Salzburg: Schostakowitsch hinter die Maske geblickt

(c) Michaela Bruckberger
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Osterfestspiele Salzburg: Nikolaj Znaider spielte Schostakowitsch, unverblümt und explosiv.

Ein Hauch von Generalprobenatmosphäre umwehte den Abend: Violinist Nikolaj Znaider hatte ein Pult mit (dann allerdings wenig beachteten) Noten vor sich aufgebaut, in den Satzpausen versicherten er und Dirigent Christian Thielemann sich murmelnd gegenseitiger Zustimmung – geschenkt. Denn musiziert wurde so intensiv und einträchtig, wie es sich auch bei Festspielen nicht alle Tage ereignet. Dabei stellt Dmitri Schostakowitschs 1. Violinkonzert enorme Ansprüche. 1947/48 für David Oistrach komponiert, dann aber aus politischen Gründen zurückgehalten und erst 1955 uraufgeführt, kündet auch dieses Werk auf verschlüsselte Weise vom Leben im Stalinismus.

Natürlich hat Znaider als zusätzliche Quelle zur Partitur verinnerlicht, wie Oistrach das Werk gedeutet hat, das ist schon an der ersten Phrase zu erkennen. Doch trat er in den zarten Passagen dynamisch noch einen deutlichen Schritt hinter das zurück, was der Widmungsträger einst hören ließ. Es ist ja ein eminenter Unterschied, ob ein Piano oder gar Pianissimo eher dem Gestus nach als solches vorgetragen wird, oder ob sich im Leisen, noch Leiseren auch der Klang entsprechend ausdünnt. Znaider wagte es.

Orchestrales Kesseltreiben

Schostakowitschs in Musik gegossene Trauer wirkte dadurch unverblümt, offen – ein intimes Nachsinnen, bei dem der 39-Jährige auch noch den letzten Rest von Solistenattitüde abstreifte. Die bewies er dafür umso klarer dort, wo funkelnde, kapriziöse Virtuosität gefordert ist: im fratzenhaften Scherzo, beim verordneten Frohsinn des Finales – und nicht zuletzt im Parforceritt der großen Kadenz, die zu diesem überleitet. Großartig, wie Thielemann und seine in jedem Sekundenbruchteil präsente Staatskapelle Dresden darauf reagierten, indem sie gemeinsam etwa Znaiders Explosivität mit vielgestaltig erregtem Kesseltreiben weiter anheizten. Konventioneller geriet Tschaikowskys „Pathétique“, die bei aller Sorgfalt, Differenzierung und Noblesse doch zu schön klang, um auch „wahr“ zu sein: Von existenzieller Erschütterung wie zuletzt etwa im Musikverein mit den Wienern unter Semyon Bychkov war nichts zu spüren. Generalprobe eben . . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2015)

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