Fördert die Politik ein altes Mutterbild?

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Eine Studie bemängelt das Fehlen einer Trendwende in der Familienförderung. Gefordert werden mehr Sach- statt direkte Geldleistungen für Kinder.

Wien. Bestätigung für Familienministerin Sophie Karmasin (wie sie das nach eigenen Angaben selbst so sieht) oder Kritik: Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) verlangt jedenfalls eine Trendwende in Richtung Sachleistungen. Österreich hinke Ländern wie Schweden, Frankreich oder den Niederlanden hinterher – nicht was Geldleistungen an Familien betrifft. Im Gegenteil. Sondern was Sachleistungen betrifft, also beispielsweise finanzielle Mittel für den Bau oder Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen. Die harte Kritik des Wifo: Österreichs Politik fördere ein Familienmodell, in dem Mütter den größeren Teil der Betreuungsarbeit übernehmen. Wifo-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller will nicht nur die öffentliche Hand, sondern auch Unternehmen bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie verstärkt in die Pflicht genommen sehen.

Direkte Geldleistungen machen demnach knapp zwei Drittel der Gesamtausgaben für Familien aus. Diese Struktur der Familienleistungen unterstütze im Zusammenspiel mit weiteren Regelungen – wie etwa den Kinderbetreuungsgeldvarianten mit langer Dauer – sowie der im Durchschnitt deutlich geringeren Entlohnung von Frauen und nicht zuletzt einer ausgeprägten Skepsis in der Bevölkerung gegenüber einer Erwerbstätigkeit von Müttern mit kleinen Kindern tendenziell ein traditionelles Familienmodell, in dem Vätern der größere Teil der Erwerbsarbeit zugewiesen werde, wie es in der am Donnerstag publizierten Wifo-Expertise heißt. Die Aufwendungen der öffentlichen Hand für Familien stiegen seit Mitte der 2000er-Jahre von 7,9 Mrd. Euro (2006) auf knapp 9,3 Mrd. Euro (2013). Mit 2,9 Prozent des BIPs entsprachen sie 2013 knapp dem Wert des Jahres 2006 (drei Prozent). Pro Kind stiegen die Familienleistungen von 4400 Euro 2006 auf etwa 5500 Euro im Jahr 2013.

Gleichzeitig wird festgehalten, dass mehrere Schritte zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf gesetzt wurden. Als Beispiele genannt werden die nicht übertragbaren Partnermonate beim Kinderbetreuungsgeld und die einkommensabhängige Variante, der Ausbau der Betreuungseinrichtungen für unter Dreijährige, mehr schulische Nachmittagsbetreuung sowie der Papamonat im öffentlichen Dienst.

„Anwesenheitskultur“ im Beruf

Und: Seit Mitte der 2000er-Jahre hat sich die Struktur der Familienleistungen laut Wifo merklich verändert. Der Anteil der Ausgaben für Betreuungseinrichtungen nahm von 2006 bis 2013 von 11,2 Prozent auf 18,8 Prozent zu. Das Institut prophezeit eine weitere Erhöhung im Rahmen der seit dem Jahr 2008 verstärkten Bemühungen zum Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen vor allem für unter Dreijährige.

Wie kann die Beteiligung von Vätern an der Kinderbetreuung erhöht werden? Schratzenstallers Antwort: durch Förderung einer gleichmäßigeren Verteilung der Elternzeit wie in Schweden und Deutschland. Ein wichtiger Faktor, um eine raschere Rückkehr der Frauen in den Beruf zu fördern, sei auch die steigende Qualität der Kinderbetreuungseinrichtungen. Auch mehr Führungspositionen in Teilzeit seien notwendig. „In Österreich gibt es noch eine gewisse Anwesenheitskultur“, so Schratzenstaller.

Familienministerin Karmasin sieht sich durch die Wifo-Studie bestätigt. Sie verwies auf die gestiegenen finanziellen Aufwendungen, auch die Sachleistungen für Familien würden in den kommenden Jahren mit den Ausbauoffensiven bei der Kinder- und schulischen Nachmittagsbetreuung deutlich erhöht werden. Der katholische Familienverband wieder richtete sich am Donnerstag vehement gegen Überlegungen, die kostenlose Mitversicherung für den zweiten Elternteil zu streichen. (red./APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2015)

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