Vermögenssteuer: „Das hängt mit Neid zusammen“

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Proell(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Finanzminister Josef Pröll kommen zu viele Steuerzahler abhanden. Er ärgert sich über Diskussionen zur "Reichensteuer", will an Transaktionen aber durchaus verdienen. Ein Gespräch mit der "Presse".


Wir stehen in der Wiener Innenstadt, in einem der prunkvollsten, üppig goldverzierten Barockpalais. Was bedeutet Luxus für Sie?

Josef Pröll: Ja, ursprünglich das Palais des Prinzen Eugen. Seit 1848 Sitz der Finanzminister und aktuell einer Generalüberholung unterzogen. Luxus? Das ist für mich Zeit mit der Familie und immer häufiger der Wunsch, abseits des rastlosen politischen Getriebes zu sich selbst zu finden.

Materielle Wünsche sind Ihnen gänzlich fremd?

Wünsche nach üppigem Luxus haben mich in meinem Leben noch nie begleitet.

Einem Finanzminister muss man Gedanken an Geld ja nicht unbedingt übel nehmen?

Gerade ein Finanzminister muss darauf schauen, dass alles zusammengehalten wird, man nicht prasst und sich dem Luxus hingibt, als gäbe es kein Morgen.

Das mag ja löblich sein, aber hüllen sich Politiker nicht allzu sehr in Sack und Asche?

Das tue ich nicht. Ich habe aus dem Landwirtschaftsressort durchaus die Genusskomponente ins Finanzministerium mitgenommen. Ich gehe gern gut essen und leiste mir auch hie und da etwas. Trotzdem bin ich keiner, für den Geld alles ist.

In einem dieser üppig dekorierten Säle wurden jahrelang die Budgets verhandelt. Jetzt wird er umgebaut. Ist diese zwangsweise Abwendung gar ein Symbol für Ihr Budget? Wer muss sich denn noch fürchten – außer den Lehrern?

Die Lehrer müssen sich nicht fürchten. Aber es haben alle Minister nach der Budgetpräsentation Handlungsbedarf in ihren Ressorts. Wie notwendig das ist, zeigt sich an der Schuldenentwicklung – trotz dieses restriktiven Budgets. Das wird manchen die Augen öffnen. Dann werden viele verstehen, dass wir enormen Handlungsbedarf in den Strukturen haben.

Viele kritisieren Sie trotzdem, weil Sie gerade in Krisenzeiten zu knausrig wären.

Ich bin alles andere als knausrig. Aber: Mir geht es darum, in der Verwaltung zu sparen, schlicht und einfach, um die Krise bewältigen zu können. Wenn wir da nicht entsprechend Maß anlegen, fehlt uns der Spielraum. Ich spare nicht bei den Menschen und nicht bei der Wirtschaft, sondern dort, wo die Strukturen etwas hergeben.

Und wo geben die Strukturen Ihrer Ansicht nach etwas her?

Das betrifft alle Ministerien und auch die Länder und Gemeinden. Wir haben die Verwaltungsreform jetzt Punkt für Punkt abzuarbeiten. Das ist notwendiger denn je.

Die Lehrer sind also nicht die einzigen Beamten, auf die Einsparungen zukommen.

Diskussionen sind in mehreren Gesellschaftsbereichen notwendig. Aber das haben die jeweiligen Minister zu diskutieren, dafür sind sie politisch verantwortlich.

Alleingänge schätzen Sie aber auch nicht, siehe Unterrichtsministerin Claudia Schmied. Außerdem müssen zu einem Ministerratsbeschluss letztlich alle Regierungsmitglieder stehen.

So ist es. In Krisenzeiten kann man kein Budget auf die lange Bank schieben. Wir werden also alle gemeinsam die Verantwortung tragen. Nur eines ist klar: Um Verhandlungen und Schwerpunktsetzungen kommt keiner und keine herum.

Am Ende siegt also die Solidarität unter den Ministern?

Das ist keine Frage. Sonst würde die Regierung nicht funktionieren.

Und wenn es zu massiven Streiks im öffentlichen Dienst kommt?

Ich gehe nicht davon aus, dass es sie geben wird. Ich bin aber nicht konfliktscheu, im Gegenteil, und für jede Auseinandersetzung zu haben.

Ministerin Schmied unterstellt Ihnen aber, dass Sie eigentlich aufseiten der Lehrer stünden.

