Tim Burton: Großer Magier der Traumfabrik

Tim Burton
Tim BurtonSundholm, Magnus / Action Press / picturedesk
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In seinen Filmen huldigt er gern Außenseitergestalten. Nun hat Regisseur Tim Burton die unglaubliche, aber wahre Geschichte von Walter Keane verfilmt, dessen Bilder in Wahrheit von seiner Frau Margaret stammten.

Spätestens mit „Edward mit den Scherenhänden“ inklusive Johnny Depp als melancholischem Monster fand US-Regisseur Tim Burton zu seinem Stil. Jetzt führte der 57-Jährige Regie in dem Biopic „Big Eyes“ (Start: 23.4.), einer unfassbaren, aber wahren Geschichte: In den Sechzigerjahren wurde Walter Keane für seine Bilder von großäugigen Nachkriegskindern frenetisch gefeiert. Doch in Wahrheit stammte die Kunst von seiner Frau Margaret, die er mehr und mehr unterdrückte. Christoph Waltz und Amy Adams verkörpern bei Burton das seltsame Künstlerehepaar.

Tim, kannten Sie die großäugigen Kitsch-Kinderbilder von Keane vor Ihrem Film?

Tim Burton: Ja, ich bin mit den Keane-Bildern aufgewachsen, sie hingen in meiner Kindheit in allen Wohnzimmern und Büros. Selbst als kleiner Junge fand ich, dass sie etwas Verstörendes hatten. Aber die Geschichte dahinter habe ich erst viel später erfahren.

Keane hat seine Frau eingesperrt, damit sie wie am Fließband malt, während er das Leben genoss. Sie wollten „Big Eyes“ nur produzieren – bis Christoph Waltz Sie zur Regie überredet hat.

Genau, Christoph bewundere ich seit Langem, ich fand es toll, ihn endlich kennenzulernen. Was es mir in puncto Regie angetan hatte, war das Thema, was ein Kunstwerk ist und wer das bestimmt. Andy Warhol hat einmal gesagt: „So schlecht kann etwas nicht sein, wenn so viele es mögen.“ Da muss etwas dran sein: Selbst die Menschen, die die Bilder hassen, müssen zugeben, dass sie über irgendetwas verfügen, was ihnen so viel Aufmerksamkeit eingebracht hat.

Keane gilt als der Mann, der die Vermarktung von Kunst im großen Stil erfunden hat. Bei Ihnen hängen diese Bilder aber auch.

Ja, ich selbst habe Margaret Keane gebeten, ein Bild von meiner Familie, also Helena, mir und unseren Kindern Billy und Nell, zu malen.

Im Dezember gaben Sie die Trennung von Helena Bonham-Carter bekannt.

Vielleicht hat mich Margaret Keane auch deswegen in eine dunkle Wolke hineingemalt. Vielleicht hat sie in mir eine Art Walter gesehen (lacht). Ich glaube, ich konnte die Beziehung zwischen Walter und ihr gut nachempfinden, weil ich selbst meist dysfunktionale Beziehungen geführt habe.

Margaret Keane lebt heute auf Hawaii, ist 87 und malt noch immer Kinder mit großen Augen. Wie wirkte sie auf Sie?

Sie ist extrem schüchtern, still und zurückhaltend. Obwohl sie damals sehr naiv war, verfügt sie über eine innere Stärke und leisen Humor. „Ich bin die leiseste Feministin, die es je gab“, sagte sie einmal. Ihr ist bewusst, dass sie kein Opfer ist, sondern auch Komplizin. Als sie gegen Walter Keane klagte, tat sie das nicht aus Rachsucht, sondern um das Gewicht, das auf ihrer Seele lastete, loszuwerden.

Das MoMA in New York widmete Ihnen 2010 eine große Werkschau.

Sie wurde heftig kritisiert, ich musste mir anhören, dass sei keine Kunst, sondern erwecke den Eindruck, ich hätte meine Schränke entrümpelt. Gleichzeitig hatte sie den höchsten Besucheransturm seit der Picasso-Ausstellung! Den Vorwurf, dass meine Filme keine Kunst seien, höre ich, seit ich Filme mache. Die Resonanz auf die Ausstellung hat mich auf diesen Film vorbereitet – daher konnte ich mich so gut damit identifizieren. Viele meiner Filme polarisieren.

Sie haben Stammschauspieler wie Winona Ryder, Lisa Marie oder Helena Bonham-Carter.

Stimmt. Die meisten Menschen, mit denen ich gearbeitet habe, liebe ich einfach, wie Michael Keaton oder Johnny Depp. Johnny versucht sich immer noch, diesen Funken zu erhalten, den er schon am Anfang besaß. Jeder Künstler will es vermeiden, selbstgefällig zu werden und sich immer wieder neu auszuprobieren. Trotz seiner Verwandlung in einen Superstar hat er noch denselben Funken in sich wie als junger Schauspieler, der ums Überleben kämpft.

Oft haben Ihre Filme etwas Kindliches an sich. Müssen Sie den Peter Pan in sich am Leben erhalten, um Ihre Filme zu machen?

(Lacht) Ich trage ungern sein grünes Outfit samt Feder im Hut! Aber mir geht es darum, Dinge immer wieder aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen. Kinder haben diese Fähigkeit, alles zum ersten Mal zu sehen. Und erste Eindrücke sind meist emotional zutreffend. Später, als Erwachsener, mischt das Denken zu sehr mit, da verlierst du diese Fähigkeit.

Steckbrief

1958
wird Tim Burton in Kalifornien geboren.

1985
entsteht sein erster Film, „Pee-Wees irre Abenteuer“, davor arbeitete er bei Disney als Zeichner für Trickfilme.

1988
erlangt Burton große Bekanntheit dank „Beetlejuice“, es folgen erfolgreiche Regiearbeiten Burtons wie „Edward mit den Scherenhänden“, „Ed Wood“ oder
„Sweenie Todd“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2015)

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