EuGH-Urteil zu Festplattenabgabe: Beide Seiten jubeln

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Vom Urteil des EuGH im Streitfall zwischen Nokia und einer dänischen Verwertungsgesellschaft erhoffte man sich endlich Klarheit. Die gibt es aber nach wie vor nicht.

Wien. Vergangenen Donnerstag entschied der EuGH in Sachen Festplattenabgabe. Und es scheint, als wären jetzt alle glücklich – sowohl die Befürworter als auch die Gegner der Abgabe. Denn beide sehen sich durch das Urteil in ihrem Standpunkt bestätigt.

Es ging um Geräte, auf denen man urheberrechtlich geschützte Werke speichern kann. Inwieweit steht den Inhabern der Rechte an solchen Werken eine Vergütung zu? Stichwort: Musik am Handy. Anlass war ein Rechtsstreit zwischen Nokia und der dänischen Verwertungsgesellschaft Copydan.

Wie hoch darf Vergütung sein?

Grundsätzlich bestätigte der EuGH, dass laut EU-Recht ein „gerechter Ausgleich“ für Privatkopien verlangt werden darf. Und dass es dabei auch nicht darauf ankommt, ob die primäre Funktion des Datenträgers die Herstellung solcher Kopien ist. Es genügt, dass man ihn eben auch zu diesem Zweck benützen kann.

Für die Höhe der Vergütung könne es aber sehr wohl einen Unterschied machen, welche Bedeutung diese Funktion für die Nutzer hat. Also ob Handys immer noch primär zur Kommunikation dienen – oder vor allem als Speichermedien für Musik oder Filme.

Die erlaubte Höhe der Vergütung ist letztlich die Kernfrage: Welche Arten von Privatkopien dürfen bei ihrer Berechnung einbezogen werden und welche nicht? Und zahlt sich ihre Einhebung dann überhaupt aus?

In dieselbe Richtung ging auch eine weitere Frage, deren Beantwortung mit besonderer Spannung erwartet wurde: Besteht auch bei entgeltlichen Downloads, bei denen man fürs (erlaubte) Vervielfältigen schon mitbezahlt hat, trotzdem noch ein zusätzlicher Anspruch auf einen „gerechten Ausgleich“ für Privatkopien?

Ein simples Ja oder Nein auf diese Frage blieb der EuGH schuldig. Stattdessen ließ sich das Gericht in höchst komplexer Form darüber aus, was wäre, wenn eine nationale Rechtsordnung das private Vervielfältigen überhaupt verbietet und auch der Rechteinhaber selbst es nicht erlauben darf. Dann könne keine Verpflichtung entstehen, eine Vergütung an den Rechteinhaber zu zahlen, heißt es da. Diese kryptische Antwort legten beide Seiten jeweils in ihrem Sinn aus. „Luftschloss geplatzt“ titelt die Plattform für ein modernes Urheberrecht euphorisch in ihrer Aussendung. Wer für einen Content bezahlt hat, dürfe für diesen nicht nochmals zur Kasse gebeten werden, „es gibt daher fast keine Kopien mehr, für die eine Abgabe verlangt werden darf“. Für die Festplattenabgabe fehle schlicht die Rechtfertigung, das sei nun amtlich.

Die Verwertungsgesellschaften sehen das komplett konträr: Das EuGH-Urteil stelle „unmissverständlich klar: Das Recht der Privatkopie auf verschiedenen Geräten wird nicht mit dem Kauf des urheberrechtlich geschützten Werkes erworben. Es ist nämlich unerheblich, ob der Rechteinhaber auch eine Lizenz für die Privatkopie erteilt hat. Privatkopien werden nur, und zwar pauschal, durch die Festplattenabgabe abgegolten.“ Der Anspruch bestehe also auch bei gekauften Downloads.

Übersetzungsproblem?

Aber wie kann es dazu kommen, dass ein einziger Absatz eines Urteils so konträr ausgelegt wird? Abgesehen davon, dass die Formulierung alles andere als unmissverständlich ist, meint der auf Immaterialgüterrechte spezialisierte Anwalt Lukas Feiler, das könne auch an Divergenzen bei den Übersetzungen in die einzelnen Sprachen liegen: Die englische Version – die auf der Homepage des EuGH früher verfügbar war als die deutsche – lasse sich eher so interpretieren, wie es die Gegner der Abgabe gern lesen würden. Und die deutsche Fassung deute in die andere Richtung. Fazit: Was wirklich gilt, ist auch nach diesem Urteil nicht klar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2015)

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