Ein Blick in Grassers Steuergutachten

Karl-Heinz Grasser
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Karl-Heinz Grasser wird vorgeworfen, er habe Geld aus seinem Meinl-Engagement am Finanzamt vorbeigeschleust. Ein Gutachten entlastet ihn: Ein Großteil sei in Österreich versteuert worden – und der Rest erklärbar, heißt es.

Eine „Posse“ nennt Karl-Heinz Grasser die Vorgeschichte zu seinem Finanzstrafverfahren. Und schildert der „Presse“, dass bei seiner Einvernahme in Sachen Buwog – eher beiläufig – auch sein Liechtensteiner Stiftungskonstrukt zur Sprache gekommen sei. Dass er Peter Haunold, seinen damaligen Steuerberater, daraufhin von der Verschwiegenheitspflicht entbunden habe, „weil ich wirklich kein schlechtes Gewissen hatte. Null.“ Dass Haunold dann zwei Polizisten – ohne Beisein von Finanzbeamten – die Struktur erklärt habe: „Alles legal, alles vom Finanzamt geprüft.“ Einen Tag später habe Grasser das Verfahren am Hals gehabt. „Eingeleitet auf der Grundlage eines Antrags dieser zwei Polizisten.“

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Das war im Jahr 2010. Ermittelt wird noch immer. Und noch immer zeigt sich Grasser überzeugt, er werde in diesem Verfahren nie verurteilt werden. „Weil ich nichts gemacht habe.“

Um das zu untermauern, beauftragte er den Wirtschaftsprüfer Christian Ludwig mit einem Gutachten. Zur Sprache kam diese Expertise schon öfter, auch im Prozess gegen Haunold (siehe Artikel unten). Der „Presse“ hat Grasser nun Einblick in das Gutachten gegeben.

Es geht darin um die Versteuerung von Einkünften aus seinem Meinl-Engagement. Und um sein Liechtensteiner Stiftungskonstrukt: Ist es rechtlich vertretbar? Und: Wie stark weicht es von jenem Modell ab, das der Finanz seinerzeit offengelegt und von ihr akzeptiert wurde? Denn diese Offenlegung gab es, und zwar im Jahr 2009. Die Behörde gab Grasser damals grünes Licht, sie ließ die Stiftung als „intransparent“ gelten. Die Stiftung wurde also als eigenständiges Steuersubjekt anerkannt (was rechtlich voraussetzt, dass es eine klare Abgrenzung gegenüber Stifter und Begünstigten gibt, also vor allem einen unabhängigen Stiftungsvorstand). Einkünfte, die in einer solchen Stiftung landen, werden ihr selbst zugerechnet, nicht den Begünstigten. Diese müssen nur die Zuwendungen versteuern, und zwar mit 25 Prozent. Bei einer transparenten Stiftung wäre das anders: Hier würde das Geld den Begünstigten direkt zugerechnet, sie müssten dafür Einkommensteuer zahlen.

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Aber zurück zum konkreten Fall. Das Stiftungsmodell wurde also dem Finanzamt vorgelegt, von diesem geprüft und als intransparent beurteilt. Und auch Grassers Steuererklärung, die darauf basierte, zunächst akzeptiert.

Später revidierte die Behörde diese Ansicht und rechnete ihm alle Einkünfte direkt zu. Deshalb laufen bis heute sowohl ein Abgaben- als auch ein Finanzstrafverfahren gegen ihn. Aber wieso der Sinneswandel? War die ursprüngliche Beurteilung falsch? Laut Ludwigs Gutachten nicht: Das Konstrukt ist demnach nicht ungewöhnlich – und steuerlich nicht einmal sonderlich vorteilhaft. Bestanden hat es aus einem komplexen Geflecht von Firmen, angesiedelt zum Teil in Steueroasen wie Zypern und den British Virgin Islands. Die Liechtenstein-Stiftung bildete das Dach. Laut dem Gutachten kommt es nun darauf an, ob diese Stiftung einem Typenvergleich mit der österreichischen Privatstiftung standhält. Das sei der Fall gewesen, und steuerlich habe sich Grasser mit dem Auslandskonstrukt nichts erspart: Denn auch bei einer österreichischen Stiftung wären erst bei der Zuwendung an den Begünstigten 25 Prozent Steuer fällig geworden.

