Wirte-Protest gegen Steuerreform: Mitterlehner will "Linie halten"

500 Wirte protestieren vor dem Kanzleramt
500 Wirte protestieren vor dem Kanzleramt APA/HANS KLAUS TECHT
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Die Regierung hat die Steuerreform beschlossen, Präzisierungen sind noch möglich. Rund 500 Wirte skandierten vor dem Kanzleramt: "Django, spiel mir das Lied vom Wirtetod."

Die Regierung hat Dienstag die Eckpunkte der Steuerreform beschlossen. "Plangemäß, termingemäß", wie Kanzler Werner Faymann (SPÖ) nach der Regierungssitzung betonte. Es sei ein "wichtiger Tag für das Vertrauen in die Politik: man nimmt sich einen Termin vor und man hält ihn ein". Die detaillierten Gesetzesentwürfe sollen bis Mai folgen. Im Juli ist der Parlamentsbeschluss geplant.

Das volle Volumen der Gegenfinanzierung wird laut Faymann "am Ende der Periode" erreicht. Expertenzweifel - etwa an der Selbstfinanzierung der Reform - wies er zurück und verwies auf entsprechende Berechnungen des Finanzministeriums. Dass man bei der Steuerreform Kompromisse eingehen musste (Stichwort: Abkehr von Vermögens- und Erbschaftssteuer), verteidigte der SPÖ-Chef: "Hätte jeder vom Anfang bis zum Schluss nur seine eigene Meinung wiederholt, wäre nie eine Einigung zustande gekommen."

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Keine Änderung bei Mehrwertsteuer

Vor Beginn des Ministerrats schlug SPÖ und ÖVP ein rauer Wind entgegen: Rund 500 Wirte waren am Vormittag vor dem Bundeskanzleramt aufmarschiert, um gegen drohende Belastungen zu demonstrieren. Pikant: Die von der Wirtschaftskammer gestalteten Plakate richteten sich gegen Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) - früher selbst Vizegeneralsekretär der Kammer. In Anspielung an Mitterlehners CV-Namen war darauf zu lesen: "Django, spiel mir das Lied vom Wirtetod". Mit durchgestrichenen 13ern wurde gegen die angekündigte höhere Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtungen (sie steigt von zehn auf 13 Prozent) protestiert, die Regierung als "Totengräber der Tourismuswirtschaft" bezeichnet.

Der Gastronomie-Fachverbandsobmann in der Wirtschaftskammer, Helmut Hinterleitner, sagte, die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Nächtigungen sei ein "Affront". Denn sie bedeute eine 30-prozentige Steuererhöhung. Zur vorgesehenen Registrierkassenpflicht sagte er, er bezweifle, dass die Systeme nur 400 Euro kosten werden und forderte einen entsprechenden Kostenersatz für die Betriebe ein.

Die Hotelbesitzer könnten die Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht so einfach an die Gäste weitergeben, betonte Michaela Reitterer, Präsidentin der Hoteliervereinigung (ÖHV): "Wenn es so einfach wäre, die Zimmerpreise zu erhöhen, hätten wir's schon getan." Die ÖHV-Online-Petition "Herr Finanzminister: Urlaub darf nicht teurer werden!" haben bisher etwas über 1900 Personen unterzeichnet. 

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"Für niemand existenzielle Bedrohung"

Mitterlehner wies die Kritik nach dem Ministerrat zurück. Dass man den Wirten bei der Mehrwertsteuer noch entgegenkommen könnte, schloss er aus. "Das ist eine Prinzipienfrage im Politbereich, dass wir hier die Linie halten müssen", sagte der Vizekanzler. Ansonsten würden auch die anderen bei der Mehrwertsteuer betroffenen Gruppen auf eine Rücknahme pochen. Sehr wohl möglich sind aus Sicht des ÖVP-Chefs aber Präzisierungen bei der Abschreibung von Gebäuden und bei der Grunderwerbsteuer. Hier sollen Mehrbelastungen für Familienbetriebe vermieden werden. Es sei jedenfalls durch die Steuerreform "für niemand eine existenzielle Bedrohung" zu befürchten, betonte Mitterlehner.

Ein Entgegenkommen an die verärgerte Tourismuswirtschaft hat die Regierung am Dienstag aber doch fixiert: Die Anhebung der Mehrwertsteuer auf Beherbergung von 10 auf 13 Prozent wird erst am 1. April (und nicht schon zu Jahresanfang) 2016 schlagend.

Banken sollen "Abschleicher" melden

Die Aufweichung des Bankgeheimnisses soll hingegen schon im März schlagend werden. Außerdem werden Banken verpflichtet, hohe Kapitalabflüsse ins Ausland zu melden. Dies soll "einer etwaigen Abschleicherproblematik" vorbeugen - also das Verlagern von Schwarzgeld ins Ausland verhindern, heißt es im Ministerratsvortrag.

Steuerreform

Die von der Regierung beim Ministerrat vorgelegte Punktation zur Steuerreform bringt keine Überraschungen. In dem zwölfseitigen Papier werden im Wesentlichen die bereits in der Vorwoche präsentierten Maßnahmen dargelegt.

  • Tarifsenkung: Der Eingangssteuersatz fällt von 36,5 auf 25 Prozent, die Zahl der Tarifstufen wird von drei auf sechs erhöht.
  • "Befristet" wird der Spitzensteuersatz ab einer Million auf 55 Prozent angehoben.
  • Bei den Absetzbeträgen wird der Arbeitnehmer- in den Verkehrsabsetzbetrag integriert. Beide zusammen kommen künftig auf 400 Euro (derzeit kumuliert 345 Euro).
  • Für Geringverdiener wird der Pendlerzuschlag erhöht.
  • Der Kinderfreibetrag wird von 220 auf 440 Euro aufgestockt.
  • Für Arbeitnehmer, die keine Einkommenssteuer bezahlen, werden 50 Prozent der Sozialversicherungsbeiträge (maximal 400 Euro/Jahr) gut geschrieben. Selbstständige werden analog entlastet. Pensionisten bekommen maximal 110 Euro rückerstattet.
  • Die Forschungsprämie wird von zehn auf zwölf Prozent erhöht, die steuerfreien Mitarbeiterkapitalbeteiligung von 1460 auf 3000 Euro/Jahr.
  • Hinsichtlich der Grundsteuer heißt es, die Regierung bekenne sich dazu, "eine etwaige Neuregelung" im Rahmen der Finanzausgleichsgespräche mit den Ländern und Gemeinden "zu thematisieren".
  • Beibehalten wird von der Koalition das Ziel eines strukturellen Nulldefizits ab 2016.
  • Anhebung der Mehrwertsteuer u.a. auf Beherbergung, Kino- und Theatertickets, Tiernahrung und Blumen von 10 auf 13 Prozent.

(APA/Red.)

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