Heinz-Christian Strache: Die Emanzipation der "Haider-Kopie"

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FPOE-BUNDESPARTEITAG / STRACHEAPA-FOTO: HANS KLAUS TECHT
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Kein österreichischer Parteichef ist länger im Amt als er: Vor zehn Jahren wurde Heinz-Christian Strache zum FPÖ-Obmann gewählt. Um Stimmen zu gewinnen, muss er vor allem eines tun – abwarten.

„I need a hero“ tönt es durch die Salzburg-Arena, als sie ihn auf den Schultern zur Bühne tragen. Jubel, Standing Ovations, ein paar Tränen inklusive. Das Lied von Bonnie Tyler passt perfekt zur Szene: Die Freiheitlichen brauchen tatsächlich wieder jemanden, den sie als Helden feiern können. Nachdem Jörg Haider die FPÖ verlassen und das BZÖ gegründet hat, stehen die Funktionäre ratlos da. Ohne Idol – und fast ohne Überlebenschance.

Ab diesem Zeitpunkt haben sie aber wieder jemanden, den sie bejubeln können: Am 23. April 2005 wird Heinz-Christian Strache in Salzburg zum Parteichef gewählt. 90,1 Prozent der Delegierten stimmen für den damals 35-jährigen Wiener. Er ist der zehnte blaue Parteichef. Und gleichzeitig der jüngste der Geschichte.

Heute, fast auf den Tag genau zehn Jahre später, ist er immer noch da. Auch wenn das nicht jeder erwartet hätte: Anfangs als billige Haider-Kopie verhöhnt, ist Strache in seiner Partei die unangefochtene Nummer eins. Mit ihm schafften es die Blauen im vergangenen Jahrzehnt raus aus dem politischen Koma: Bei der Nationalratswahl 2013 erreichten sie knapp 20 Prozent. Sein bestes Ergebnis fuhr Strache 2010 in Wien mit 27 Prozent ein. 0,9 Prozentpunkte trennen ihn damit vom besten Haider-Ergebnis in der Hauptstadt.

Realpolitisch ist Straches Erfolgsbilanz allerdings bescheiden. Anzahl der Regierungsbeteiligungen im Bund: null. Auf Landesebene: derzeit ebenfalls null. Die Grünen scheinen der beliebtere Partner zu sein.


Opferrolle. Allgemein ist der Umgang mit „HC“, wie er sich selbst nennt, abseits der FPÖ ambivalent. Die einen nehmen ihn noch immer nicht ganz ernst, stempeln ihn als ungebildeten Zahntechniker ab. Die anderen dämonisieren ihn zu einer der größten Gefahren, die auf Regierungsebene blühen können. Strache nutzt beides, um sich selbst als Opfer zu inszenieren.

Nach einem Jahrzehnt in der Opposition bleibt die Frage: Wie wahrscheinlich ist es, dass Strache es in die Regierung schafft? Was muss er tun, damit es eine Koalition mit ihm gibt?

„Die Frage ist eher: Was muss er nicht tun?“, antwortet darauf ein FPÖ-Grande. Wichtiger sei vielmehr, was die anderen tun würden. Sprich: ob die Schwäche der rot-schwarzen Regierung die Wähler in Richtung Freiheitliche treibt. „Im Gegensatz zu Haider bringt Strache wenig neue Vorschläge, er agiert statisch.“ Nachsatz: „Aber er reüssiert damit.“ Unter ihm betreibe die FPÖ eine konsequente Themenpflege. Strache konzentriere sich auf Asyl- und Ausländerthemen, gepaart mit einer großzügigen Portion EU-Skepsis.


Die Liebe. In jüngster Zeit tritt der FPÖ-Chef auch staatsmännischer auf. Bei Fernsehinterviews gibt er sich ruhig und unaufgeregt. Zumindest im Vergleich zu früher. Auf Wahlplakaten bei der Nationalratswahl 2013 fand man weniger derbe Reime als vielmehr einen Aufruf zur Nächstenliebe. Natürlich vorzugsweise gegenüber Bürgern mit österreichischem Pass. Bei blauen Veranstaltungen ließ er sich dann aber doch hinreißen, Sprüche wie „Willst du eine Wohnung haben, musst du nur ein Kopftuch tragen“ zum Besten zu geben. Die Basis muss schließlich auch zufriedengestellt werden.

