Nicht die Einsparungen von 1,1 Milliarden Euro auf Bundes- und Landesebene, sondern der Konflikt zwischen VP-Finanzminister Schelling und Grün-Mandatar Rossmann verlieh der Nationalratsdebatte Würze.
Wien. Es kommt nicht jeden Tag im Parlament vor, dass sich ein Regierungsmitglied ausdrücklich bei allen Vorrednern für ihre Vorschläge zur Finanzpolitik bedankt. Hans Jörg Schelling, von der ÖVP gestellter Finanzminister dieser Republik, tat dies am Mittwoch gleich zu Beginn seiner Wortmeldung im Rahmen der sogenannten Ersten Lesung des bis 2019 verlängerten Bundesfinanzrahmens. Mit Schellings Dank wurde sogar namentlich auch der grüne Finanzsprecher Bruno Rossmann bedacht, der zuvor am Rednerpult Offensivmaßnahmen vermisst hatte. Wenngleich der Hohn des Finanzministers unmittelbar folgte: "Sie sind offensichtlich der Einzige, der bereit ist, in eine Retro-Politik einzusteigen."
Die Grundlage für die Finanzdebatte ist seit Dienstag bekannt: Um 700 Millionen Euro möchte der Bund die Kosten einschränken, weitere 400 Millionen Euro müssen die Länder aufbringen, um bis 2019 gesamtstaatlich ein strukturelles Nulldefizit, bei dem Einmaleffekte unberücksichtigt bleiben, zu erreichen.
Zwischen "Hätten'S" und "Retro"
Mit den nüchternen Budgetdaten allein lockt kein Regierungspolitiker Vertreter der Opposition aus der Reserve. Mit Vorwürfen einer Retro-Politik schon. "Hätten'S eine Erbschaftssteuer g'macht, dann hätten'S a Geld für die Zukunft", donnert Rossmann in einem Zwischenruf von seinem Sitzplatz aus dem Finanzminister auf der Regierungsbank entgegen. "Retro", schallt es als Antwort im Chor der Abgeordneten aus den ÖVP-Reihen. Jetzt hält es so manchen SPÖ-Abgeordneten bei aller Koalitionsräson auch nicht mehr. "Wo er Recht hat, hat er Recht", stichelt SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer für alle im Plenum hörbar von seinem Sessel aus und lobt damit den Kollegen der Grün-Fraktion. Der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf (ÖVP) schaltet sich nun jovial ein: Jeder, der einen Beitrag habe, solle sich auf die Rednerliste setzen lassen.
Vorerst redet aber weiter der Finanzminister. Schelling stimmt die Parlamentarier und die Österreicher darauf ein, dass es "unpopuläre Wahrheiten" gebe, weil bei Pensionen, Förderungen, Verwaltung und Arbeitsmarkt Eingriffe notwendig seien. Das bis Oktober dieses Jahres fällige Budget 2016 werde "kein Wohlfühlbudget". Dabei betont Schelling selbst ausdrücklich, dass es sich jetzt lediglich um ein Dämpfen der Kosten bis 2019 handle: "Es geht im Moment gar nicht darum, dass wirklich gespart wird."
Der Finanzminister, unmittelbar danach von Kanzleramtsstaatssekretärin Sonja Steßl (SPÖ) beim Kurs zur Einhaltung des strukturellen Nulldefizits bis 2019 unterstützt, verwahrt sich am Ende noch gegen Kritiken am Budgetpfad: "Rasenmäher und Gießkanne - ich darf sagen, diese Begriffe gehören ins Museum der Budgetplanung." Schließlich würden die Ausgaben für Forschung, Wissenschaft, Kultur und Arbeitsmarkt erhöht.
Streitpunkt: Pensionen
Zuvor hatte zu Beginn schon SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder diese Akzentsetzung bei den Offensiven im Budget trotz des Sparkurses hervorgestrichen. ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka verlegte sich vor allem auf das Werben um weitere Reformen bei den Pensionen. Nämlich bei einem seiner Lieblingsthemen, bei den Sonderregelungen für Wiener Beamte und bei den Eisenbahnern der ÖBB. Der Zuwachs bei den Kosten für ÖBB-Pensionen von 1,7 Milliarden im Jahr 2005 auf zuletzt 2,1 Milliarden Euro sei größer als das Gesamtbudget des Außenministeriums.
Die Freiheitlichen bekräftigen ihre grundsätzlichen Vorbehalte zu Steuerreform und Budgetpfad bis 2019. "Die Gegenfinanzierung ist noch auf Sand gebaut", beklagte FPÖ-Redner Elmar Podgorschek. Neos-Chef Matthias Strolz bescheinigte Schellilng immerhin, dieser sei ambitionierter als seine Vorgänger. Nachsatz: Aber "nicht ambitioniert genug".