Gemeinden blockieren Akademisierung

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Reformpläne für die Ausbildung von Kindergartenpädagogen und bei Pflegeberufen stoßen auf Widerstand. Gemeindebundchef Mödlhammer warnt die Bundespolitik: "Wir können es uns nicht leisten."

Wien. Jetzt ertönt der offizielle Startschuss zur Neuverteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund, Länder und Gemeinden. Bei einem Koordinationstreffen mit Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) heute, Montag, in Wien wird zunächst die weitere Vorgangsweise geklärt. Allerdings eines steht praktisch schon fest: Bundes- und Landespolitiker werden Rücksicht auf die Ende Mai und im Frühherbst angesetzten vier Landtagswahlen nehmen. Vor der Wiener Gemeinderatswahl am 11.Oktober wird es deswegen keine ernst zunehmenden Weichenstellungen auf dieser finanzpolitischen Ebene geben. Bis spätestens zum Sommer 2016 muss es dann allerdings so weit sein. Denn der Finanzausgleich aus dem Jahr 2007 ist bereits zweimal ohne grobe Änderungen verlängert worden und läuft Ende 2016 aus.

Der Präsident des österreichischen Gemeindebunds, Helmut Mödlhammer (ÖVP), sorgt jetzt allerdings für beträchtlichen Zündstoff. Er wehrt sich vorbeugend dagegen, dass von Bundesseite den Gemeinden und Ländern zusätzlich massive Kosten aufgehalst werden. Die Gemeinden legen sich daher in zwei Bereichen gegen drohende Mehrbelastungen quer: bei der Kinderbetreuung sowie bei der Pflege. Der Grund: Die Kommunen befürchten, dass ihnen durch die für Kindergartenpädagogen und für Pflegeberufe angedachte und geforderte höhere Ausbildung bis zu akademischen Abschlüssen Mehrkosten in Höhe mehrerer Millionen Euro drohen.

Mödlhammer warnte deswegen zuletzt nach einem Treffen mit Ländervertretern (Niederösterreichs Landesfinanzreferent Wolfgang Sobotka, ÖVP, führt dort turnusmäßig bis Anfang Juli den Vorsitz), das Heil nur in einer Akademisierung zu suchen. Denn, so betonte Mödlhammer unmissverständlich: „Wir können es uns nicht leisten.“

Gegen Industrie und SPÖ

Der Gemeindebundchef legt sich damit auch mit der Industriellenvereinigung und deren Präsident, Georg Kapsch, an. Die Industrie drängt nicht nur auf eine deutliche Aufwertung der Elementarpädagogik samt einer besseren Ausbildung für Kindergartenpädagogen, um Mädchen und Burschen spielerisch besser auf die Schule vorzubereiten. Außerdem sollten Kinder künftig statt des bisherigen Gratiskindergartenjahres für Fünfjährige schon zwei Jahre vor dem Schuleintritt betreut werden. Mödlhammer durchkreuzt mit seinem Querschuss auch die Pläne der Kanzlerpartei SPÖ. Denn diese tritt wie die Grünen für ein zweites verpflichtendes Kindergarten für alle ein. Die Kommunen stöhnen schon jetzt wegen der erhöhten Kosten für die Kinderbetreuung.

Die Verhandlungen über die Reform der Pflegeausbildung sollen nach der krankheitsbedingten Abwesenheit von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) im Mai fortgesetzt werden. Schon jetzt drängen vor allem die Länder auf eine Aufstockung des Pflegefonds, aus dem bereits bis 2018 vom Bund zusätzliche Mittel für die Betreuung hilfsbedürftiger Menschen aufgewendet werden.

Von den Ländern sind vor dem heutigen Auftakt der Verhandlungen über den Finanzausgleich wegen der Ausbildung der Ärzte ebenfalls bereits scharfe Töne in Richtung Bundesregierung zu hören. Die Länder wollen Mehrkosten, die durch die geplante Neuregelung dieser Ausbildung entstehen, nicht allein übernehmen. Das hat der Vorarlberger Landeshauptmann, Markus Wallner (ÖVP), im Namen der Finanzreferenten der Länder klargestellt.

Es bleibt nicht bei Worten allein. Denn die Länder haben beschlossen, den sogenannten Konsultationsmechanismus bei strittigen Finanzfragen in Gang zu setzen. Dieser kann von Bund, Ländern oder Gemeinden als Abwehrmittel ausgelöst werden, wenn einer Gebietskörperschaft einseitig höhere Kosten aufgebürdet werden. In diesem Fall ist das nach Ansicht der Länder durch die geplante neue Ausbildung der Spitalsärzte der Fall. Die Zeit drängt. Denn die entsprechende Verordnung soll bereits am 1.Juni in Kraft treten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2015)

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