StGB: Anwälte befürchten "Ausufern der Strafbarkeit"

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Die Reform des Strafgesetzbuchs könnte zu Beweisproblemen führen, warnen Strafrechtler. Frauenorganisationen begrüßen die Änderungen.

Am heutigen Freitag endet die Begutachtungsfrist der geplanten Reform des Strafgesetzbuchs (StGB). Eingelangt sind bisher 100 Stellungnahmen. Während Frauenministerium und Frauenorganisationen die Änderungen positiv bewerten, üben Juristen scharfe Kritik.

Im Frauenministerium wertet man es als positiv, dass nun unerwünschter Geschlechtsverkehr strafbar wird, wenn die Frau etwa durch Weinen und Nein-Sagen zeigt, dass sie nicht will. Beim "Pograpschen" verweist man darauf, dass derzeit nur die Berührung der zur "unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige Körperpartien des Opfers" als Belästigung anzusehen ist. Die nunmehrige Ausweitung wird begrüßt.

Nicht erfreut ist hingegen die Juristenseite. So sieht die Rechtsanwaltskammer bei der "Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung" unüberwindbare Anwendungshindernisse. Für den Sexualpartner werde kaum ersichtlich sein, "dass eine sexuelle Handlung, die ohne jedes äußere Zeichen von Widerspruch oder Widerstand stattfindet, nicht einvernehmlich vorgenommen wird".

Strafrechtler befürchten Beweisprobleme

Der Innsbrucker Strafrechtler Andreas Venier verweist auf den "Ultima-Ratio-Gedanken" des Strafrechts, der Entwurf kenne aber keine Zurückhaltung. "Lediglich der Umstand, dass ein Partner zum Geschlechtsverkehr überredet, verführt, gedrängt oder durch Versprechen verleitet wurde, rechtfertigt keine Kriminalstrafe." Die Wiener Strafrechtsprofessorin Susanne Reindl-Krauskopf sieht bereits alle Fälle von Gewaltanwendung, um eine Person zum Beischlaf zu zwingen, vom Strafrecht erfasst, und Margarethe Flora (ebenfalls aus Innsbruck) befürchtet Beweisprobleme. Die Unbestimmtheit in der Definition der Tathandlung kritisieren mehrere Gerichte, etwa das OLG Graz und das LG Klagenfurt.

Beim Pograpschen warnen die Rechtsanwälte vor einer "völligen Ausuferung der Strafbarkeit". Der Strafrechtler Alexander Tipold plädiert für eine Herausnahme aus dem Sexualstrafrechtskontext, Reindl-Krauskopf für eine gänzlichen Verzicht auf die Regelung. "Einen achtsamen Umgang der Geschlechter wird man mittels Strafrecht nicht erreichen können," kritisiert Strafrechtsprofessorin Flora, und ihr Kollege Klaus Schweighofer meint: "Flirt und Übergriff lassen sich nicht vernünftig auseinanderhalten."

Strafrechtsreform

Der neue Paragraf 205a StGB zielt auf nichtkonsensualen Beischlaf (bzw. beischlafsähnliche Handlungen) ab, die Strafandrohung beträgt bis zu zwei Jahre Haft.

Bei der sexuellen Belästigung (§218) wird mit bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe sanktioniert, wer eine Person "durch eine geschlechtliche oder eine nach Art und Intensität einer solchen vergleichbare, der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zugehörige körperliche Handlung an ihr" belästigt, oder auch "durch eine geschlechtliche Handlung vor ihr unter Umständen, unter denen dies geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen".

(APA)

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