Fischer: "Waren NS-Gegner, aber auch rücksichtslose Täter"

Kranzniederlegung anlässlich des 70. Jahrestages der Republiksgründung
Kranzniederlegung anlässlich des 70. Jahrestages der RepubliksgründungAPA/BKA/ANDY WENZEL
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Der Bundespräsident erinnert an die Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung am 27. April 1945. Zu Gast in der Hofburg ist erstmals der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck.

Am 27. April 1945 wurde die Unabhängigkeitserklärung durch SPÖ, ÖVP und KPÖ unterzeichnet. Bei den Feierlichkeiten wird auch der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck eine Ansprache halten.

Das offizielle Österreich begeht am heutigen Montag den 70. Jahrestag der Gründung der Zweiten Republik. Gefeiert wird mit einem Staatsakt in der Wiener Hofburg, zu dem Bundespräsident Heinz Fischer geladen hat. Im Vorfeld legten Bundespräsident Heinz Fischer und die Bundesregierung bereits Montagfrüh beim Staatsgründungsdenkmal Kränze nieder. Bei dem im Schweizer Garten nahe dem Belvedere errichteten Denkmal finden sich auch die wichtigsten Passagen der Unabhängigkeitserklärung in Stein gemeißelt.

Das Staatsoberhaupt erinnerte in seiner Ansprache daran, dass Österreich nicht nur Opfer Nazi-Deutschlands war, sondern viele Österreicher das NS-Regime unterstützt und den „Anschluss“ 1938 bejubelt hätten. Zwar waren „viele Österreicherinnen und Österreicher ohne Zweifel Gegner und auch Opfer des NS-Systems, doch ein deprimierend großer Teil waren Sympathisanten, Unterstützer und auch rücksichtslose Täter“, sagte der Bundespräsident. Dazu komme, „dass bewusstes Wegschauen, Gedankenlosigkeit oder Opportunismus es dem herrschenden Regime erleichtert haben, seine Ziele zu verfolgen und zu erreichen. Das Wissen um diese Wahrheit ist es, das uns zu dem Grundsatz 'Wehret den Anfängen' verpflichtet."

Bundespräsident Fischer, Kanzler Faymann und Vizekanzler Mitterlehner legen einen Kranz am Staatsgründungsdenkmal nieder.
Bundespräsident Fischer, Kanzler Faymann und Vizekanzler Mitterlehner legen einen Kranz am Staatsgründungsdenkmal nieder. APA/BKA/ANDY WENZEL

Fischer äußerte auch sein Bedauern darüber, dass es nach Kriegsende viele Jahre schwergefallen sei, aus dieser Wahrheit „konkrete Gerechtigkeit für eine riesige Zahl von Einzelfällen zu schaffen - und zwar sowohl was die Täter als auch was die Opfer betrifft". So hätte von Anfang an klar sein müssen, dass die neu gegründete Republik nicht nur die Pflicht habe, Kriegsverbrechen und andere Verbrechen zu verfolgen, „sondern dass sie auch Verantwortung und Pflichten gegenüber jenen hat, die schweres Unrecht erlitten haben".

Der Sieg der Alliierten habe für Österreich die Befreiung gebracht: „Österreich ist 1945 von einer unmenschlichen verbrecherischen Diktatur befreit worden", so der Präsident. Die Alliierte Besatzung sei zwar eine schwere Last gewesen, aber sie habe auch den Wiederaufbau als demokratisches Land mit europäischen Werten nicht verhindert - „und damit den Weg von der Befreiung im Jahr 1945 zur vollen Freiheit im Staatsvertragsjahr 1955 ermöglicht".

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Mit der Aufarbeitung der Geschehnisse zeigte sich Fischer trotz allem letztendlich zufrieden: Dies würde die Gesetzgebung der letzten zwei Jahrzehnte beweisen. Er verwies etwa auf die Errichtung des Nationalfonds für die Opfer des Nationalsozialismus oder die Entschädigung von Zwangsarbeitern. Auch die Errichtung eines Denkmals für die Opfer der NS-Militärjustiz hob Fischer positiv hervor.

Er selbst habe das Kriegsende als Kind erlebt, sagte Fischer. Zwar hatte seine Familie damals von den konkreten Ereignissen in Wien wenig Ahnung, „aber eines hat sich mir als Kind tief eingeprägt: dass Krieg etwas ganz Entsetzliches ist und dass Unrecht und Gewalt Zwillinge sind."

Erstmals ausländische Beteiligung

Fischers Einladung zum Staatsakt in der Hofburg waren zahlreiche Ehrengäste gefolgt, unter ihnen der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck, der vom Präsidenten besonders begrüßt wurde. Immerhin nehme mit diesem zum ersten Mal das Staatsoberhaupt eines Nachbarlandes an den Feierlichkeiten teil.

Unabhängigkeitserklärung

Die Proklamation der Unabhängigkeit erfolgte am 27. April 1945 - nur gut zwei Wochen nach der Befreiung Wiens durch die sowjetischen Truppen, noch vor der Kapitulation der deutschen Wehrmacht (am 8. Mai) und drei Tage vor dem Selbstmord Adolf Hitlers. Im Westen Österreichs fanden noch Kampfhandlungen statt.

Die Unabhängigkeitserklärung wurde von Vertretern jener drei Parteien getragen, die die provisorische Staatsregierung unter Renner bildeten - SPÖ, ÖVP und KPÖ. Die Proklamation erklärte die Republik Österreich für „wiederhergestellt". Vormals deutsche Staatsbürger wurden wieder zu Österreichern: „Von diesem Tage an stehen alle Österreicher wieder im staatsbürgerlichen Pflicht- und Treueverhältnis zur Republik Österreich", hieß es. Der im Jahre 1938 „dem österreichischen Volke aufgezwungene Anschluss ist null und nichtig“.

>>> Die Unabhängigkeitserklärung im Wortlaut

(APA/Red.)

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