ÖVP: „Ländlicher Raum männerdominiert“

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�VP BUNDESPARTEIVORSTAND: MITTERLEHNER(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Die Volkspartei will weiblicher werden – setzt aber auch auf ein Vorzugsstimmensystem. Das benachteilige Frauen nicht, meint die Parteizentrale. Das schwarze Demokratie-Institut widerspricht.

Wien. Das Ende der „Evolution“ ist schon datiert: Am 12. und 13.Mai treffen sich Delegierte der ÖVP in der Hofburg, um ihr neues Parteiprogramm zu beschließen. Am Ende des Tages soll nicht ein neues Grundsatzpapier stehen. Sondern laut Obmann Reinhold Mitterlehner auch eine „jüngere, modernere und weiblichere“ Partei.

Vor allem für letzteren Punkt hat die Partei schon eine Lösung gefunden: Bei bundesweiten Wahlen (Nationalrat und EU) soll es ein Reißverschlusssystem geben. Auf einen Mann folgt also eine Frau (oder umgekehrt). Das soll für Bundes- und Landeslisten gelten – für Regionalwahllisten nicht.

Realpolitisch ist diese Änderung beschlossene Sache: Anfang der Woche segnete der ÖVP-Vorstand den Programmvorschlag von Gernot Blümel ab. Der Generalsekretär ist Hauptinitiator des „Evolutionsprozesses“ und hörte sich im Vorfeld analog und digital unter Sympathisanten um. Parteimitglieder konnten über die Hauptpunkte abstimmen.

Dadurch destillierten sich zwei demokratiepolitische Anliegen heraus: 56,6Prozent der Befragten wünschten sich eben „konkrete Regelungen für die Einbindung von Frauen bei der Listenerstellung“. 87Prozent der Befragten plädierten auch für ein Vorzugsstimmenprinzip.

Daher soll es künftig bei jeder Wahl ein internes Vorzugsstimmensystem geben. In den Ländern werden die Details (Bonussystem, kleine Hürden etc.) die Organisationen selbst bestimmen. In der Regel gilt aber: Wer die meisten Vorzugsstimmen hat, gewinnt.

Aber: Ist das kein Widerspruch? Kommen so nicht weniger Frauen in den Landtag oder ins Parlament?

Nein, befindet die ÖVP-Zentrale. Laut Blümel benachteiligt diese personalisierte Wahl Frauen nicht. Als Beispiel nennt er Niederösterreich: Dort gilt bereits eine ähnliche Regelung – die Nationalratsabgeordnete Eva-Maria Himmelbauer konnte durch Vorzugsstimmen ihren Listenplatz verbessern.

Das ist richtig – und auch Abgeordnete Martina Diesner-Wais hatte einen ähnlichen Erfolg. Gleichzeitig sitzen im Landtag allerdings nur elf Frauen, (drei davon von der ÖVP), aber 45 Männer.

„Wirtshauspolitik“

Grundsätzlich würde ein Vorzugsstimmensystem Frauen sehr wohl benachteiligen, meint Werner Zögernitz, Präsident des Institut für Parlamentarismus und Demokratiefragen des ÖVP-Klubs. Für die schlechtere Ausgangslage von weiblichen Kandidaten gebe es mehrere Gründe: „In den meisten Fällen sitzt schon ein Mann an der Macht. Und den wählt man im Regelfall nicht ab“, meint Zögernitz. „Außerdem ist der ländliche Raum männerdominiert. Sie treffen sich im Wirtshaus, machen dort Politik. Sie haben dadurch ein größeres Netzwerk.“ Frauen würden hingegen eher ein traditionelles Rollenbild einnehmen, zu Hause bei den Kindern bleiben.

Hier gebe es für die ÖVP sehr wohl ein Spannungsfeld. Vor allem, weil die Volkspartei bei Nationalratswahlen die Mehrheit ihrer Sitze über Bezirksmandate vergibt – nur die Minderheit kommt von Bundes- und Landeslisten, wo in Zukunft das Reißverschlussprinzip gelten würde.

Was also tun? Zögernitz hat einen eigenen Vorschlag: „Ich gehe auf Bundesebene so weit, dass ich für eine gesetzlich verankerte Frauenquote plädiere.“ Bei Landeswahl-Listen könnten sich die Parteien selbst auf ein System einigen.

In Regionalwahlkreisen würde Zögernitz beim personalisierten Wahlrecht bleiben. Frauen müssten verstärkt als Listenerste kandidieren – und wenn eine Person auf mehreren Listen kandidiere, könne der Betroffene jenes Mandat annehmen, „wo er keine Frau verhindert“. Nachsatz: „Das wäre ein praktischer Ansatz.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2015)

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