EU-Armee: „Dann entscheidet Brüssel über Leben und Tod“

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FRANCE - EUROCORPS(c) EPA (Christian Hartmann)
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Eine gemeinsame europäische Armee ist unwahrscheinlich – und mit der Neutralität nicht vereinbar.

Wien. Sicherheitspolitisch will die Volkspartei neue Wege gehen. Laut Programmentwurf tritt die ÖVP mit Blick auf die Weiterentwicklung der EU für eine gemeinsame europäische Armee ein. Die Neutralität kommt in dem Papier nicht vor – explizit aufgeben will man sie aber auch nicht.

Für Heinz Gärtner, Direktor des Österreichischen Instituts für Internationale Politik, ist es ein unwahrscheinliches Szenario, dass eine europäische Armee in absehbarer Zeit aufgestellt wird. Eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik gebe es ja schon, doch für eine gemeinsame Armee müsste man den Lissabon-Vertrag neu verhandeln. Und außerdem seien die Nato-Staaten gegen eine EU-Armee, da sie nicht wollen, dass Parallelstrukturen aufgebaut werden.

Denkbar ist für Gärtner eine EU-Armee nur, wenn sich Europa in Richtung eines Bundesstaates entwickelt, mit einer gemeinsamen Regierung und mit dem Gewaltmonopol auf europäischer Ebene. Dann könne es auch eine europäische Armee mit einer Kommandozentrale in Brüssel geben. Ob das die EU-Länder wollen, sei allerdings fraglich: „Denn dann fällt die Entscheidung über Leben und Tod in Brüssel.“

Battle Groups existieren schon

Mit der Neutralität sei eine derartige europäische Armee allerdings nicht vereinbar – im Gegensatz zu den jetzt schon existierenden Battle Groups. In diesen als schnelle Eingreiftruppe konzipierten Kampfverbänden ist Österreich in einer Einheit mit Deutschland und Tschechien dabei. Die Aufgaben reichen von humanitärer Hilfe bis hin zu Kampfeinsätzen. Allerdings gibt es diese Battle Groups bisher de facto nur auf dem Papier. In der Praxis sind die seit 2004 existierenden Einheiten, die aus 1500 bis 2500 Mann aus mehreren Nationen gebildet werden, nämlich noch nie zum Einsatz gekommen.

Österreich kann trotz Neutralität dabei mitmachen, wenn Einsätze aufgrund eines UN-Mandats erfolgen, was in der Konzeption der europäischen Battle Groups auch vorgesehen ist. Einsätze, die sich nicht auf ein UN-Mandat stützen, könnte Österreich ablehnen.

Auch für den Verfassungsrechtler Heinz Mayer ist eine Beteiligung Österreichs an einer europäischen Armee bei Beibehaltung der Neutralität undenkbar. Wobei er der Meinung ist, dass diese durch den EU-Beitritt ohnehin schon ausgehöhlt sei: Bei korrekter Auslegung der Neutralität hätte Österreich nämlich gar nicht Teil der EU werden dürfen.

Eigenständige Verteidigung

Übrig seien jetzt nur noch zwei Elemente von Neutralität: Österreich dürfe keinem Militärbündnis beitreten und keine fremden Truppen auf eigenem Territorium stationieren. Neutralität sei untrennbar mit einer eigenständigen Landesverteidigung verbunden, sagt der Verfassungsexperte Mayer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2015)

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