit klarem Leadership.

Wobei manche Vorgaben von den Höchstgerichten gekommen sind. Der VfGH hat zunächst den Anstoß zu neuen Möglichkeiten in der Fortpflanzungsmedizin gegeben – Stichwort Eizellenspende – und dann das Adoptionsverbot für homosexuelle Paare aufgehoben. Ist die ÖVP in familienpolitischen Fragen zu zaghaft?

Ich glaube, ich habe zu diesen Themen schon ausreichend Position bezogen.


Wir glauben nicht: Ihre Partei ist weiterhin gegen die Homo-Ehe. Sie auch?

Für mich ist es einleuchtend, dass die ÖVP als Familienpartei die Ehe geschützt sehen will. Das ist konform mit der Europäischen Menschenrechtskonvention, in der die Ehe als Institution zwischen Mann und Frau definiert ist.

Im Familienbegriff der ÖVP sind Kinder inbegriffen. Gleichgeschlechtliche Paare dürfen in Zukunft Kinder adoptieren, aber nicht heiraten. Halten Sie das für schlüssig?

Die ÖVP erkennt an, dass es neue Formen der Partnerschaft gibt, ich selbst bin Teil einer Patchworkfamilie. Wir als Politiker müssen uns davon verabschieden, den Menschen vorzuschreiben, wie sie zu leben haben.

Wobei das auch eine Frage der Möglichkeiten ist. Sind Sie nun für die Homo-Ehe oder dagegen?

Ich habe da eine sehr offene Haltung, die sich aus meinem christlichen Weltbild ableitet. Aber ich finde auch, dass es bereits sehr vernünftige Möglichkeiten der Verpartnerung für gleichgeschlechtliche Paare gibt.


Eine Umfrage hat vor Kurzem ergeben, dass mehr als 80 Prozent der Österreicher es schön fänden, wenn Südtirol wieder zu Österreich käme. Sind Sie einer davon?

Für mich war Südtirol nie Ausland. Wir Tiroler empfinden Südtirol als Teil unserer Heimat. Wenn Landeshauptmann Arno Kompatscher nach Wien kommt und vom Vaterland Österreich spricht, ist das ein klares Statement. Dass die Frage der Schutzmacht Österreichs gegenüber Südtirol nach wie vor großen Stellenwert hat, ist auch unbestritten.


Soll man die Südtiroler abstimmen lassen, ob sie zurück zu Österreich wollen?

Diese Frage stellt sich aktuell nicht. Durch die EU haben wir die Brenner-Grenze überwunden. Diese Entwicklung sollte man durch eine vertiefende Zusammenarbeit weiter verstärken.

Steckbrief

Andrä Rupprechter
ist seit Dezember 2013 Minister für Landwirtschaft und Umwelt. Von 2007 bis zu seinem Eintritt in die Bundesregierung arbeitete er im europäischen öffentlichen Dienst, zuletzt als Direktor im EU-Rat. Davor war er Sektionschef im Landwirtschaftsministerium.

Der 53-Jährige
stammt aus einer Bergbauernfamilie im Tiroler Brandenberg, er studierte Agrarökonomie an der Wiener Universität für Bodenkultur. Rupprechter ist verheiratet und Vater von vier Kindern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2015)

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