Die „Mariahilfer Straße“ von Hohenems

VORARLBERGER GEMEINDEVERTRETUNGS- UND BUeRGERMEISTERWAHLEN 2015
VORARLBERGER GEMEINDEVERTRETUNGS- UND BUeRGERMEISTERWAHLEN 2015(c) APA/DIETMAR STIPLOVSEK
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Am Sonntag findet die Stichwahl zwischen ÖVP-Bürgermeister Amann und FPÖ-Herausforderer Dieter Egger statt. Trotz Unterschriftenkampagne gegen den Vorarlberger FPÖ-Chef: Wahlentscheidend ist das neue Verkehrskonzept.

Hohenems. Am Ende, so scheint es, werden es die Straßen sein, die sich auf das Wahlergebnis auswirken werden. Die Vorarlberger Stadt Hohenems wählt am Sonntag in einer Stichwahl ihren neuen Bürgermeister – Dieter Egger von den Freiheitlichen hat Amtsinhaber Richard Amann (ÖVP) herausgefordert, und seine Chancen, Amann vom Thron zu stoßen, stehen nicht schlecht. Viel wurde in den vergangenen Tagen über den Umstand diskutiert, dass die einzige Stadt in Vorarlberg mit einer jüdischen Geschichte und einem jüdischen Museum einen freiheitlichen Bürgermeister bekommen soll, dennoch wurde der Wahlkampf von einem anderen Thema dominiert: dem Verkehr. Dazu später mehr.

Egger ist Landeschef seiner Partei und hat in seiner Heimatstadt Hohenems nicht nur Freunde. 2009 sorgte seine Aussage, der deutsche Direktor des Jüdischen Museums Hohenems, Hanno Loewy, sei ein „Exil-Jude aus Amerika“, für den Rausschmiss aus der freiwilligen Koalition mit der ÖVP. In den vergangenen Tagen hat sich eine überparteiliche Initiative mit einer Unterschriftensammlung hinter Amann gestellt, Namen wie Michael Köhlmeier, Monika Helfer und Johannes Collini sind darauf zu finden, Letzterer ist Chef der Collini-Gruppe, dem größten Unternehmen in Hohenems.

Den Antisemitismus-Vorwurf ist Egger seit dem Exil-Juden-Sager nicht mehr losgeworden. Die Frage, ob er als Bürgermeister auch Gespräche mit der Museumsleitung führen würde, bejahte der FPÖ-Chef, ergänzte aber, dass Loewy klar sein müsse, „dass die Entscheidungen im Rathaus getroffen werden und nicht im Jüdischen Viertel“. Für eine Stellungnahme war Egger nicht erreichbar.

Im Wahlkampf waren aber ohnehin andere Faktoren entscheidend. Im ersten Wahlgang und nun wohl auch in der Stichwahl. In der 15.600 Einwohner zählenden, jüngsten Stadt Vorarlbergs war das neue Verkehrskonzept das dominante Thema. „An sieben Ampeln musst du stehen“ lautete denn auch ein Motto von Dieter Egger in Anlehnung an das Lied „Über sieben Brücken musst du gehn“. Der Freiheitliche gilt als stärkster Kritiker des Hohenemser Konzepts.

Mittelpunkt des Unmuts ist der Stadtkern: zwei Straßen mit wertvoller, historischer Bausubstanz, die zum Schlossplatz mit einem hübschen Renaissance-Palast führen. Bis vor einigen Jahren sind hier rund 20.000Fahrzeuge täglich durchgebrettert, die Straßen haben als Durchzugsweg nach Dornbirn gegolten. Der Verkehr hat den Hohenemser Kern stark in Mitleidenschaft gezogen, 2009 wurde schließlich die „Spange“ eröffnet, der Durchzugsverkehr wird seitdem um den Stadtkern umgeleitet. Die Innenstadtbewohner freut es, die nunmehrigen Spangenbewohner weniger. „Ursprünglich war geplant gewesen“, sagt Projektentwickler Markus Schadenbauer-Lacha, „dass mit der Spange gleichzeitig die neue Straßengestaltung in der Innenstadt erfolgt, aber das ist nicht geschehen.“

Das Ziel, die Durchzugsfahrer wegzubekommen und die Tagesgäste mit attraktiven Angeboten anzulocken, ist demnach nicht auf Anhieb gelungen. Die zeitversetzte Umgestaltung – erst die Spange, dann die Straßengestaltung und später die Umgestaltung des Schlossplatzes – hat dazu geführt, dass das Verkehrskonzept nicht bei allen angekommen ist. Sprich: mehr Strafzettel. Die Umstellungsphase hätte länger dauern können, meint Schadenbauer-Lacha dazu, und der amtierende Bürgermeister Amann sagt: „Der Autofahrer ist ein Gewohnheitswesen. Es war die große Herausforderung, die Änderungen sichtbar zu machen.“

Amann verweist auf eine Vielzahl von Erneuerungen, die mit dem neuen Verkehrskonzept entstanden sind – etwa 20 Wohnungen in der Innenstadt, für die es 200 Bewerber gegeben hat. Und auch darauf, dass die Bürger Einfluss auf den Prozess hatten: „Es war auch die FPÖ miteingebunden, die das Konzept jetzt kritisiert.“ Er wirft Egger vor, sich in den vergangenen Jahren nicht für Hohenems eingesetzt zu haben, während Egger auf die hohen Kosten des Prozesses verweist.

Der Bürgerbeteiligungsprozess ist etwas, das sich das Land Vorarlberg an die Fahnen geheftet hat: Er wurde viel gelobt, ist aber auch zeitintensiv. Laut Amann wird der Meinungsbildungsprozess über die Umgestaltung des Schlossplatzes drei Jahre dauern, zumal der Platz mit der historischen Substanz eine komplizierte Angelegenheit ist.

Wirbel vor Stichwahl in Bludenz

An diesem Sonntag wird nicht nur in Hohenems gewählt, sondern auch in Bludenz, wo Amtsinhaber Josef Katzenmayer (ÖVP) von Mario Leitner (SPÖ) herausgefordert wird. Am Freitag wurde bekannt, dass Wahlkarten von der ÖVP offenbar ohne Vollmachten ausgegeben wurden. Die Frage ist, ob sie tatsächlich an jene ausgehändigt wurden, auf die sie ausgestellt waren. Die Polizei ermittelt in mehreren Fällen. In Bregenz hat sich gestern die schwarz-grüne Koalition auf eine dritte Amtszeit geeinigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2015)

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