Studie: Beim Islam hört die Toleranz auf

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Homosexualität in der eigenen Familie oder Dienstleister mit ausländischen Wurzeln sind mehrheitlich kein Problem mehr. Geht es um den Islam, endet die Toleranz aber schnell.

Wien. Würde es Sie stören, wenn die Verkäuferin Sie mit einem Kopftuch berät? Vertrauen Sie dem Verkäufer eines gebrauchten Autos auch, wenn er mit arabischem Akzent spricht? Endet die Toleranz, wenn zwei Männer ein Kind adoptieren möchten? Oder dann, wenn der eigene Sohn einen Mann heiraten möchte? Wie tolerant die Österreicher in Bezug auf Religion, Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, sexuelle Orientierung und Behinderung sind, das wurde nun – aus Anlass des Jubiläums der Befreiung vom nationalsozialistischen Regime – vom Meinungsforschungsinstitut Meinungsraum.at im Auftrag des Mauthausen-Komitees Österreich (MKÖ) abgefragt. Denn, „Toleranz ist ein Gradmesser dafür, wie entwickelt eine Gesellschaft ist. Je toleranter Menschen sind, desto weniger sind sie empfänglich für autoritäre Handlungsmuster – und umgekehrt“, sagt Willy Mernyi, der Vorsitzende des MKÖ.

Bruchlinie Religion

Die Bruchlinie, wenn es um Toleranz geht, verläuft laut dieser Umfrage mit 1000 Teilnehmern offenbar da, wo es um Religionsausübung geht, vor allem beim Islam: 65 Prozent der Befragten würde es stören, wenn jemand aus der eigenen Familie zum Islam übertritt, 64Prozent hätten ein Problem damit, wenn in der Nachbarschaft eine Moschee gebaut wird. Zwar hätten vier von zehn Befragten auch mit einem buddhistischen Zentrum ein Problem, aber Willi Mernyi ortet vor allem einzelnen Religionen gegenüber eine „massiv negative Stimmung“ und sieht das als „besorgniserregend“.

Mit anderen möglichen Ursachen für Diskriminierung scheint ihrer Selbstdarstellung nach hingegen nur eine Minderheit der Befragten ein Problem zu haben – auch, wenn es um die eigene Familie geht: Bekennt sich ein Familienmitglied zur Homosexualität oder wollte eine Frau aus der Familie eine Frau heiraten, würde das nur jeden Fünften stören. Auch Adoption durch ein schwules Paar ist demnach innerhalb der Toleranzgrenze, genauso sind einander küssende Frauen für eine Mehrheit gesellschaftlicher Alltag. Allerdings zeigt sich beim Thema Homosexualität: Frauen stoßen sich daran viel weniger als Männer. Und die Gruppe der 14- bis 29-jährigen hat weniger Probleme mit Schwulen und Lesben als über 60-Jährige. Ein Indikator, so Studienautorin Christina Matzka, für die veränderte Realität und dafür, dass die Österreicher toleranter werden.

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In vielen Situationen scheint das auch auf die ethnische Herkunft und die Hautfarbe zuzutreffen. So hätte eine Mehrheit der Befragten weder ein Problem damit, wenn sich herausstellt, dass der Zahnarzt, der sie behandeln soll, ein Schwarzafrikaner ist. Noch damit, dass eine Frau aus der eigenen Familie einen Afrikaner heiratet (72Prozent). Ein operierender Arzt türkischer Herkunft? Ein Araber als Verkäufer eines Gebrauchtwagens? Eine Verkäuferin mit Kopftuch? Auch das wäre laut eigener Einschätzung für eine klare Mehrheit der Befragten kein Problem. „Interessant ist, dass auf die Frage, ob man ein Problem mit einem Arzt türkischer oder afrikanischer Herkunft hätte, auch mehr als 80Prozent der über 60-Jährigen nein sagen“, so Matzka.

Intolerant sind die anderen

Die Umfrage zeigt aber auch: Österreicher sehen sich selbst gern als tolerant (72 Prozent bezeichnen sich so), bei Mitmenschen aber wittern sie eher Intoleranz (60 Prozent bezeichnen ihre Landsleute als intolerant). Und der Selbsteinschätzung nach (die freilich durch soziale Erwünschtheit beeinflusst sein kann) zeigen sich die Befragten besonders dort tolerant, wo es um Geschlecht und Behinderung geht. Mit einem Kollegen im Rollstuhl oder einer Frau als Chefin hat heute fast niemand mehr ein Problem. Insgesamt würden die Österreicher tendenziell toleranter – das zeige der Vergleich zu früheren Studien, sagt Christina Matzka. Auch wenn es eine direkte Vergleichsstudie dazu aus der Vergangenheit nicht gibt. (cim)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2015)

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