Voves: Demütige, gestutzte Rote

(c) GEPA pictures / David Rodriguez
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Frühere rote Hochburgen in der steirischen Mur-Mürz-Furche sind eingestürzt. Die SPÖ kämpft besonders mit Vertrauensverlust. Nicht umsonst eröffnet Landeschef Franz Voves in dieser Region den Wahlkampf für die Landtagswahl am 31. Mai.

Der Landeshauptmann tritt in Jeans mit aufgekrempelten Ärmeln auf. Die Wähler werden von Franz Voves in Du-Form angesprochen: „Ob dir unsere Politik gefällt oder nicht: Mach sie mit uns besser.“ Das Parteilogo der SPÖ Steiermark prangt zwar im oberen Eck des Plakats, der steirische Landeschef wirbt aber nicht nur für eine Öffnung und eine „Politik in neuer Form“, sondern auch im Ton. Die Plakate beim Eingang zum SPÖ-Regionalbüro Obersteiermark Ost in der Theodor-KörnerStraße unweit des Hauptplatzes von Bruck an der Mur sind gut einen Monat vor der Landtagswahl am 31. Mai im Straßenbild der einzige SPÖ-Hinweis auf den Wahlgang.

Am Samstag hielt die SPÖ ihren Landesparteirat ab, um die Kandidatenliste offiziell abzusegnen (siehe Bericht unten). Nicht umsonst war das Kulturhaus in Bruck an der Mur mitten in der „roten Zone“ der Steiermark für diese SPÖ-Heerschau mit Voves an der Spitze ausgewählt geworden.

Bruck an der Mur ist ein zentraler Schauplatz der einstigen Arbeiterpartei. Arbeiterführer Koloman Wallisch wurde im Februar 1934 von einem Standgericht in Leoben hingerichtet. Die rund 15.000 Einwohner zählende Bezirksstadt war jahrezehntelang eine von mehreren roten Hochburgen in der Mur-Mürz-Furche. Die Blütezeit der Roten ist auch hier vorbei. Bruck an der Mur steht symbolhaft dafür. Satte 14 Prozentpunkte hat die SPÖ bei der Kommunalwahl am 22. März verloren. Mit knapp 44 Prozent der Stimmen und 15 von 31 Mandaten ist die jahrzehntelange absolute Vormachtstellung dahingeschmolzen wie die letzten Schneereste in der Aprilsonne.

Der diesen Donnerstag zum Bürgermeister gewählte 60-jährige Hans Straßegger (SPÖ) musste sich einen Partner suchen. Wie bei der Reformpartnerschaft setzt er dabei auf die ÖVP. Dabei ist auch die Volkspartei in der roten Bastion mit nun sechs Mandaten von der FPÖ, die jetzt sieben hält, auf Platz drei verdrängt worden. Die Freiheitlichen sind mit 22,1 Prozent doppelt so stark wie 2010. Straßegger hat zum Amtsantritt wie auf Landesebene demütig ein „Miteinander“ und eine breite Basis als neues Leitmotiv ausgegeben. Ein Kulturbruch: Der mit absoluter SPÖ-Macht ausgestattete Vorgänger, Bernd Rosenberger, der Vorhaben auch durchzuboxen pflegte, war von Kritikern despektierlich als „Putin“ an der Mur qualifiziert worden.


SPÖ-FPÖ-Wähleraustausch. Der tiefe Fall der SPÖ in Bruck ist kein Einzelfall in der (Stahl-)Industriezone der früheren Verstaatlichten zwischen Donawitz und Mürzzuschlag: Kindberg (SPÖ –15,3%, FPÖ auf 22,1% verdreifacht); Kapfenberg (SPÖ –8,6%, FPÖ +10,2%); Leoben (SPÖ –4%, FPÖ +3,7%); Knittelfeld (SPÖ –5,7%, FPÖ auf 20% verdoppelt); Zeltweg (SPÖ –10,7%, FPÖ verdoppelt); Judenburg (SPÖ –12,8%, FPÖ auf 21,4% verdreifacht).

