Keuschnigg: "13. und 14. Gehalt wie die anderen Monatsgehälter besteuern"

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Die Regierung habe bei der Steuerreform verabsäumt, die kalte Progression auszuschalten, sagt der ehemalige IHS-Chef Christian Keuschnigg.

Die Presse: Finanzminister Schelling sagte, diese Steuerreform sei nur der erste Schritt. Wenn der Wirtschaftsstandort Österreich wieder nachhaltig an die Spitze gebracht werden soll, müssen deutlich höhere Anstrengungen unternommen werden. Teilen Sie seine Meinung?

Christian Keuschnigg: Ja, diese Steuerreform ist von der prekären budgetären Lage diktiert worden. Der Druck, die kalte Progression zurückzugeben, war groß. Mehr war im Moment offenbar nicht drin.

Die Tarifgrenzen werden auch nach der Reform nicht mit der jährlichen nominalen Wachstumsrate indexiert. Der kalten Progression wurde also nicht ein für alle Mal ein Riegel vorgeschoben.

Und das halte ich für falsch. Die kalte Progression müsste man einfach ausschalten, sie ist ein Missstand des österreichischen Steuersystems, der zu automatischen Steuererhöhungen für alle führt, ohne dass irgendein demokratischer Beschluss notwendig wäre. Wenn es eine Steuererhöhung geben soll, dann soll sie im politischen Prozess diskutiert und explizit beschlossen werden.

Kritisieren Sie, dass es zu diesen strukturellen Veränderungen im Steuersystem quasi still und heimlich kommt?

Ja. Dass das Lohnsteueraufkommen jetzt sogar höher als jenes der Mehrwertsteuer ist, bedeutet eine wesentliche Strukturverschiebung im gesamten Steuersystem. Dafür will ich einen expliziten Beschluss der Regierung haben. Diese Entwicklung soll gewünscht sein und nicht durch die Inflation einfach passieren. Letztlich geht es ja hier auch um die Frage der nationalen Autonomie.

Weshalb?

Indem die Regierung die kalte Progression zulässt, delegiert sie die Entscheidung darüber, wie stark bei uns das Lohnsteueraufkommen wachsen soll, an die Europäische Zentralbank (EZB) nach Frankfurt. Natürlich hat die Inflation eine nationale Komponente, aber die Basisinflation wird von der Geldpolitik der EZB bestimmt. Ich kann doch nicht zuschauen, wie die Entscheidungen der EZB das heimische Lohnsteueraufkommen verändern, im nationalen Interesse sollte sie die eigene Regierung fällen. Außerdem führt die kalte Progression zu einer erratischen Steuerpolitik. Sie macht alle vier bis fünf Jahre eine sogenannte Steuerreform notwendig, nämlich wenn der Frust und die Wut der Bürger wieder einmal allzu groß werden. Das Ergebnis dieser sogenannten Reformen hängt dann gerade von den zufälligen politischen Kräfteverhältnissen ab, was weder für die Planungssicherheit von Haushalten und Unternehmen noch für das Wachstum förderlich ist.

Viele Steuervergünstigungen haben auch diese Steuerreform überstanden; an der Besteuerung des 13. und 14.Monatsgehalts beispielsweise hat sich nichts verändert. Ein Fehler?

Ja. Die Einnahmenausfälle aufgrund von Steuervergünstigungen machen inzwischen etwa ein Drittel des Aufkommens der Einkommensteuern aus und sind dafür verantwortlich, dass die Steuersätze so hoch sind. Die allerwichtigste, die Sechstelbegünstigung des 13. und 14.Gehalts, ist ein internationales Kuriosum, für die es keine nachvollziehbare Begründung gibt. Was hat es für einen Sinn, zuerst über den Tarif von oben nach unten umzuverteilen, und nachher durch diese Begünstigung wieder von unten nach oben?

Sollten das 13. und 14.Monatsgehalt überhaupt abgeschafft werden?

Selbstverständlich könnten die Bürger weiterhin ein 13. und 14.Gehalt und damit ein Urlaubs- und Weihnachtsgeld beziehen, aber es sollte einfach genauso besteuert werden wie die anderen Monatsgehälter auch. Allein durch diese Maßnahme hätte man den Spitzensatz aufkommensneutral von 50 auf 44Prozent absenken können, ohne Steueraufkommen zu verlieren, und den Eingangssatz um etwa vier Prozentpunkte.

Welche Auswirkungen hätten Sie sich von einer radikalen Entrümpelung der Begünstigungen versprochen?

Sie würde das Steuersystem einfacher und transparenter, gerechter und auch leistungsfreundlicher machen, weil die Steuersätze dann niedriger sein könnten. Damit müsste man allerdings hart gegen viele Interessengruppen kämpfen, die viel gewinnen können, indem sie für ihre Klientel eine Begünstigung durchsetzen, die von anderen in Form höherer Steuersätze bezahlt wird. Die Begünstigung der einen Gruppe ist wieder Legitimation für andere, ebenfalls aggressiv eine solche für ihre eigene Klientel einzufordern.

Am Ende hat trotzdem jeder das Gefühl, zu viel zu zahlen und zu wenig zu bekommen.

Darum ist es höchste Zeit, mit dem unseligen Prinzip, mit einer selektiven Begünstigung Vorteile für sich zu erzielen und andere zahlen zu lassen, Schluss zu machen. Wenn das gelingt, könnten zum Vorteil aller die Steuersätze wesentlich geringer, könnte die Steuerehrlichkeit besser und das Vertrauen zwischen Bürgern und Staat höher sein. Dann wäre auch der Druck zur Abwanderung in die Schattenwirtschaft und in den Pfusch wesentlich geringer. Sie muss man jetzt offensichtlich mit aufwendigen Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung eindämmen. Hohe Sätze sind eben Gift für die Steuermoral. Sie führen dazu, dass man unheimlich viel gewinnen kann, wenn man einen Teil des Einkommens schwarz erzielt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2015)

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