Wundern darf man sich trotzdem über das ursprüngliche Plazet seitens der Behörde: In anderen, ähnlich gelagerten Fällen ließ sie sich nämlich auf einen Typenvergleich meist gar nicht erst ein. Sondern ließ Liechtenstein-Stiftungen von vornherein nicht gelten. Warum war sie in Grassers Fall großzügiger? Ein Entgegenkommen für den ehemaligen obersten Chef? Wenn auch ein rechtlich gedecktes, sofern man Ludwigs Ansicht folgt?

Wie auch immer: Später, nach Einleitung des Finanzstrafverfahrens, prüften andere Beamte. Und kamen zum konträren Ergebnis. Unter anderem – so die Begründung – weil das Konstrukt nach der Offenlegung noch verändert worden sei. Abweichungen gab es auch laut Ludwigs Expertise, aber nicht in entscheidenden Aspekten. Auch dass letztlich zwei Stiftungen nach demselben Muster gegründet wurden und nicht nur eine, spiele keine Rolle.

All das betrifft jedoch nur einen Teil von Grassers Einkünften. Es geht hier um Dividenden aus einer Firmenbeteiligung (an der Meinl International Power Management, MPM), die in der Stiftung landeten. Dazu kam aber auch noch ein beachtliches Aktiveinkommen für Tätigkeiten für die Meinl Bank Antigua: Aus einem Beratungsvertrag und unter dem Titel „Vertriebsprovisionen“ flossen insgesamt rund 4,38 Millionen Euro. Etwa 3,375 Millionen davon seien in Österreich versteuert worden, besagt das Gutachten. Zwar nicht unmittelbar von Grasser selbst, sondern über ein Unternehmen namens Value Creation mit Sitz in Wien. Unterm Strich habe er sich dadurch aber kaum etwas erspart. Denn die Körperschaftsteuer und die KESt bei der Ausschüttung hätten in Summe etwa dasselbe ausgemacht wie die Einkommensteuer.

Bleibt rund eine Million, die nicht in Österreich versteuert wurde. Sondern in eine Firma namens Silverwater floss. Die hat ihren Sitz auf den British Virgin Islands – in einer Steueroase par excellence. Das Gutachten findet auch dafür eine Erklärung: Es handle sich um eine Art „Risikoprämie“ oder Haftungsprovision. Vertragspartner des Vertriebsvertrages mit der Meinl Bank Antigua, aus dem die Provisionen flossen, sei nämlich weder Grasser selbst gewesen noch die Value Creation in Wien. Sondern eben besagte Silverwater. Diese habe das Risiko für das Geschäft getragen.

Das Konstrukt habe ja – neben Anonymität für Grasser – Risikoabschirmung bewirken sollen. Ob Gericht und Finanzbehörden das auch so sehen werden? Wer weiß. Grasser jedenfalls pocht auf das Gutachten und das seinerzeitige Plazet des Finanzamtes: Selbst wenn das Konstrukt letztlich doch nicht halte, treffe ihn keine Schuld. Rechtlich vertretbar sei es allemal gewesen. Ihm könne also höchstens eine Steuernachzahlung drohen. Keine Strafe.

Bleibt die grundsätzliche Frage: Welches Gewicht darf man einem Privatgutachten beimessen, das den Auftraggeber entlastet? Das wird oft angezweifelt – renommierte Gutachter haben aber immerhin einen Ruf zu verlieren. Und: Staatsanwälte stützen sich im Zuge ihrer Ermittlungen ebenfalls oft auf Gutachten. Bei diesen könnte man dann genauso eine Interessenlage vermuten (selbst wenn man berücksichtigt, dass der Staatsanwalt im Ermittlungsverfahren noch nicht formell Ankläger ist). Privatgutachten wurden zudem durch eine Novelle der Strafprozessordnung aufgewertet: Sie werden jetzt zum Akteninhalt, wenn die Verteidigungsschrift darauf Bezug nimmt. Der Privatgutachter hat dann auch ein Fragerecht im Verfahren.

Fazit: Es kommt letztlich nur auf die Fundiertheit an – und die muss das Gericht beurteilen. Dem Vernehmen nach erging kürzlich eine (noch unveröffentlichte) Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu einer Liechtenstein-Stiftung, die Ludwigs Gutachten insofern stützt, als sie das angewandte Prüfschema bestätigt.

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