„Spindelegger braucht nicht gewählt werden“

 Dmitri Firtasch
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Interview. Der in Wien festsitzende ukrainische Oligarch Dmitri Firtasch erklärt, warum er Ex-Finanzminister Spindelegger zutraut, mit einem Milliardenfonds Reformen in der Ukraine anzustoßen. Die Sanktionen gegen Russland hält er für „dumm“.

Die Presse: Ein Oligarch kauft Fußballklubs, der andere Kunst. Sie aber gründen eine Agentur, die einen Marshallplan für die Ukraine aufstellen soll. Ist das nicht doch eher Imagepflege?
Dmitri Firtasch: Nein, denn auch die, die sich mit Fußballklubs und Kunst beschäftigen, nehmen am Projekt teil. Das zeugt davon, dass der Moment da ist, da wir Ukrainer uns zusammenschließen und das tun müssen, was 23 Jahre lang versäumt wurde. Die Politik ist heute für diese Aufgabe nicht geeignet.

Aber es springt doch ins Auge, dass gerade Sie, gegen den ein US-Auslieferungsantrag besteht, sich plötzlich um die Modernisierung der Ukraine sorgen.
Es gibt da keinen Zusammenhang. Übrigens erinnern wir uns an viele spektakuläre US-Streitfälle, die in der Regel schlecht geendet haben. Ich bin überzeugt, dass der Auslieferungsantrag genauso endet, denn er ist politisch motiviert. Ich glaube, dass Österreich die richtige Entscheidung treffen wird.

Ist Ihr „Marshallplan“ mit den USA oder der EU abgestimmt?
Ich habe mit niemandem etwas abgestimmt – außer mit dem ukrainischen Arbeitgeberverband und der Gewerkschaft. Der Arbeitgeberverband repräsentiert über 70 Prozent des ukrainischen BIPs.

Wie sind Sie auf Michael Spindelegger als Direktor der Modernisierungsagentur gekommen?
Nicht ich habe ihn gefunden, sondern die deutschen Projektteilnehmer.

Spindelegger hat in Österreich keine Reformen zuwege gebracht. Warum soll er das für die gebeutelte Ukraine fertigbringen?
In Österreich war er Politiker, der von Wahlen abhängt wie ein Drogensüchtiger. Jetzt ist er Privatmann. Er braucht von den Ukrainern nicht gewählt zu werden.

Wie viel kostet Sie die Agentur inklusive Honorare für die namhaften Ex-Politiker?
Nicht ich allein werde sie finanzieren. Fast 30 Unternehmer aus der Ukraine haben sich als Geldgeber angeboten. Ich habe als Erster eingezahlt, aber keine große Summe, weil das Budget noch nicht steht.

Haben Sie schon Geldgeber für Ihren „Marshallplan“-Fonds?
In den einzelnen Ländern wird mit potenziellen Investoren gesprochen. Und ich denke, wir werden auch Russland einbeziehen, einen Viertel des Fonds können sie füllen.

Haben Sie Ihre Initiative eigentlich mit der ukrainischen Staatsführung abgestimmt?
Bernard-Henri Lévy (Starphilosoph und Projekturheber, Anm.) hat erklärt, der ukrainische Präsident (Poroschenko, Anm.) unterstütze die Initiative. Mai/Juni wollen wir das ukrainische Parlament hinzuschalten – und zwar alle Parteien.

Poroschenko hat sich neulich Georgiens Ex-Präsidenten Michail Saakaschwili als Berater geholt. Saakaschwili war der einzige postsowjetische Staatschef, der mit der Korruption in seinem Land aufgeräumt hat, indem er etwa alle Polizisten hinausgeworfen hat und sich alle neu bewerben mussten. Sind Sie zu so radikalen Schritten bereit?
Zeitweise wird es unpopuläre Maßnahmen brauchen. Im Unterschied zu den Polen, mit denen wir in den 1990er-Jahren gleichauf waren, waren wir bisher zu radikalen Maßnahmen nicht bereit. Heute verlangt die Gesellschaft danach.

Investorenlegende George Soros spricht von 50 Mrd. Dollar, die die Ukraine braucht. Warum sprechen Sie von 300 Mrd. Euro?
Ich sage nicht, dass Soros unrecht hat. Aber die Ukraine ist riesig. Wenn wir nicht nur einen Schluck Sauerstoff zuführen, sondern einen wirklichen Umbau wollen, werden wir die Summe verstehen.

