Nationalrat: Vizekanzler bohrt in SPÖ- und Wirtschaftswunden

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Faymann und Mitterlehner verteidigten im Duett die Steuerreform: Dabei gab es auch überraschende Seitenhiebe des ÖVP-Chefs, Kaffee als neue Währungseinheit für die Entlastung und sogar ein bisschen „Halligalli“.

Wien. Es war die erste Konfrontation zur Steuerreform im Parlament seit der Einigung der Regierung. So betrachtet war es eine gemäßigte, wenngleich mit subtilen Untergriffen gespickte Nationalratsdebatte: Auf der Regierungsbank warben Bundes- und Vizekanzler staatsmännisch „im Interesse des Landes“, um die teils notwendige Zustimmung der Opposition. Umgekehrt fiel es den Oppositionsvertretern nicht leicht, gegen ein 5,2-Milliarden-Steuerpaket nur wild loszuschlagen.

Anlass waren am Mittwoch im Nationalrat je 15-minütige Erklärungen von Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Beide in dunklen Anzügen, ebenso die Klubobmänner Andreas Schieder (SPÖ) und Reinhold Lopatka (ÖVP). Der Kanzler lobte so unaufgeregt Vorzüge der Entlastung speziell für Lohnsteuerzahler („Markstein“), dass auch SPÖ-Abgeordnete erst nach mehreren Minuten erstmals applaudierten. Seine Botschaft war wie danach jene Mitterlehners darauf gerichtet, man solle diese Steuerreform für die Österreicher unterstützen.

Der Unterschied war aber: Der ÖVP-Obmann bohrte dann doch leicht in den Wunden der SPÖ: Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuer seien „nicht dabei“. Und: „Es ist nicht die Steuerreform einer Partei, es ist die Steuerreform für Österreich.“ Die steinerne Miene des daneben sitzenden Bundeskanzlers war vielsagend.

Werben um die Opposition

Der ÖVP-Chef sparte die Wirtschaft, die wegen der Registrierkassenpflicht gegen Steuerbetrug und zusätzlicher Belastungen etwa für Hoteliers protestiert hat, nicht aus. Aus seinem Mund und nicht aus jenem eines SPÖ-Politikers war die folgende Aussage dennoch überraschend: „Wer sehr schreit, hat manchmal was zu verbergen.“ Da applaudierten die SPÖ-Mandatare mindestens so stark wie zuvor bei Faymanns Erklärung.

Mit dem Werben um FPÖ und Grüne, deren Sanktus für die Zweidrittelmehrheit bei manchen Teilen des Steuerpakets nötig ist, hatte hinter den Kulissen das Plenum bereits um 9 Uhr mit Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) begonnen. Er informierte die Parlamentsklubs. Bei den geplanten Bankkontoeinsichten bei Unternehmen ohne Gerichtsbeschluss will die FPÖ jedenfalls nicht mittun.

FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache stichelte, dass der Anruf dazu viel zu kurzfristig erfolgt sei. Insgesamt sieht er nur eine „Mickey-Mouse-Reform“. SPÖ und Grüne lieferten einander einen Taferl-Wettstreit mit Beispielen über Auswirkungen der Steuerreform. SPÖ-Klubchef Schieder etwa rechnete vor, wieviel Geld sich eine Familie für den Sommerurlaub erspart. Er kenne Österreichs Berge und Hütten: „Ich bin net so wie Sie immer auf Halligalli in Ibizia“, schmetterte er Strache entgegen.

Neos-Chef Matthias Strolz verteilte für die Reform ein „Nicht genügend“, weil die Belastung durch die kalte Progression wieder steigen werde. Sonst versuchten die Redner Vorteile der Steuerreform lebensnah umzurechnen. Mitterlehner kam bei 110 Euro Steuergutschrift für Pensionisten auf 30 Kaffees im Monat oder zwei Tankfüllungen. Genau darin sah Grünen-Chefin Eva Glawischnig eine Ungerechtigkeit: Bei hohen Bezügen wie jenem des Vizekanzlers gingen sich 1000 Kaffees im Monat aus. (ett)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2015)

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