Spitalsärzte: Kummer in der Kammer

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PK EINIGUNG F�R ST�DTISCHE SPIT�LER WIENS: FRAUENBERGER/SZEKERES/WEHSELY/MEIDLINGER(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Ab Donnerstag stimmen die Wiener Spitalsärzte über das neue Arbeitszeitmodell ab. Ein Nein hätte weitreichende Folgen. Auch beim Dienstgeber liegen die Nerven blank.

Wien. Die Prognosen sind nicht eindeutig. Es kann schon sein, dass die Urabstimmung unter den 3200 Ärzten des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV), die am Donnerstag beginnt, für das neue Arbeitszeitmodell ausgeht. Genauso wahrscheinlich – wenn nicht sogar wahrscheinlicher – ist es allerdings, dass die Spitalsärzte ablehnen, was ihre Vertreter mit dem Dienstgeber, der Stadt Wien, ausverhandelt haben.

„Es gibt Zeichen in beide Richtungen. Aber ich habe das Gefühl, dass sich die Kollegen dagegen aussprechen“, sagt Hermann Leitner, einer der Vizepräsidenten der Wiener Ärztekammer. Ein Mann also, dessen Einschätzung nicht von ungefähr kommt. Und der weiß, was ein solches Votum zu bedeuten hätte: „Es wäre höchst unangenehm.“

Und zwar für alle Beteiligten, möchte man hinzufügen. Die Ärzte wären verärgert und verunsichert, die Patienten weiterhin mit längeren Wartezeiten konfrontiert. Die Stadtregierung müsste sich entscheiden, ob sie nachverhandeln oder frustrierte Ärzte und Patienten riskieren will. Und der Chef der Gemeindebediensteten-Gewerkschaft, Christian Meidlinger, wäre ebenso blamiert wie Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres. Beide haben die Neuregelung federführend verhandelt – und unterschrieben.

Unerfreuliche Vertragsdetails

Dabei hat es auf den ersten Blick, nach der Einigung Ende Jänner zwischen Standesvertretung und Stadt, nicht so schlecht ausgesehen. Die Ärzte bekommen, wie von der EU vorgeschrieben, die 48-Stunden-Woche samt höherer Grundgehälter, weil Zuverdienstmöglichkeiten wie Nachtdienste wegfallen.

Nach und nach wurden jedoch unerfreuliche Details bekannt, das Kleingedruckte im Vertrag, wenn man so will. Mit den Einkommen steigen auch die Beiträge für den Wohlfahrtsfonds, den Pensionsfonds der Ärztekammer. Die Gehaltserhöhung fällt also geringer aus als angenommen. Nebentätigkeiten wie Privatordinationen werden erschwert, weil die Kernarbeitszeit stärker in den Tag verlegt wird. Und dann stellte sich noch heraus, dass bis 2018 fast 400Stellen gestrichen werden sollen.

Der Unmut der Kollegen richtet sich nun gegen Meidlinger und Szekeres, die mit Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely am Verhandlungstisch gesessen sind. Drei Sozialdemokraten unter sich, heißt es in der Ärzteschaft salopp – ohne die Andeutungen näher auszuführen.

Szekeres steht auch kammer-intern in der Kritik. Die Kurie der angestellten Ärzte trägt die Vereinbarung nicht mit, und seine Koalition hat erste Risse bekommen. 2012 haben die sozialdemokratischen Ärzte ein Bündnis mit sieben Fraktionen geschlossen, unter anderem mit der Wahlgemeinschaft Spitalsärzte, um die ÖVP-Ärzte von der Kammerspitze zu verdrängen.

In einer Kuriensitzung vor zwei Wochen kam es zu einem heftigen Streit, der in den Tagen danach elektronisch fortgesetzt wurde. In einem E-Mail an Szekeres, das als „cc“ an alle Fraktionen ging und der „Presse“ zugespielt wurde, kritisierte Gerhard Hochwarter, Wahlgemeinschafts-Vorsitzender am SMZ Ost, das „sehr schlechte Verhandlungsergebnis“. Einige Punkte, vor allem die Stellenreduktion, seien „indiskutabel und eine Schande für sogenannte Ärztevertreter“.

Kammer-Vizepräsident Leitner, der ebenfalls aus der Wahlgemeinschaft kommt, widerspricht. Das neue Modell sei „im Großen und Ganzen nicht so schlecht“. Leitner gibt jedoch zu, dass es innerhalb der Ärztekammer unterschiedliche Sichtweisen gibt. Jedenfalls hätten die Verhandler das Ergebnis besser kommunizieren müssen. „Und vielleicht wäre es auch klüger gewesen, die Abstimmung abzuwarten, bevor man etwas unterschreibt.“

Präsident: Keine Empfehlung

Szekeres fühlt sich ungerecht behandelt. Er habe nicht gewusst, dass die Stadt 400 Stellen streichen wolle, das sei so nicht ausgemacht gewesen. Durch die Strukturveränderungen ergebe sich ein geringerer Personalbedarf, das ja. Aber man könne die reduzierten Nachtdiensträder nicht einfach in Vollzeitjobs umrechnen. Daher werde es am Donnerstag auch eine Protestveranstaltung hinter dem Rathaus geben.

Eine Empfehlung will er vor der Abstimmung auch aus einem anderen Grund nicht abgeben: So ein Papier sei immer ein Kompromiss, manche Ärzte stiegen finanziell besser aus als andere. „Deshalb muss das jeder für sich entscheiden.“ Er selbst habe nichts zu befürchten, meint Szekeres. Sollten die Kollegen mehrheitlich mit Nein stimmen und die Kurie diesem Votum folgen, sei auch seine Unterschrift ungültig. Dann müsse es zu Nachverhandlungen kommen.

Das will allerdings der Dienstgeber nicht. „Pacta sunt servanda“, mahnte Bürgermeister Michael Häupl zuletzt Vertragstreue ein. Der Ärztekammer-Präsident werde hoffentlich wissen, was er unterschrieben habe. Es steht also Wort gegen Wort. Noch im März sollen die Neuerungen vom Landtag beschlossen werden, notfalls – wie in Kärnten – gegen die Ärzte.

Sagt Häupl. Die Frage ist, ob er dieses Risiko in einem Wahljahr tatsächlich eingehen würde. Noch hoffen er und Wehsely, noch hoffen Szekeres und Meidlinger, dass alles gut ausgeht. Am Montag werden sie mehr wissen. Dann steht das Abstimmungsergebnis fest.

AUF EINEN BLICK

Seit 1. Jänner dürfen Spitalsärzte im Schnitt nur noch 48 Stunden pro Woche arbeiten, davor waren es 60. Weil damit Zuverdienstmöglichkeiten wie Nachtdienste wegfallen, forderten sie höhere Grundgehälter. Im Wiener KAV kam es Ende Jänner zu einer Einigung mit den Ärztevertretern. Ab Donnerstag stimmen die Ärzte über diese Vereinbarung ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2015)

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