Das ruhigere Auftreten sei aber nicht nur Show. „Das ist auch ein Reifeprozess, die Disco-Jahre gehen langsam vorbei“, erklärt ein Freiheitlicher. Werbetechnisch würde das aber natürlich auch genutzt werden.

Auch Lothar Höbelt, außerordentlicher Professor an der Uni Wien und Berater der FPÖ in den 1990er-Jahren, meint, dass Strache nicht viel für seinen Erfolg tun müsse. Lediglich Streitereien innerhalb der Partei müssten vermieden werden. „Strache hat aber seine Lehren aus der Vergangenheit gezogen“, sagt Höbelt. Anders als Haider würde er keine Besitzstände und Befindlichkeiten angreifen. „Man könnte es als vorsichtig beschreiben. Wenn man boshaft ist, auch als feige.“

Für Strache sei (im Gegensatz zu Haider) die interne Stimmung wichtiger als die Außenwirkung. „Auf Landesebene hat er sehr lange sehr viel toleriert“ – etwa Karl Schnell. Der langjährige Salzburger Funktionär sorgte nicht nur mit seinem „Umvolkung“-Sager für Aufruhr. Zumindest als Landesparteichef ist er zurückgetreten.

Sollte Strache also keine groben Fehler machen, sei es durchaus möglich, dass die FPÖ zur zweitstärksten Kraft im Land wird. Das hört man auch aus den gegnerischen Parteien.

Ob das aber zu einer Regierungsbeteiligung führt – da scheiden sich wiederum die Geister. „Die Chancen sind gleich null“, sagt ein langjähriger politischer Mitbewerber. Mit der ÖVP sei eine Koalition nicht möglich, da sich die Parteien bei Fremden- und Asylpolitik nicht einig würden. Und die SPÖ hat mittels Parteitagsbeschluss entschieden, keine Koalition mit der FPÖ einzugehen. Wie schnell sich die Stimmung ändern kann, zeigt allerdings das Burgenland: Hier hat eine Abstimmung ergeben, dass man mit allen Parteien Koalitionsgespräche führen soll – also auch mit der FPÖ.

Eine Koalition im Bund sei noch in weiter Ferne, da konzentriere sich Strache lieber auf Wien, heißt es weiter. „Wer Geert Wilders (niederländischer Rechtspopulist, Anm.) einlädt, will nicht in die Regierung“, meint auch Josef Cap, der für SPÖ-Verhältnisse recht gut mit den Freiheitlichen kann.


An Rolle gewöhnt. Ex-Berater Höbelt schätzt die Lage etwas anders ein: Schwarz-Blau sei durchaus möglich, wenn auch vielleicht nicht in unmittelbarer Zukunft. „Das hängt von den Befindlichkeiten der Volkspartei ab.“ Was Strache jedenfalls brauche, seien Personen, die ministrabel sind – „vor allem einen Juristen als Innenminister, der mit allen Wassern gewaschen ist“. Dafür müsste man Leute bereitstellen, die sich auch profilieren dürfen.

Genau in diesem Punkt gebe es „gewisse Defizite“, meint ein Blauer. Experten gebe es zwar – aber keine öffentlichkeitswirksamen. „Man hat sich an die Opposition gewöhnt. Die FPÖ fühlt sich wohl in dieser Rolle und ist dort auch am besten.“ In der Regierung sei man schließlich zwei Mal „fulminant gescheitert“.

In der Opposition zu sitzen und zu kritisieren ist schließlich auch einfacher. Doch wie lange geht das noch gut? „So lange, bis die Partei bei Wahlen Erfolge feiern kann“, heißt es. Danach müsse es entweder eine Koalition oder einen neuen Chef geben. Ewig kaufe man Strache den Protestpolitiker nicht ab. Bis dahin bleibe aber noch Zeit. Sollte es tatsächlich ernst werden, wird laut Höbelt „sicher genug potenzielles Personal für einen Nachfolger da sein“. Der dann wieder auf den Schultern zur Bühne getragen werden kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2015)

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