Irak: Der Iran als Speerspitze im Krieg gegen IS

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Teheran hat den Kommandanten seiner berüchtigten al-Quds-Einheiten an die Front vor der irakischen IS-Hochburg Tikrit entsandt. Die USA bestreiten Kooperation gegen gemeinsamen Feind.

Er wird gefürchtet und gehasst von Irans Exilopposition, steht auf der Abschussliste der Israelis und den Sanktionslisten der USA und der EU. Generalmajor Qasem Soleimani ist Kommandant der al-Quds-Einheiten – einer Division der iranischen Revolutionsgarden, die auf Sondermissionen im Ausland spezialisiert ist. Soleimani war federführend bei der Aufrüstung der libanesischen Schiiten-Miliz Hisbollah und half Syriens Machthaber Bashar al-Assad maßgeblich dabei, im Kampf gegen die Aufständischen wieder die Oberhand zu gewinnen.

Jetzt ist der al-Quds-Chef erneut im Einsatz – und zwar gegen einen Feind, der auch von den USA und den Europäern bekämpft wird. 30.000 Mann hat Iraks Regierung entsandt, um die Extremisten des sogenannten Islamischen Staates (IS) aus der strategisch wichtigen Stadt Tikrit nördlich von Bagdad zu vertreiben. Und Soleimani ist einer der Chefplaner der Operation.

Im Internet wurden Videos verbreitet, die Soleimani an der Front zeigen sollen. Ganz in Schwarz gekleidet trinkt er Tee mit anderen Kommandeuren. Rückgrat der Offensive gegen den IS sind irakische Schiiten-Milizen, die schon seit Langem vom schiitischen Regime im Iran unterstützt werden.

Kerry will Saudis beruhigen

US-Außenminister John Kerry höchstpersönlich hat nun die Beteiligung Soleimanis am Feldzug gegen den IS in Tikrit bestätigt: „Ja, er war vor Ort. Und spielt er eine Rolle? Die Antwort ist Ja“, berichtete Kerry laut der Nachrichtenagentur Bloomberg während eines Besuches in Saudiarabien. Und er beeilte sich hinzuzufügen, dass die USA ihren Einsatz gegen den IS nicht mit dem Iran koordinierten.

In Saudiarabien und den anderen Golfmonarchien betrachtet man nämlich Teherans Einfluss im Irak mit Missmut. „Die Situation in Tikrit ist ein Beispiel dafür, warum wir uns Sorgen machen. Der Iran übernimmt das Land“, warnte der saudische Außenminister Saud al-Faisal beim Treffen mit Kerry.

Der US-Außenminister versuchte die Spitzen der arabischen Golfmonarchien bei der Unterredung in der saudischen Hauptstadt Riad zu beruhigen. Sollte der Iran tatsächlich einem Abkommen zur Lösung des Atomstreits mit der internationalen Gemeinschaft zustimmen, würde das Land seine Isolation durchbrechen. Die amerikanisch-iranischen Beziehungen könnten sich normalisieren und Teheran wäre zurück im Spiel.

Diese Aussicht gefällt den sunnitischen Herrschern am Golf gar nicht. Für sie ist der schiitische Iran der große Rivale in der Region. Sie wollen Teherans Einflussbereich durchbrechen, der sich vom Iran über den Irak bis Syrien und zur Hisbollah im Libanon zieht.

Mit dem Kampf gegen den IS wächst Irans Macht im Irak. Teheran sieht sich als Schirmherr der Schiiten, der zweitgrößten Richtung im Islam. Der IS, der sich seine Ideologie unter anderem aus einer extremen Abwandlung des sunnitischen Islam zusammengebastelt hat, verfolgt Schiiten als „Ungläubige“. Als der IS im Juni in einer Blitzoffensive die nordirakische Stadt Mosul einnahm und bis vor Bagdad marschierte, war der Iran als Erster mit Hilfe zur Stelle.

Iranische Hilfe für Kurden

Teheran unterstützte aber nicht nur die schiitisch geprägte Regierung in Bagdad. Der Iran griff auch ein, als der IS einige Wochen später Richtung Erbil, der Hauptstadt der irakischen Kurdenregion, vorrückte. Iraks Kurden sind enge Verbündete der USA. Doch Gerüchten in Erbil zufolge waren es iranische und nicht US-Kampfflugzeuge, die die ersten Angriffe auf IS-Stellungen vor der Kurdenhauptstadt flogen. Kurdische Regierungsvertreter bestätigten der „Presse“, vom Iran mit Kriegsmaterial und Know-how unterstützt worden zu sein. Und laut „New York Times“ war auch damals al-Quds-Chef Soleimani im Einsatz, um den Kurden bei der Verteidigung von Erbil zu helfen.

Angst vor Massaker

Jetzt ist er mit den Badr-Einheiten und anderen irakischen Schiiten-Milizen vor Tikrit an der Front – mit Kämpfern, die schon im irakischen Bürgerkrieg ihre Brutalität unter Beweis gestellt haben. Im Internet kursiert ein Video, das zeigen soll, wie schiitische Milizionäre einen neunjährigen Sunniten bezichtigen, für den IS zu arbeiten und mit Kopfschüssen ermorden.

Noch ist unklar, ob das Video echt ist oder aus der IS-Propagandaküche stammt. Experten warnen jedenfalls bereits davor, dass Schiiten-Milizen nach der Einnahme Tikrits Massaker an den sunnitischen Einwohnern anrichten könnten. Der Kampf gegen den IS würde damit zu einer weiteren grausamen Episode im schiitisch-sunnitischen Bürgerkrieg im Irak verkommen – unter Beteiligung externer Mächte wie des Iran.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2015)

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