Parteiprogramm: ÖVP setzt auf Reißverschlussprinzip

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Auf ihre Kandidatenlisten möchte die ÖVP künftig abwechselnd Männer und Frauen setzen. Die Mandate sollen aber dann an jene gehen, die die meisten Vorzugsstimmen erhalten.

Wien. „Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.“ ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner nahm am Montag Anleihe bei Albert Einstein, um für die Reform des Parteiprogramms zu werben. Der Parteivorstand stellte bei einer Sitzung in der Wiener ÖVP-Akademie nahe Schönbrunn die Weichen für die Reform. Vorangegangen war eine Mitgliederbefragung.

Bei dieser hatten 56,5 Prozent dafür votiert, dass Frauen durch konkrete Regelungen bei der Listenerstellung besser eingebunden werden. Die ÖVP plant daher ein Reißverschlusssystem für bundesweite Wahlen: Auf einen Mann soll also in der Kandidatenliste eine Frau folgen, oder umgekehrt. Diese Regelung will die Partei auf der Bundesliste und auf den Landeslisten anwenden. Auf der Regionalwahlliste möchte man keine Vorgaben machen.

Zwei Ziele, ein Widerspruch?

Gleichzeitig will die Partei ein „verpflichtendes internes Vorzugsstimmensystem“ einführen. Der Kandidat, der die meisten Vorzugsstimmen erhält, bekommt das Mandat. Dass diese Regel dem Ziel der Frauenförderung durch den Reißverschluss zuwiderlaufen könnte, glaubt man in der ÖVP nicht.

So hatte Generalsekretär Gernot Blümel stets auf Niederösterreich verwiesen, wo der interne Wettstreit schon angewandt wird. Dort hatte sich bei der Nationalratswahl die junge Frau Eva Himmelbauer gegen ältere Männer durchgesetzt. Andererseits sind in Niederösterreichs Landtag nur drei der 30 ÖVP-Mandatare weiblich.

Auch ein Mehrheitswahlrecht will die ÖVP forcieren. „Neben einer verstärkten Personalisierung des Wahlrechts spricht sich die ÖVP für ein Wahlrecht aus, das klare Regierungsverhältnisse unterstützt und die demokratischen Rechte der Opposition sichert“, heißt es im Leitantrag. Das Mehrheitswahlrecht ist in der ÖVP nicht unumstritten. Zwar stimmten bei der Umfrage mehr als 60 Prozent dafür, die Euphorie in der Basis soll aber größer sein als in Abgeordnetenkreisen.

Für Diskussionen auf dem Parteitag, der am 12. und 13. Mai in der Wiener Hofburg stattfindet, ist also gesorgt. Deswegen ist es auch noch nicht sicher, ob der am Montag beschlossene Leitantrag des Parteivorstands auch so ins Parteiprogramm einfließt. Am 12. Mai wird abgestimmt, am Tag darauf steht eine Grundsatzrede von Parteichef Mitterlehner auf dem Programm.

Beschlossen werden soll auch mehr Eigenverantwortung der Bürger im Gesundheitssystem. Heißt im Klartext: Geringere Sozialversicherungsbeiträge, aber dafür Selbstbehalte bei Arztbesuchen. „Wer sich für die eigene Gesundheit aktiv engagiert, soll belohnt werden“, heißt es im Entwurf für das neue ÖVP-Grundsatzprogramm. Das könnte bedeuten, dass etwa Raucher oder andere Personen, die bewusst ihre Gesundheit schädigen, mehr zahlen sollen. „Wer gesund lebt, spart der Gemeinschaft mehrere 10.000 Euro. Dann halte ich es umgekehrt für gerecht, dass jemand, der ungesund lebt, über die Jahre auch einige hundert Euro mehr zum Gesundheitssystem beiträgt“, hatte etwa kürzlich ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka im „Presse“-Interview erklärt.

Als „langfristiges Ziel“ setzt sich die ÖVP eine „gemeinsame europäische Armee“, wie es im Leitantrag heißt. Hierin ortet die Volkspartei keinen Widerspruch zur Neutralität. Sie argumentiert damit, dass Österreich innerhalb der EU de facto nicht mehr neutral, sondern solidarisch sei.

Im Bildungsbereich bekennt sich die Volkspartei „zu einer differenzierten Schule“ und „zum Leistungsprinzip im Unterricht“. Das ist ein Ja zum Gymnasium und eine Absage an die Gesamtschule, die auch in der Mitgliederbefragung deutlich durchfiel. Mehr als 84 Prozent sprachen sich dort für ein differenziertes Schulsystem aus.

ÖVP-Quote: 40 Prozent Frauen

Die ÖVP solle „jünger, weiblicher und moderner“ werden, sagt Blümel. Daher soll sich auch intern einiges ändern: Eine 40-Prozent-Frauenquote in allen gewählten ÖVP-Gremien ist geplant. Zudem will die Partei das E-Voting stärken und elektronische Abstimmungen an Parteitagen forcieren. (aich)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2015)

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