22-Stunden-Sager: Häupls Entschuldigung

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LANDESPARTEITAG SP� WIEN ´F�R WIEN BRAUCHST A G´SP�R´: H�UPL(c) APA (GEORG HOCHMUTH)
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Michael Häupl relativierte beim SPÖ-Parteitag seine Aussage über Lehrer-Arbeitszeiten und gab das rote Wahlkampfmotto vor: Wien darf nicht Wiener Neustadt werden.

Die Worte kamen überraschend: „Liebe Lehrer, es ist nie die Absicht gewesen, respektlos über Lehrer zu reden. Es ist mir zu keinem Zeitpunkt in den Sinn gekommen, dass ich Menschen beleidige.“ Das erklärte Bürgermeister Michael Häupl am Samstag auf der Bühne während des Parteitags der Wiener SPÖ vor hunderten Delegierten. Und er fügte hinzu: „Es fühlen sich die Falschen betroffen. Ich habe nicht euch gemeint, sondern einige eurer Vertreter. Denn ich weiß um das Engagement der Lehrer. Ich komme aus einer Lehrerfamilie.“

Ursprünglich hatte Häupl erklärt, er werde sich nicht für seine Aussage zu den Lehrerarbeitszeiten („Wenn ich 22 Stunden in der Woche arbeite, bin ich Dienstagmittag fertig“) entschuldigen. Die Causa hatte allerdings österreichweit Wellen geschlagen und drohte, den Landesparteitag zu überschatten, bei dem sich Häupl der Wiederwahl als Wiener SPÖ-Chef stellen musste. Immerhin wurde der mächtige Wiener Bürgermeister nicht nur von anderen Landesorganisationen offen kritisiert, sondern von Parteikollegen erstmals öffentlich in Frage gestellt. „Wenn ich in der Wiener Partei wäre, würde ich mir überlegen, ob ich mit so einem Spitzenkandidaten in die Wahl gehe“, hatte der rote Gewerkschafter Peter Korecky gemeint. Und damit Streichungen von Häupl bei der Wahl am Samstag (dem letzten SPÖ-Landesparteitag vor der Wien-Wahl) angedeutet. Parallel dazu hatte der SPÖ-nahe Zentralverein der Wiener LehrerInnen angekündigt, erstmals in seiner hundertjährigen Geschichte am 1. Mai nicht mit der SPÖ zu marschieren.

Die Entschuldigung verfehlte nicht ihre Wirkung. Auf Häupls Worte folgte spontan großer Applaus, dazu gab es zahlreiche „Bravo“-Rufe aus den Reihen der Genossen. Martin Kirchmayer vom Zentralverein der Wiener Lehrer-Innen, der später an das Rednerpult in der Wiener Messe trat, dankte Häupl ausdrücklich „für diese Klarstellung“ und zeigte sich versöhnlich. Lehrervertreter betonten daraufhin, dass sie nun doch am 1. Mai mit der SPÖ marschieren und im Wahlkampf auch für die SPÖ laufen werden.

Mit seiner Entschuldigung begradigte Häupl im letzten Moment jedenfalls einen Konflikt, der den Parteitag zu überschatten drohte – er ersparte sich damit nicht nur Streichungen bei der Wahl zum Wiener SPÖ-Chef. Vielmehr wurde Häupl bei dem letzen SPÖ-Parteitag vor der Wahl mit 95,8 Prozent der Delegierten wiedergewählt. Das entspricht einem Plus von 3,1 Prozentpunkten gegenüber 2012. Damit geht der Wiener Bürgermeister gestärkt in den Wahlkampf. Ein äußerst mageres Ergebnis dagegen gab es für Vizebürgermeisterin Renate Brauner, die auf nur 80 Prozent kam. Schlimmer erwischte es Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely, die eine harte Linie gegenüber den Ärzten fährt: 20,5 Prozent der Delegierten verweigerten ihr die Zustimmung – sie erreichte nur 79,5 Prozent.


