Ein Präsident Leitl – so oder so

PK WIRTSCHAFTSKAMMERWAHLEN: LEITL
PK WIRTSCHAFTSKAMMERWAHLEN: LEITL(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Die Folgen der Wirtschaftskammerwahl: Christoph Leitl kommt seinem Ziel, der Hofburg, ein Stückchen näher. Die Grünen haben eine neue Klientel. Die Neos ein Problem.

Bundesweit die Zweidrittelmehrheit gehalten, in allen Bundesländern wiederum eine absolute Mehrheit erreicht, sogar in Wien – wiewohl dort umstritten (siehe Bericht nebenan): Der ÖVP-Wirtschaftsbund des Wirschaftskammer-Präsidenten Christoph Leitl hat bei der Wirtschaftskammerwahl einen überaus achtbaren Erfolg erzielt.

Der Mann kann also Wahlen gewinnen – zum wiederholten Mal. Bei niedriger Wahlbeteiligung – 39 Prozent – wohlgemerkt. Und da es in der ÖVP ein offenes Geheimnis ist, dass ebendieser Christoph Leitl auch noch Ambitionen auf ein anderes, höheres Präsidentenamt hat, ist er seinem großen Ziel, der Hofburg, nun ein Stück nähergekommen.

Und Leitl ist in der Tat ein ernst zu nehmender Kandidat für die Bundespräsidentenwahl 2016. „Jetzt, nach der Wirtschaftskammerwahl, allerdings nicht mehr als zuvor“, schränkt ein führender ÖVP-Politiker ein. Denn Leitl steht ein anderer prominenter ÖVP-Politiker noch im Weg: Wenn Erwin Pröll Bundespräsidentschaftskandidat werden will, dann wird er es werden.

In der Öffentlichkeit hat er sich davon bisher – eher halbherzig – distanziert. Innerparteilich hat er es noch nicht getan. Weswegen in der Volkspartei letztlich doch mit einer Kandidatur Erwin Prölls gerechnet wird. Wenn nicht, dann hätte Leitl der Papierform nach ganz gute Chancen, Kandidat zu werden. Im Herbst wird die Sache entschieden.

Ein wenig schmerzhaft für Christoph Leitl war allerdings das Abschneiden in seiner Heimat Oberösterreich – minus 9,8 Prozentpunkte. Und hier zeigt sich der zweite große Trend dieser Wahl: die Stärke der Grünen, die gemeinhin nicht gerade als wirtschaftsfreundliche Partei gelten. Und es sind nicht nur die Ein-Personen-Unternehmen aus der Kreativwirtschaft, die diesen zum Erfolg verhalfen. In den Ländern, in denen die Grünen mitregieren, können sie auch auf zahlreiche KMU setzen.

Grüne stark in grün regierten Ländern

In Rudi Anschobers Oberösterreich etwa auf jene aus dem Ökoenergie-Cluster. Dort legten die Grünen um 3,5 Prozentpunkte auf 9,5 Prozent zu. Bundesweit erreichte die Grüne Wirtschaft 9,1 Prozent und ist damit nur noch knapp vom SPÖ-Wirtschaftsverband (10,8 Prozent) entfernt. Deren Chef, Volker Plass, wurde schon vor einiger Zeit aufgewertet und sitzt seither im grünen Bundesparteivorstand. Das Thema Wirtschaft spielt bei den Grünen jedenfalls eine größere Rolle als zuvor. Und sie binden hier auch eine zunehmend größere Klientel an sich.

Eine, die man eigentlich noch stärker bei den Neos vermuten würde, die sich ebenfalls als Interessenvertreter der Ein-Personen-Unternehmer und urbaner Kleinbetriebe präsentierten. Doch wie sich auch bei anderen Wahlen in jüngster Zeit zeigte: Die Neos gewinnen zwar, aber auch die Konkurrenz von den Grünen gewinnt dazu. Womit der Vorsprung der Grünen ein deutlicher bleibt.

In Wien schafften es die Unos, der Wirtschaftskammer-Ableger der Neos, aus dem Stand auf 6,12 Prozent. Hans Arsenovics Grüne blieben jedoch mit 12,87 Prozent deutlich voran. Das ist für eine grüne Partei schon erstaunlich. Doch wie gesagt: Sie hat als Vizebürgermeisterinnen-Partei jetzt ja auch etwas zu verteilen.

Bestes Neos-Ergebnis: 22,24 Prozent

Die Neos respektive Unos haben zwar ganz schöne Einzelerfolge erzielt: In allen Fachgruppen, in denen sie angetreten sind, haben sie durchschnittlich elf Prozent erreicht. In der Fachgruppe Unternehmensberater in Wien erklommen sie mit 22,24 Prozent auf Anhieb gar Platz zwei. Sie sind aber auch bei der Wirtschaftskammerwahl unter ihrem Potenzial geblieben. Bundesweit waren es zwei Prozent. Wiewohl die Neos nicht überall antraten: Für eine Partei, die die Anliegen der Unternehmer auf ihre Fahnen geheftet hat, ist das dann doch relativ wenig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2015)

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