Der Klassenkampf ist Geschichte, die Verstaatlichtenideologie entsorgt: Die SPÖ ist in die Mitte gewandert. Die linke Rhetorik hat sie beibehalten.
Als die SPÖ am 14.April 1945 gegründet wurde, galt wieder das Programm der sozialdemokratischen Vorgängerpartei von 1926. Es war ein Programm des Klassenkampfs: Die Zusammenarbeit mit der Bourgeoisie sollte nur temporär sein, Enteignungen waren vorgesehen, die Produktionsmittel sollten in öffentlicher Hand sein.
Die Zusammenarbeit mit der ÖVP nach 1945 war dann allerdings alles andere als temporär, auch den Kapitalismus akzeptierte man im Großen und Ganzen, und im neuen Parteiprogramm von 1958 wurde dann sogar einer Vereinbarkeit von Sozialismus und Christentum das Wort geredet. Verstaatlicht wurde allerdings in großem Stil. Das „Königreich Waldbrunner“, also die Einflusssphäre des damaligen Verstaatlichtenministers, wurde zum geflügelten Wort.
Und die Verstaatlichtendoktrin galt auch noch in der Ära Kreisky. Allerdings war die SPÖ da schon deutlich in die Mitte gerückt. Sie setzte zwar auch – gesellschaftspolitisch – linke Akzente wie die Legalisierung der Abtreibung, propagierte aber auch „Aufstieg – Leistung – Sicherheit“ wie beim 1.-Mai-Aufmarsch 1969.
In der Amtszeit Franz Vranitzkys nahm die SPÖ dann notgedrungen Abschied von der Verstaatlichtenideologie und näherte sich der EU an – ein weiterer Schritt nach rechts. Vielen Sozialdemokraten war die EU als Wirtschaftsgemeinschaft zuvor nicht geheuer gewesen. Und mit dem Verweis auf die Neutralität wurde eine Mitgliedschaft auch von der Parteiführung stets abgelehnt. Unter Vranitzky – und dem Eindruck des Zusammenbruchs des Realsozialismus des Ostblocks – wurde die Partei schließlich auch umbenannt: von sozialistisch auf sozialdemokratisch.
Noch weiter ging dann Viktor Klima: Er beschritt in den Fußstapfen Tony Blairs und Gerhard Schröders den „Dritten Weg“, also eine Aussöhnung, ja Verbindung von Kapitalismus und Sozialdemokratie.
Von der Anmutung her schien die SPÖ unter Alfred Gusenbauer dann wieder linker zu werden. Der Eindruck täuschte allerdings: Gusenbauer redete einer „solidarischen Hochleistungsgesellschaft“ das Wort und verbannte nach dem Bawag-Skandal die roten Spitzengewerkschafter aus dem Parlament.
Und wo steht die SPÖ heute? Das ist nicht leicht zu beantworten, denn die Partei ist genauso indifferent und schwer zu fassen wie ihr derzeitiger Vorsitzender, Werner Faymann. Man könnte die SPÖ der Jetztzeit am ehesten so charakterisieren: Sie verbindet linke Rhetorik („Reichensteuer!“) mit pragmatischer Politik (keine Reichensteuer).
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2015)