Bei der Nationalratswahl im September 2013 ist die Steiermark blau gewesen, die FPÖ vor SPÖ und ÖVP gelegen. Nicht von ungefähr war es ein Gewerkschafter, der Steirer Bauholzchef Josef Muchitsch, der dann mit einem Tabu für die Bundes-SPÖ unter Werner Faymann, nämlich einer rot-blauen Koalition, geliebäugelt hat.

Im SPÖ-Regionalbüro in Bruck an der Mur ist Geschäftsführer Wolfgang Kuhelnik (53), ein umgänglicher Knittelfelder, etwas ratlos über die genauen Gründe für das Bröckeln der roten Bastionen: „Ich habe kein Patentrezept. Die Leute haben wahrscheinlich das Gefühl, die Roten helfen uns nimmer.“ Sein Beispiel: Früher habe man bei einem Sprechtag einen Betriebsrat in der Verstaatlichten in der Region angerufen, eine Stelle etwa als Schlosser war immer irgendwie zu finden.

In diese Kerbe schlägt auch Elisabeth Hakel, 37-jährige SPÖ-Nationalratsabgeordnete aus der roten Bezirksstadt Liezen im Ennstal. Für sie ist die SPÖ in der Wählergunst Opfer ihrer erfolgreichen Politik in den vergangenen Jahrzehnten geworden: „Wir haben ihnen alles gerichtet, sie müssen sich um nichts mehr kümmern.“ Das Problem dabei: „Die Leute sind generell unzufrieden, dabei leben sie wie im Paradies.“ Vor allem der „Neid, der Nachbar könnte mehr haben“, tut ihr in der sozialdemokratischen Seele weh.


Asyl ist Thema. In SPÖ-Wunden bohrt die verjüngte FPÖ-Truppe vor der Landtagswahl aggressiv und ohne Hemmungen. Auch bei der Ausländer- und Asylpolitik. Nicht von ungefähr sticht vor dem Brucker Bahnhof als einziges Großplakat weit und breit jenes des FPÖ-Spitzenkandidaten Mario Kunasek mit der Aufschrift „Asylchaos stoppen“ und „Heimat und Werte erhalten“ ins Auge. Dabei ist das Übergangsquartier für Asylwerber in Bruck an der Mur bereits vor der Gemeinderatswahl im März geschlossen worden.

Im Café Murblick nahe der Bezirkshauptmannschaft nimmt man sich zur Politik kein Blatt vor den Mund. Nur die Pensionisten hätten die SPÖ vor einem noch schlechteren Ergebnis bewahrt, analysieren die Gäste. Besser ausgebildete Junge wandern nach Graz oder Wien ab, die Ansiedlung großer Shoppingcenter sei in der früheren Einkaufsstadt versäumt worden. „Wir sind auf dem absteigenden Ast“, wird hier beklagt. Dieses Schicksal wird auch der einst stolzen, starken SPÖ prophezeit: „Die Jungen wählen nimmer Rot.“ Nachsatz: Auf die Ausländer könne sich die SPÖ künftig aber verlassen.

Hoffnungen setzen die lokalen roten Funktionäre auf Voves, dessen Stil der Zusammenarbeit mit ÖVP-Landeschef Hermann Schützenhöfer „sehr gut“ (Kuhelnik) ankomme. Positiv sei die Steuerreform, bei der die SPÖ „mehr als erwartet“ erreicht habe. Das Problem sei, dass die Leute „uns das gar nicht mehr glauben“. Besser wäre, das Geld würde bei der nächsten Lohnauszahlung überwiesen, nicht erst 2016.

Was Kuhelnik aber mehr wurmt, ist der Umstand, dass die FPÖ von der SPÖ-Schwäche profitiert. Dabei hätten diese in Kärnten „uns die ganze Hypo-Geschichte eingebrockt“. So ist es kein Wunder, dass am Rand der konstituierenden Sitzung des Gemeinderats in Bruck an der Mur ein SPÖ-Politiker – inoffiziell – alles andere als zuversichtlich dem 31. Mai entgegenblickt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2015)

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