Finanzausgleich: Bund will Staatsreform erzwingen

AUFTAKT DER FINANZAUSGLEICHSVERHANDLUNGEN: SCHELLING / SOBOTKA / OSTERMAYER
AUFTAKT DER FINANZAUSGLEICHSVERHANDLUNGEN: SCHELLING / SOBOTKA / OSTERMAYER(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Das gestern gestartete Ringen um die Anteile der Länder und Gemeinden am Steuervolumen in Höhe von 75 Milliarden Euro wird diesmal besonders heiß.

Wien. Als Finanzminister Hans Jörg Schelling gestern Nachmittag Landes- und Gemeindevertreter zum Start der überfälligen Verhandlungen um den nächsten Finanzausgleich ins Ministerium bat, stand mehr auf dem Spiel als die Frage, wer in den nächsten Jahren welchen Anteil aus den Steuereinnahmen des Bundes bekomme: Schelling hat angedeutet, einen vorsichtigen Umbau der komplizierten und ineffizienten Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden anzugehen. Und damit die österreichische Finanzverfassung zu ändern. Bis hin zu einer stärkeren Steuerhoheit der Länder, die ihnen das Einheben eigener Steuern erlauben würde. Die Verhandlungen dürften also langwierig und ziemlich schwierig werden.

Es geht um viel Geld: Als Verhandlungsmasse stehen rund 75 Milliarden Euro zur Verfügung. Diese wurden bisher im Prinzip zu einem fixen Schlüssel (67,4 Prozent Bund, 20,7 Prozent Länder, 11,9Prozent Gemeinden) aufgeteilt. In der Praxis ist die Sache aber nicht so einfach, denn es gibt eine Reihe von komplizierten Transfers und Querbeziehungen innerhalb des Systems (die Rede ist von bis zu 50.000), die das Ergebnis verzerren und das Kuchenstück der Länder deutlich vergrößern.

Wie auch immer: Der Kuchen, den sich Länder und Gemeinden vom Bund herunterschneiden (2014 waren das 32,7 Milliarden Euro) ist deren wesentliche Finanzierungsquelle. Zwar gibt es auch eigene Landes- und Gemeindeabgaben (von der Grundsteuer über Gewerbesteuer und Kommunalsteuer bis hin zur Nächtigungstaxe und Lustbarkeitsabgabe), sie machen in Summe aber nur sieben Milliarden Euro aus.

Entsprechend erbittert kämpfen Länder und Gemeinden um die Anteile am Kuchen. Mit manchmal eher kontraproduktiven Ergebnissen: Die Bankensteuer, mit der der Bund seine Bankenhilfen teilweise zurückholen will und mit der die Länder absolut nichts zu tun haben (außer dass Landesbanken wie die frühere Hypo Alpe Adria dem Bund jetzt auf der Tasche liegen), geht wegen des automatischen Aufteilungsschlüssels zu einem Drittel an Länder und Gemeinden. Dieser Aufteilungsschlüssel war bisher sakrosankt: Die Verhandlungen um den geltenden Finanzausgleich im Jahr 2007 waren sehr kurz, weil der damalige Finanzminister, Wilhelm Molterer, sich nicht mit den Landesfürsten anlegen wollte und die Wünsche der Länder weitgehend durchwinkte. Gelten sollte der von Molterer „verhandelte“ Finanzausgleich bis 2013, aber die Molterer-Nachfolger Maria Fekter und Michael Spindelegger zeigten auch keine Lust, sich die Finger zu verbrennen – und schoben das Problem einfach weiter.

(C) DiePresse

Ergebnis bis Mitte 2016 angepeilt

Jetzt gilt der bestehende Finanzausgleich bis 2016 – und bis zur Mitte dieses Jahres will Schelling das Ergebnis unter Dach und Fach haben. Eine Mammutaufgabe, denn der Finanzminister will mit dem neuen Finanzausgleich auch die überfällige Staatsreform anstoßen. Das geht am besten über die Finanzbeziehungen. Auf der Agenda ganz weit oben steht daher eine weitgehende Steuerautonomie der Länder: Sie sollen Steuern, die bisher der Bund einhebt, künftig selbst einsammeln dürfen, dafür aber auch mehr Verantwortung für ihre Ausgaben übernehmen. Derzeit entstehen nicht unbeträchtliche Ineffizienzen dadurch, dass Länder anschaffen und der Bund die Rechnung zahlt. So werden etwa die Landeslehrer von den Ländern angestellt, aber vom Bund bezahlt. Mit dem Ergebnis, dass in der Vergangenheit öfter vereinbarte Stellenpläne auf Kosten des Budgets deutlich überzogen wurden.

Bei der Steuerautonomie geht die Frontlinie entlang der Parteigrenzen: ÖVP-Vertreter haben sich für eine umfassende Steuerautonomie ausgesprochen, die „nicht nur Bagatellsteuern“ umfasst, SP-dominierte Bundesländer lehnen mehr Steuerautonomie wegen des damit verbundenen stärkeren innerösterreichischen Steuerwettbewerbs strikt ab.

Streit um Spitalsfinanzierung

Auf der Tagesordnung steht auch eine stärkere Aufgabenorientierung der Finanzbeziehungen, wodurch das Geflecht ein wenig transparenter werden soll. Die derzeitigen Finanzströme werden selbst von Gemeindevertretern wie etwa Gemeindebund-Präsident Mödlhammer als „wirr und zum Teil undurchschaubar“ bezeichnet. Mödlhammer kann sich beispielsweise vorstellen, dass die Gemeinden die Kinderbetreuung ganz übernehmen, die Spitalsfinanzierung dafür aber zur Gänze an Länder und Bund geht.

Gestritten wird wohl auch um die Wohnbauförderung, die Schelling gern wieder zweckwidmen würde. Derzeit wird der über Lohnnebenkosten eingehobene Wohnbauförderungsbeitrag (ein Prozent der Bruttolohnsumme) vielfach für das allgemeine Budget verwendet. Aus Länderkreisen verlautete, man könne sich eine Zweckwidmung der Wohnbauförderung nur vorstellen, wenn die Länder dafür Kompensationszahlungen bekämen.

Weitere Infos:www.diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2015)

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