Ich stehe für einen vernünftigen Umgang miteinander und halte nichts von Polarisierung und Freund-Feind-Denken. Die Ministerin hat sich auf die Lehrer zubewegt. Die Lehrervertreter haben Angebote formuliert. Am Montag gibt es noch eine Verhandlungsrunde. Diese Chance soll genutzt werden.

Und wenn der Druck auf höhere Ausgaben steigt, werden Sie dann schwach?

Wir geben bereits sehr viel aus. Bildung, Forschung und Entwicklung sind gut dotiert.

Man hat den Eindruck, Sie müssen Ihr Budgetdefizit wöchentlich korrigieren. Wird die Lage tatsächlich immer schlimmer?

Unsere Zahlen sind zwar im europäischen Vergleich noch einigermaßen gut, liegen aber deutlich über unseren ursprünglichen Erwartungen. Seit Dezember ist klar, dass wir unsere ursprünglichen Pläne nicht einhalten können. Deshalb ist es notwendig, massiv den Deckel am Budget draufzuhalten.

Haben Sie die Krise unterschätzt?

Nein. Aber die Wirtschaftsforscher korrigieren sich andauernd selbst. Vor einem Jahr hat noch keiner die Krise in dieser Deutlichkeit vorhergesehen. Und jetzt wissen die Ersten schon wieder, wie man daraus herauskommt. Da bin ich vorsichtig, aber optimistisch, dass wir Ende 2009, Anfang 2010 wieder Licht am Ende des Tunnels sehen.

Sie sind kein Freund der Wirtschaftsforscher? Ich weiß schon, kein Minister macht sein eigenes Land freiwillig schlecht, aber hat Paul Krugman mit seinen Pleiteängsten im Kern ein bisserl recht?

Abgesehen davon, dass Krugmann genug Anlass hat, sich um das Finanzsystem seines eigenen Landes Sorgen zu machen: Sein Vorurteil könnte nicht oberflächlicher sein. Man fragt sich nach dem Motiv.

Legen Sie für die österreichischen Banken wirklich die Hand ins Feuer?

Ich möchte Ihnen eines sagen: Das Engagement unserer Banken in Osteuropa war strategisch klug, richtig und weitblickend: Osteuropa hat enormes Wachstumspotenzial. Andere haben das verschlafen und versuchen jetzt den Fuß in die Tür zu bekommen. Ich stehe zum Osteuropa-Engagement Österreichs.

Mit der vorgezogenen Steuerreform ist Ihnen auch kein großer Wurf geglückt. Der viel zitierte Mittelstand freut sich nur mäßig.

Wie kommen Sie dazu, das zu behaupten? Wir haben den Mittelstand mit 2,5 Milliarden Euro entlastet und zusätzlich ein Familienpaket auf den Weg gebracht. Das gibt auch Impulse für den Konsum. Da bin ich mir sicher.

Immer mehr zahlen aber gar keine Steuern. Das heißt, dass die Systemerhalter immer weniger werden.

Wenn über Gerechtigkeit gesprochen wird, ist Leistungsgerechtigkeit ein wichtiger Ansatz. Wir sind sicher an einem Punkt angelangt, an dem man die Strukturen grundsätzlich überdenken muss. Wenn auf einen Steuerzahler nur noch einer kommt, der keine Steuern zahlt, kann das der Mittelstand bald nicht mehr tragen.

Aber gerade die von Ihnen mitbeschlossene Steuerreform 2009 verstärkt diesen Effekt noch weiter.

Diese Steuersenkung musste kommen, um die Wirkung in der Krise rasch entfalten zu können. Beim nächsten Mal müssen wir aber auch an den Strukturen des Steuersystems drehen.

Sie würden dann also den Anteil der Steuerbefreiten reduzieren?

Da muss man mehrere Dinge beachten. Zum Beispiel die Sozialversicherungsabgaben in Relation zur Steuerbelastung. Da sind viele Fragen auszuloten, die sich einmal eine Reihe von Experten anschauen sollen.

Aber woran denken Sie?

Auf keinen Fall Richtung Eigentumsbesteuerung. Jedes Signal in diese Richtung ist fatal und falsch in Zeiten einer Krise. Ich habe nicht vor, neue Steuern einzuführen oder Steuern zu erhöhen.

Die von der SPÖ angeheizte Diskussion ärgert Sie ziemlich.