Gefangen in Österreich, haben Sie nun Zeit zum Nachdenken. Spüren Sie nicht auch Ihre Verantwortung als Oligarch, dass sich die Ukraine in einem solchen Zustand wie jetzt befindet?
Man kann mir nicht vorwerfen, dass ich 23 Jahre lang Unternehmer war, denn das ist das, was ich kann. Aber man hätte mehr tun müssen.

Sind die westlichen Sanktionen gegen Russland sinnvoll?
Nein. Sie sind dumm. Ihr habt nichts damit erreicht. Es war ein großer Fehler, dass die Ukraine und Europa ohne Russen über das Assoziierungsabkommen berieten. Ich denke, Europa wird seine Schlüsse daraus ziehen.

Aber dann bleiben noch die USA, die die Sanktionen vorantreiben.
Auch den USA bringt ein schwaches Russland nichts. Ich schließe nicht aus, dass sich die USA schneller mit Russland einigen als Europa und die Ukraine. Die Amerikaner sind sehr pragmatisch.

Sie sitzen schon ein Jahr in Österreich fest. Wie ist der Stand der Dinge im Verfahren bezüglich Ihrer möglichen Auslieferung an die USA?
Österreich geht sehr vorsichtig mit dieser Frage um. Ich bin davon überzeugt, dass wir eine starke Position haben. Hier sitzt mein Anwalt, der darauf achtet, dass ich nichts Überflüssiges sage.

Auch nicht dazu, dass es im vergangenen September unserer Information nach Gespräche Ihrer Abgesandten mit den US-Ermittlern gab?
Ich sage in diesen Fragen nichts.

Reuters hat Daten vom russischen Zoll, die zeigen, dass Sie von Russland vier Mal mehr Gas gekauft haben, als die dortige Regierung zugab. Und das billiger als die staatliche ukrainische Gasgesellschaft Naftogaz.
Sollen sie schreiben, was sie für nötig erachten. Der Preis sagt ja nichts über eine Rechtsverletzung aus. Naftogaz spielt sein Spiel mit Gazprom und ich meines. Ich bin mit meinen Fabriken ihr Großkunde. Glauben Sie, Gazprom will einen solchen Kunden verlieren?

Nein, aber Reuters zitiert den Ex-Chef des Antikorruptionsausschusses im ukrainischen Parlament, Viktor Tschumak, laut dem Sie Russlands Interessen in der Ukraine vertreten hätten.
Das war zu keiner Zeit der Fall.

Warum haben Sie die 125 Mio. Euro Kaution in Österreich nicht aus Ihrer Tasche bezahlt und stattdessen Geld von dem wenig bekannten Russen Wasili Anissimow genommen, der gar nicht mit Ihnen befreundet ist?
Das Geld ist ein mit Prozenten behafteter Kredit, weil Anissimow mit mir über eine Teilnahme an Immobilien in Kiew später weiterverhandeln will. Selbst sein Geld wurde von den USA einige Tage blockiert, damit es nicht auf das Konto des Gerichts gelangt. Erst als der Richter sagte, man solle mit dem Spiel aufhören, weil er mich andernfalls ohne Kaution freilässt, wurde die Überweisung freigegeben.

Es bestand offenbar ein Mordauftrag gegen Sie. Wie hat sich die Sache entwickelt?
Seitens der Polizei gibt es keine neuen Informationen. Mein Sicherheitsdienst koordiniert mit der Polizei alle meine Bewegungen.

Das Waffenstillstandsabkommen Minsk II wird halten?
Ich denke, man kann schon vom Beginn des Friedens sprechen. Für Russland ist der Konflikt jetzt nicht vorteilhaft und es zieht Truppen ab.

Welchen Vorteil zog Russland denn vorher aus dem Konflikt?
Die Wirtschaft der Ukraine völlig zu zerstören.

ZUR PERSON

Dmitri Firtasch (49) machte sein Geld im Zwischenhandel mit russischem Gas. 2014 wurde der Ukrainer in Wien auf Basis eines US-Auslieferungsantrages verhaftet, ging aber gegen eine Kaution von 125 Mio. Euro frei. Wie gestern bekannt wurde, wird am 30. April über eine Auslieferung entschieden. Ebenfalls gestern gab er die Initiative eines „Marshallplanes“ für die Ukraine im Volumen von 300 Mrd. Euro bekannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2015)

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