Porträt: „Hätten wir mehr Brandstetters . . .“

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Justizminister Wolfgang Brandstetter, ehemaliger Verteidiger des verstorbenen Mordverdächtigen Rachat Alijew, wird als Ressortchef geschätzt. Parteipolitik gehorcht er nur selten.

Wien. Diese Woche hat recht gut gezeigt, welcher Ruf Justizminister Wolfgang Brandstetter vorauseilt und welcher Schatten ihm nachhängt: Nach der Feuerwehraktion rund um die Hypo-Bad-Bank Heta hieß es, Brandstetter sei es gewesen, der einen vermeintlich rettenden Paragrafen in ein neues Gesetz reklamiert habe und so ein Schuldenmoratorium der Finanzmarktaufsicht erst ermöglicht habe. Tags darauf der Schatten: Grünen-Sicherheitssprecher Peter Pilz tat sich damit hervor, nach dem Suizid des Mordverdächtigen Rachat Alijew daran zu erinnern, was Brandstetter vor seiner Ministerzeit als Alijews Verteidiger getan habe.

Von Brandstetters Heta-Initiative wusste zwar der ORF-Report zu berichten; Brandstetter selbst schließt sie aber aus. Richtig ist, dass er intensiv am Hypo-Sondergesetz aus 2014 mitgearbeitet hat, das verfassungsrechtlich höchst umstritten ist. Damals hat Michael Spindelegger, noch als Finanzminister, VP-Obmann und Vizekanzler, Brandstetter darum ersucht. Spindelegger war es auch gewesen, der Ende 2013 seinen langjährigen Freund und CV-Bruder als Justizminister erfunden hatte.

Auch wenn Brandstetter nicht der Wunderwuzzi ist, der Österreich vor dem Hypodebakel bewahrt, hat er sich für die Führung seines Ressorts als guter Griff erwiesen. „Hätten wir mehr Brandstetters in der Regierung, brächten wir mehr weiter“, meint ein Insider im Umfeld der Regierung. Auch in der Justiz schätzt man Brandstetters Art, auf die Leute zuzugehen, und seinen konsensorientierten Stil. Vor seiner Ernennung war er nicht nur Strafverteidiger, sondern vor allem Strafrechtsprofessor. Genervt kann er reagieren, wenn ein Vis-à-vis in einem Arbeitsgespräch zwar mit einer starken ideologischen Position, aber frei von Sachverstand auftritt. Brandstetter betont trotz seiner eher konservativen Ausrichtung seine Parteiunabhängigkeit und könnte jederzeit an seinen vorherigen Arbeitsplatz an der WU zurückkehren; aus Freude an der Lehre hält er dort derzeit unentgeltlich Lehrveranstaltungen ab.

Brandstetters Ferne zur Ideologie hat Vor- und Nachteile. Wiewohl als Minister der ÖVP zuzurechnen, rannte er bei der Liberalisierung des Fortpflanzungsmedizingesetzes beim Koalitionspartner SPÖ offene Türen ein. Der ÖVP-Klub war nicht so begeistert. Beim Mietrecht, wo wieder einmal eine große Reform geplant ist, musste er vorerst aufgeben. Er wartet die „grundsatzpolitischen Lösungen“ der Regierungsparteien ab und will sie dann umsetzen. „Ich kann den Grundkonsens nicht herbeizaubern“, sagt Brandstetter.

Zeitdruck für Staatsanwälte

Mehr Glück dürfte er mit der geplanten Strafrechtsreform haben. Die Neuverteilung der Gewichtung – Gewaltdelikte sollen tendenziell strenger geahndet werden, Vermögensdelikte weniger streng – befürworten viele. Auch mit einer Neuerung im Strafverfahren konnte Brandstetter punkten: Staatsanwälte dürfen nur noch mit richterlicher Genehmigung länger als drei Jahre ermitteln. Dass ein läppischer Fall wie der Verdacht, Ex-Finanzminister Grasser könnte bei seiner Hochzeit in der Wachau zum Amtsmissbrauch angestiftet haben, erst nach zehn Jahren (vorläufig!) eingestellt wird, sollte nun unmöglich sein.

Frei von parteipolitischen Rücksichten ist auch Brandstetter nicht: Eine von Kulturschaffenden ersehnte Regelung der Festplattenabgabe hat er zurückgestellt, weil die Wirtschaftskammerführung sie vor ihrer Wahl nicht wollte. Bei der Reform des ministeriellen Weisungsrechts über die Staatsanwälte hingegen betont Brandstetter, sich nicht an den ÖVP-Willen gehalten zu haben, sondern an den fundierten Rat einer Arbeitsgruppe. Die Reform geht nun nicht so weit, dass dem Minister das Weisungsrecht genommen würde. Vielmehr wird jener Weisenrat institutionalisiert, den Brandstetter zu Beginn seiner Amtszeit eingerichtet hat: Er wird in allen Weisungsfällen eingeschaltet, nicht zuletzt solchen, in denen Brandstetter wegen seiner Anwaltsvergangenheit befangen ist.

Paradefall war Rachat Alijew, jener Ex-Botschafter Kasachstans, der unter Mordverdacht stand und sich kürzlich in seiner U-Haft-Zelle in Wien erhängte. Brandstetter war ihm einst als Anwalt beigestanden und hatte ihm zu einem Aufenthaltstitel in Österreich verholfen: Er meldete ihn in seiner Heimatgemeinde Eggenburg in einem Haus an, das einer Gesellschaft mit Beteiligung Brandstetters gehörte. Untersuchungen gegen einen Beamten der Bezirkshauptmannschaft wurden rechtskräftig eingestellt, in dem Fall war nichts verboten; Brandstetter als Minister ein legales Vorgehen als Verteidiger vorzuwerfen, ist nicht fair.

Nach Eggenburg pendelt er aus anderen Gründen nicht mehr täglich: Aus Zeitgründen übernachtet er oft in einer Garçonnière in Simmering, in der seine Familie vor Jahren wohnte. Als sein Stammwirt nach Monaten bemerkte, welch prominenter Gast da immer wieder einkehrte, gab sich der Wirt gelassen. „Herr Brandstetter“, sagte er, „ich will Ihnen nur sagen: Der Vranitzky war auch schon bei mir.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2015)

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