Es überrascht mich nicht, dass am linken Rand von der Reverstaatlichung bis zur Vermögensbesteuerung alles diskutiert wird. Und das noch dazu völlig undifferenziert. Die Vermögenssteuer, die jetzt manche in der SPÖ diskutieren, ist ja gar keine „Reichensteuer“. Auch wenn man sie unter diesem Mäntelchen verkaufen will. Das ist eine glatte Eigentumssteuer für den Mittelstand, die auch den hart verdienten Schrebergarten betreffen wird. Das wird es mit uns nicht spielen.

Da gibt's plötzlich zu viele Reiche?

Offensichtlich soll jeder, der sich Eigentum in welcher Form auch immer erwirtschaftet hat, zur Kasse gebeten werden. Dabei wird nur vergessen, dass alle, die sich über jahrzehntelange harte Arbeit etwas geschaffen haben, ohnehin schon Lohn- und Einkommensteuer entrichtet haben.

Warum tun sich Politiker oft so schwer, für Leistungsträger einzustehen?

Leistungsgerechtigkeit ist für uns eine zentrale Frage. Wenn Debatten wie die aktuelle Diskussion losgetreten werden, hängt das auch mit Neid zusammen.

Der findet sich aber überall, nicht nur bei der SPÖ.

Das ist ein zutiefst menschlicher Zug, der nur in manchen Parteien und Gesellschaftsgruppen stärker kultiviert wird. Populistische Politik zu machen ist jedenfalls nicht meine Sache und nicht Sache der ÖVP. Die SPÖ hat da ja ein spezielles Problem: Ihr Finanzminister Ferdinand Lacina war es, der die Vermögenssteuer abgeschafft hat – mit einem Federstrich vor nicht einmal 15 Jahren. Und es hat sich bewährt.

Es kommt doch auf die Art der „Reichensteuer“ an. Auch in Ihrer Partei sind nicht alle abgeneigt.

Ich will keine Eigentumssteuer in Österreich haben, weder eine neue kreieren noch eine alte wieder einführen.

Teile der ÖVP denken aber immer wieder über breitere Steuereinnahmen nach, um etwa das Gesundheitswesen zu finanzieren.

Schluss mit der Debatte, dass man überall, wo man mehr Geld braucht, als Allererstes ans Kassieren denkt. Das ist falsch. Zuerst muss es bei den Strukturen eine Änderung geben, auch im Gesundheitssystem. Wer diese Vorleistung nicht bringt, muss die Steuerschraube ewig nach oben drehen. Die gut wirtschaftenden Krankenkassen wehren sich zu Recht dagegen, dass sie die schlecht wirtschaftenden ohne Änderungen finanzieren sollen.

Wer mehr Leistungen ins Spital abschiebt, hat's eben leichter. Müssten Sie nicht endlich die Länder zu Reformen bewegen?

Da ist mein Ansatz ganz pragmatisch: Für diese Fragen gibt es einen zuständigen Minister. Der soll sich um seine Aufgabe kümmern und Verhandlungen mit den Ländern führen.

Die Gesundheitsfinanzierung belastet auch die Lohnnebenkosten erheblich. Insofern muss es Sie doch auch interessieren.

Ich bin dagegen, nur partiell Bewegung in die Dinge zu bringen. Es braucht eine Gesamtaufstellung. Man kann sich nicht immer nur mit ein paar Millionen Euro drüberretten.

Die Gesundheitsdebatte ist seit Ewigkeiten eine Domäne der Sozialpartner. Stört Sie das?

Ich komme aus der Sozialpartnerschaft und halte sie für einen echten Mehrwert österreichischer Politik. Trotzdem muss eines klar sein: Ich habe Verantwortung in der Politik übernommen, weil ich selbst gestalten will und nicht, weil ich das nachhüpfen will, was die Sozialpartner vorgeben.

Ärgert es Sie, wenn Wirtschaftskammer-Chef Leitl eine Transaktionssteuer, also auch eine Art „Reichensteuer“, einfordert?

Das hat mich sogar sehr gefreut. Das stand schon als massiver Wunsch in meinem Perspektivenpapier, um Aufgaben des Staates oder der EU zu finanzieren. Freut mich, dass diese Idee weiterentwickelt wird.

Wir schaut's eigentlich mit dem rot-schwarzen Koalitionsklima aus? Ist noch immer alles paletti?

Zuerst hat man zwei Jahre nur gestritten, dann – zumindest nach medialer Darstellung – nur gekuschelt. In Wahrheit haben wir schon viele Sträuße im Hintergrund ausgefochten. Wir haben einfach eine professionelle, positive Zusammenarbeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2009)

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