Pension, Schule, Finanzausgleich: Alles aufgeschoben

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Nach der Steuerreform vertagt die Koalition im Superwahljahr 2015 brisante Reformen. Das betrifft die Pensionen ebenso wie Schulreformen.

Wien. Das Wahljahr 2015 mit den vier Landeswahlen in der Steiermark, im Burgenland, in Oberösterreich sowie in Wien führt zu einer Lähmung der Bundespolitik in wichtigen und brisanten Bereichen. Während Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner am Mittwochvormittag mit ihren Erklärungen im Nationalrat nochmals die Werbetrommel für ihre Steuerreform auch bei der Opposition gerührt haben, steht seit der zweitägigen Regierungsklausur in Krems fest, dass die Umsetzung eines Großteils der zentralen Reformaufgaben für SPÖ und ÖVP bis in das Jahr 2016 verschoben wird.

Das betrifft die Pensionen ebenso wie Schulreformen und auch den Finanzausgleich, mit dem das Steuervolumen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt wird. Im rot-schwarzen Regierungssprech wird das allerdings naturgemäß nicht als weiteres Herumdrücken um Entscheidungen und Hinausschieben notwendiger Eingriffe bezeichnet.

Faymann und Mitterlehner verweisen vielmehr darauf, dass nun Reformvorhaben mit genau festgelegten Fristen in Angriff genommen werden. Denn das habe mit der Fristsetzung bis zum 17. März des heurigen Jahres für die Einigung auf die Steuerreform gut geklappt.

Allerdings läuft diese Vorgangsweise nunmehr im Endeffekt auf Verzögerungen hinaus: Es wird keine Beschlüsse über Schulreformen vor dem ersten Halbjahr 2016 geben, keine weiteren Einschnitte bei den Pensionen vor Jahresmitte 2016, keine Änderungen bei dem für den Bund äußerst nachteiligen Finanzausgleich vor Ende nächsten Jahres.

Schulen

Für die längst überfälligen Schulreformen wurde als Frist der 17. November 2015 paktiert. Damit gibt es sicher nicht zufällig einen gut einmonatigen Sicherheitsabstand zu den Wahlen in Wien und Oberösterreich. Mit der Vertagung auf November dieses Jahres wird zugedeckt, dass Bund und Länder bereits seit Sommer 2014 ergebnislos über Neuerungen im Schulwesen und in der Schulverwaltung wie etwa über die Kompetenzen für Lehrer verhandeln. In der Zwischenzeit haben die Länder jährlich die nach den Schülerzahlen vereinbarten Lehrerkosten um rund 30 Millionen Euro überzogen. Ein Expertenpapier zur Erhöhung der Effizienz im Schulwesen verstaubt seit Jahren in den Schubladen des Unterrichts- und Finanzministeriums.
Selbst bei einer Entscheidung am 17. November 2015 sorgen der parlamentarische Fristenlauf und die notwendige Umstellungszeit in den Schulen dafür, dass wirklich einschneidende Neuerungen dann nicht mehr rechtzeitig ab dem Schuljahr 2016/17 umgesetzt werden können.

Pensionen

Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) ist mit dem Hinausschieben der Entscheidung über weitere Eingriffe bei den Pensionen auf den 29. Februar 2016 ein Coup gelungen. Zu diesem Termin wird er kaum mehr in die Verlegenheit kommen, etwaige Reformen auch noch selbst umsetzen zu müssen. Denn Hundstorfer wird aller Voraussicht nach im Spätherbst dieses Jahres offiziell als Bundespräsidentschaftskandidat der SPÖ nominiert. Er wird daher am 29. Februar 2016 vermutlich nicht mehr im Ministeramt, sondern längst mitten im Wahlkampf um die Nachfolge von Heinz Fischer in der Hofburg sein.

Die ÖVP mit Bundesparteiobmann Reinhold Mitterlehner und Finanzminister Hans Jörg Schelling hat nach dem erhöhten Druck in den vergangenen Wochen vorerst gegenüber der SPÖ und Hundstorfer zurückgesteckt. Das erfolgte mit Blick auf die vier Landtagswahlen bei zum Teil unpopulären Themen wie der früheren Anhebung des Frauenpensionsalters und weiteren Verschärfungen. In der SPÖ war einkalkuliert, dass die ÖVP-Spitze jetzt bei dem Thema keinesfalls den großen Koalitionskrach riskieren würde.

Länder

Bei der Neuaufteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ist das Zurückstecken bereits im Herbst des Vorjahres nur ein paar Wochen nach der Amtsübernahme Schellings im Finanzministerium erfolgt. Der Finanzausgleich wurde ohne viel Aufhebens nochmals um ein Jahr bis Ende 2016 verlängert. Die Bundesregierung gab damit ein wichtiges Druckmittel für einen sparsameren Umgang mit dem Geld aller österreichischen Steuerzahler gegenüber den Bundesländern vorzeitig aus der Hand. Schelling predigt zwar sein Prinzip, dass am besten jene Gebietskörperschaft zahlen solle, die auch die Verantwortung wahrnehme. Momentan ist das allerdings noch politische Fantasie: Denn jetzt werden erst einmal im heurigen Frühjahr die Verhandlungen über einen neuen Finanzausgleich gestartet.

Die Länder haben sich für die Verhandlungen gewappnet. Sie werden mehr Geld wegen der steigenden Kosten für die Pflege verlangen und damit Einsparungen oder Abstriche in anderen Bereichen zu kompensieren versuchen.

Details noch offen

In der Zwischenzeit wird die Bundesregierung an sich längst überfällige Minigesetzesinitiativen wie zuletzt bei ihrer Klausur in Krems den Österreichern als große Errungenschaften näherbringen: die Teilpension, die mehr eine verkappte Neuregelung der teuren Altersteilzeit ist, das Pensionsmonitoring zur Beobachtung des durchschnittlichen Pensionsantritts und die Kostenbremse in der Verwaltung, in der die Ausgaben künftig nur um 1,7 statt 2,7 Prozent steigen sollen. Zum Vergleich: In Oberösterreich wuchsen die Verwaltungsausgaben seit 2009 im Schnitt um nur 0,58 Prozent an („Die Presse“ berichtete in ihrer Online-Ausgabe).

Selbst bei diesen Gesetzen herrscht bisweilen Unklarheit. So war im Rahmen der Klausur geplant, auch Frauen die Teilpension zu ermöglichen. Bisher hätten nur Männer ab 62 Jahren davon profitiert. Hundstorfers Sozialministerium meldete jedoch am Mittwoch Bedenken an, weil eine Neuregelung etwa für Frauen ab 57 Jahren europarechtlich nicht halten würde. Eine geschlechterspezifische Differenzierung mit unterschiedlichen Altersgrenzen sei nicht zulässig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2015)

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