Die Regierung hat ihre Steuerreform offiziell vorgestellt. "4,9 Milliarden direkt in die Brieftaschen der Menschen", betont Kanzler Faymann.
SP-Bundeskanzler Werner Faymann und VP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner haben am Freitagabend die Steuerreform offiziell der Öffentlichkeit präsentiert. Das Paket sei "ausgewogen und fair", betonte Faymann. Man greife trotz Krise nicht zum Rotstift, sondern "wir investieren in die Kaufkraft der Bevölkerung".
Die Senkung des Eingangssteuersatzes sei das zentrale Element. 80 Prozent der Entlastung gehe an die kleinen und mittleren Einkommen. "Wir haben eine klare Sprache mit unserer Steuersenkung gesprochen - 4,9 Milliarden direkt in die Brieftaschen der Menschen", sagte Faymann. Die Reform sei außerdem kein Schlussstrich, sondern ein "Beginn, um im Verwaltungsbereich vieles umzusetzen".
Man nehme insgesamt fünf Milliarden Euro in die Hand, betonte Mitterlehner, "das ist kein lächerlicher PR-Gag". Entlastet würden außerdem nicht nur Geringverdiener, sondern obere Einkommensklassen. Im Schnitt müsse jeder 1000 Euro Lohnsteuer im Jahr weniger zahlen als bisher.
Finanzierung "nicht aus eigener Tasche"
Zur Gegenfinanzierung betonten die beiden Parteichefs, dass man nicht von der einen Tasche genommen und in die andere gegeben habe: "Die Argumentation, es zahlt sich ohnehin jeder aus der eigenen Tasche, ist ein falsches Argument", so Mitterlehner. Drei Viertel der Gegenfinanzierungsmaßnahmen würden auf der Ausgabenseite erfolgen.
Die Registrierkassenpflicht, die in Teilen seiner Partei für Kritik gesorgt hatte, sei "da und dort nicht angenehm", räumte der VP-Chef ein. Man werde die Betriebe aber bei der Anschaffung unterstützen, es werde die Möglichkeit zur Abschreibung geben. Bei der höheren Mehrwertsteuer im Beherbergungsbereich kann er sich ein späteres Inkrafttreten, etwa im Juni 2016, vorstellen. Das sei aber noch in Verhandlung. Am Nachmittag hatten die Parteigremien von SPÖ und ÖVP die Reform abgesegnet. Das Paket wird mit 1. Jänner 2016 in Kraft treten.
Die Inhalte der Reform sickerten schon vor der offiziellen Präsentation durch. Die Änderungen im Detail:
>> Es war einmal ein Bankgeheimnis
>> Lohnsteuer: Ein Entlastungspaket, aber nicht für alle
>> Betrug finanziert Steuerreform
>> Höhere Steuer für Kinos, Hotels sowie Tierfutter
>> Kinderfreibetrag wird verdoppelt
>> Bei Erbschaften muss künftig geschätzt werden
>> Aktionäre zur Kasse gebeten
>> 600 Millionen sollen in der Verwaltung eingespart werden
>> Besserverdiener müssen mehr Sozialversicherung zahlen
Wirtschaftsbund verlangt Nachschärfungen
Aus Sicht der ÖVP-Wirtschaftsvertreter ist das Steuerreformpaket allerdings noch nicht fix: Der Wirtschaftsbund drängt auf Nachschärfungen im Gegenfinanzierungskonzept. Kritisiert werden die Registrierkassenpflicht, die höhere Mehrwertsteuer für Hotels, der Fall des Bankgeheimnisses bei Betriebsprüfungen oder die neue Grunderwerbssteuer. Scharfe Kritik kam aus Tirol und Kärnten.
"Wermutstropfen" sind die geplanten Finanzierungsmaßnahmen - auch die KESt- und Immobilienertragssteuererhöhung - für Wirtschaftskammer-Präsidenten Christoph Leitl. Bei der Registrierkassenpflicht "erwartet" er sich "Verbesserungen im parlamentarischen Prozess" - damit sie nicht zu einer bürokratischen Schikane werde. "Diskussionsbedarf" sieht er auch bei der Grunderwerbssteuer: "Die geplante Erhöhung ist trotz einer erhöhten Freibetragsgrenze von 900.000 Euro pro Betrieb und Steuerfall ein echtes Problem für die Betriebe." Beim Bankgeheimnis will er sichergestellt haben, dass die Offenlegung nur bei begründetem Verdacht erfolgt.
Tarifentlastung sehr als wichtigen Beitrag
Auch wenn er sich "mehr gewünscht" hätte - an Strukturreformen -, begrüßte Leitl die Tarifentlastung sehr als wichtigen Beitrag zur Stärkung der Kaufkraft. Und war auch sehr zufrieden damit, dass es keine Erbschafts- und Vermögenssteuern gibt. Deshalb hat er im ÖVP-Vorstand am Nachmittag auch zugestimmt. Dies allerdings "nur unter Vorbehalt", wie Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Hauber in einer Aussendung kundtat: Nämlich, dass ausgabenseitige Reformen parallel auf den Weg gebracht werden müssten. Und es müsse nachgeschärft werden, aus Haubners Sicht vor allem bei der Registrierkassenpflicht.
Scharfe Töne kamen aus der Tiroler und der Kärntner Wirtschaftskammer: Der Tiroler Kammerpräsident Jürgen Bodensser (ÖVP) nannte die Steuerreform einen "Schlag ins Gesicht für den Wirtschaftsstandort". Die Zeche würden der Westen und die mittelständischen Unternehmen zahlen - mit der Umsatzsteuererhöhung für Nächtigungen, die Registrierkassenpflicht und der Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Tirol sei davon "besonders negativ betroffen".
Es sei ein "wesentlicher Punkt des einstimmigen Beschlusses im ÖVP-Bundesparteivorstand", dass einzelne Bereiche - wie die MWSt-Erhöhung für Hotelnächtigungen - noch nachgeschärft werde könnten, betonte umgehend der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) in einer Aussendung. Aber er strich hervor, dass die lange geforderte spürbare Entlastung durch Senkung der Lohnsteuer das "Herzstück der Reform" sei.
"Tief enttäuscht über Gegenfinanzierung"
"In Wirklichkeit ein gewaltiges Belastungspaket" sei die Steuerreform für die Tourismusbetriebe, war der Spartenobmann der Kärntner Wirtschaftskammer, Herlmut Hinterlehner, "tief enttäuscht über die Details zur Gegenfinanzierung". Er sprach in einer Aussendung von einer "Steuerkeule" für die Tourismusbetriebe - durch die Anhebung der Mehrwertsteuer für Nächtigungen und die Anhebung der Abschreibdauer für Hotels von 30 auf 40 Jahre. Die Registrierkassenpflicht sei nicht nur ein empörender Generalverdacht, sondern auch von den Kosten her ein "weiterer unnotwendiger Schlag vor allem wieder gegen Klein- und Kleinstbetriebe".
Bundesparteichef Reinhold Mitterlehner hatte schon nach dem Parteivorstand von "Befürchtungen und Einwendungen" wegen der Gegenfinanzierung gesprochen - und gemeint, er halte da und dort einen Nachschärfungsprozess für möglich. Bei der Präsentation der Steuerreform mit Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) deutete er eine mögliche Lösung an: Den Hoteliers könnte man damit entgegenkommen, dass die Mehrwertsteuererhöhung von zehn auf 13 Prozent möglicherweise erst zum Halbjahr 2016 schlagend wird.
(kron/APA)