Pensionen fressen Steuerreform auf

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Jedes Jahr steigen in Österreich die Kosten für Pensionen um eine Milliarde Euro. Vor allem im öffentlichen Bereich gebe es „null Transparenz“, kritisieren Experten. Die Regierung ist gefordert.

Wien. Als die größte Steuerentlastung der Zweiten Republik titulierte die Bundesregierung ihre Steuerreform. 4,9 Milliarden Euro weniger Steuerlast für die Bürger. Ein Großteil davon gehe in die „Entlastung des Faktors Arbeit“, heißt es. Ulrich Schuh, Ökonom von Eco Austria, kann die Euphorie nicht teilen. Denn allein die steigenden Kosten des Pensionssystems würden diese Steuerreform bis 2019 aufgefressen haben. Jedes Jahr belaste die Finanzlücke bei den Pensionen das Budget um eine weitere Milliarde Euro, warnt er. „Bis zum Jahr 2019 wird sich die Deckungslücke um 4,9 Milliarden Euro erweitern.“ Auch Pensionsexperte Bernd Marin warnt. „Noch läuft das Pensionssystem nicht völlig aus dem Ruder“, sagt er. Aber die Zeit laufe den Politikern davon, warnt er.

Ein Überblick über die größten Baustellen des heimischen Pensionssystems:

1. Das Pensionssystem verschlingt immer mehr Steuergeld.

Jeder dritte Euro, den der österreichische Staat einnimmt, fließt ins Pensionssystem. 2013 wurden für alle Pensionisten – Beamte und ASVG-Versicherte – laut Schuh 48 Milliarden Euro ausgegeben. Die ASVG-Pensionen machten 37 Milliarden Euro aus, knapp 25 Milliarden wurden durch Beiträge finanziert, zwölf Milliarden musste der Staat aus dem Budget zuschießen. Jedes Jahr geht diese Deckungslücke um eine weitere Milliarde auf. Dass ein Drittel der Pensionen aus dem Steuertopf finanziert werden muss, ist für Bernd Marin „per se schon selbstzerstörerisch und nicht nachhaltig“. So werde „der Generationenvertrag ständig ausgehebelt, und zwar zulasten der Jüngeren, viel schlankeren Kohorten (Jahrgänge unter 80.000 Personen), die über Steuerzuschüsse die Pensionen der ,fetteren‘ Babyboomer-Generation (Jahrgänge über 135.000) finanzieren müssen, ein desaströser Zustand“, sagt Marin.

2. Die Anhebung des Pensionsalters hält mit der steigenden Lebenserwartung nicht Schritt.

Die Lebenserwartung der österreichischen Männer erhöhte sich zuletzt pro Jahr um 109, jene der Frauen um 80 Tage, betont Marin. Das effektive Pensionsantrittsalter steige vergleichsweise gemächlich an und liege bereits 4,5 Jahre hinter dem OECD-Schnitt gegenüber bloß 1,5 Jahren zur Jahrtausendwende, „wir fallen laufend weiter zurück“.

Beamte sind im Vorjahr 70 Tage später in Pension gegangen als 2013. Das ist unter dem Strich viel zu wenig. Rascher steigt das Pensionsantrittsalter bei den ASVG-Versicherten. Dort schnellte das Pensionsantrittsalter 2014 um 13 Monate in die Höhe. Hinter diesem Anstieg stecke viel statistische Kosmetik, kritisiert Schuh. Aus Invaliditätspensionisten wurden nämlich im vergangenen Jahr Reha-Geldbezieher, die nicht mehr in der Pensionsstatistik aufscheinen. Zu einem echten Anstieg des ASVG-Pensionsalters würde ein Bonus-Malus-System für Unternehmen führen, wie es in Holland praktiziert wird, sagt Marin. Hollands Experience Rating habe zu steigendem Pensionsalter geführt.

3. Österreichische Beamte treten zu früh in den Ruhestand.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) wird nicht müde zu betonen, dass Beamte in Österreich später pensioniert werden als ASVG-Pensionisten. Tatsächlich gingen Beamte 2014 im Schnitt mit 60,9 Jahren in Pension, ihre ASVG-Kollegen bereits mit 59,6 Jahren, „obschon die Frauen im öffentlichen Dienst ja fünf Jahre länger arbeiten müssten als im Privatsektor“. Dass bei den Beamtenpensionen alles im Lot sei, ist für Bernd Marin daher „lachhaft“. Beamte seien schließlich „nicht den Stürmen der Weltwirtschaft ausgeliefert“, sagt er. Es gebe daher keinen Grund, dass etwa 98,9 Prozent der OÖ Landesbeamten vorzeitig im Ruhestand sind. Für Marin ist unannehmbar, dass „Beamte der Stadt Wien bis zu zehn Jahre früher in Pension gehen als Beamte in Rotterdam, Helsinki oder Stockholm“. Marin empfiehlt als „Rute im Fenster“ Posten erst nachzubesetzen, wenn das gesetzliche Pensionsalter erreicht ist. Finanzminister Schelling müsse „wie bei der Hypo auch bei den Beamtenpensionen die Notbremse ziehen“.

4. Im öffentlichen Bereich herrscht weitestgehend Intransparenz.

Wiens Bürgermeister, Michael Häupl (SPÖ), ließ dem Finanzminister über Medien ausrichten, dass diesen die Wiener Beamten nichts angingen. „Im öffentlichen Bereich herrscht null Transparenz“, kritisiert Ökonom Schuh. Während bei den ASVG-Pensionen alle Daten öffentlich sind, erweisen sich Beamte in Ländern und Kommunen als „wenig auskunftsfreudig“.

Auch bei der Höhe der Pensionen sieht Marin eine extreme Schieflage. So bekomme eine Akademikerin im Dienst des Landes Kärnten („unser Griechenland“) in der Pension um 500.000 Euro mehr als eine gleich qualifizierte Bundesbeamtin. Letztere beziehe ihrerseits wiederum im Lauf ihres Rentnerlebens um eine halbe Millionen mehr, als eine vergleichbare ASVG-Akademikerin, etwa bei Infineon in Villach, erwarten darf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2015)

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