Einstimmung auf Wien-Wahl. Das Lehrer-Thema dominierte zwar die Gefühlslage vieler beim Landesparteitag, das offizielle Thema war allerdings ein völlig anderes. Nämlich die Positionierung der SPÖ für die Wien-Wahl am 11. Oktober.

Im Gegensatz zu vergangenen SPÖ-Wahlkämpfe wurde nicht der Zweikampf mit den Freiheitlichen ausgerufen – FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kam in Häupls Rede nur als Randnotiz vor. Vielmehr lautet die Parole, mit der die Delegierten im Wahlkampf zum Laufen gebracht werden sollen: Es geht um den Bürgermeister. „Wir brauchen am 11. Oktober ein Ergebnis, dass am 12. Oktober nicht gegen die Sozialdemokratie regiert werden kann“, mahnte Häupl.

Zuerst sei in „Neunkirchen als Experimentierstätte“ (2010, Anm.) der sozialdemokratische Bürgermeister trotz Stimmenmehrheit abgewählt worden. Auch Wiener Neustadt (die SPÖ hatte bis zur heurigen Gemeinderatswahl die absolute Mehrheit, nun regiert die ÖVP mit Unterstützung von FPÖ und Grünen) hätte gezeigt, dass es trotz roter Mehrheit auch Regierungen ohne die SPÖ geben könne: „Das alles vor dem Hintergrund, dass es offensichtlich keine Schamgrenzen mehr gibt“, polterte Häupl in Richtung der grünen Unterstützung für Schwarz-Blau. Und in der Obersteiermark ortet Häupl ähnliche Tendenzen – weshalb der Wiener Bürgermeister die Delegierten eindringlich mahnte: „Viele werden jetzt sagen: Wien ist etwas ganz anderes. Aber die Notariatsakt-Koalition von Wien ist nicht weit weg von dem, was man in Wiener Neustadt gemacht hat.“ Womit Häupl auf die schwarz-blau-grüne Vereinbarung vor der Wien-Wahl 2010 anspielte, mit der sich FPÖ, ÖVP und Grüne verpflichtet hatten, im Falle einer Koalition mit der SPÖ ein neues Wiener Wahlrecht durchzusetzen – was die Grünen vor Kurzem, gemeinsam mit Schwarz-Blau im Landtag gegen die SPÖ auch durchsetzen wollten. Dass Rot-Grün sich auf hier auf einen koalitionsfreien Raum geeinigt hatte, erwähnte Häupl nicht. Vielmehr wiederholte der SPÖ-Chef immer und immer wieder die Mahnung: „Wir brauchen am 11. Oktober ein Ergebnis, dass man nicht gegen die Sozialdemokratie regieren kann.“

Vor Häupl hatte Bundeskanzler Werner Faymann die Wiener Genossen mit klassischer roten Themen bedient: „Wir werden eine Null-Lohnrunde bei den Beamten nicht zulassen. Das Frauenpensionsalter wird auch nicht vorzeitig erhöht.“

Ansonsten verlief der Landesparteitag konfliktfrei. Wobei es grundsätzlich keine Anträge gab, die großes Konfliktpotenzial bargen wie 2011, als die kritische Sektion 8 einen Antrag zum Verbot des kleinen Glücksspiels eingebracht hatte – der gegen den Widerstand der Parteispitze angenommen und umgesetzt wurde.

SPÖ-Wahl

Michael Häupl wurde mit 95,8 Prozent zum Wiener SPÖ-Chef wiedergewählt. Das sind 3,1 Prozentpunkte mehr als 2012. Am Samstag wurden auch Häupls Stellvertreter gewählt.

Renate Brauner (Vizebürgermeisterin), 80 Prozent.

Michael Ludwig (Stadtrat), 89,6 Prozent.

Sonja Wehsely
(Stadträtin), 79,5 Prozent.

Ruth Becher (Nationalrätin), 90,5 Prozent.

Katrin Gaal(Gemeinderätin), 87,7 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2015)

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