Hans Niessl: "Steuerhoheit könnte die Länder aufwerten"

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Hans Niessl kann sich vorstellen, dass die Länder mehr Steuerverantwortung übernehmen – als erster Landeshauptmann der SPÖ. Die (finanziellen) Sorgen Kärntens kann er nachvollziehen. Das Bildungsinstitut Bifie stellt er infrage.

Die Presse: Diese Woche haben die Verhandlungen zum nächsten Finanzausgleich begonnen. Bleiben Sie bei Ihrem Nein zur Steuerhoheit für die Länder?

Hans Niessl: Nein. Die Steuerhoheit für die Länder wäre ein neuer Weg, und ich gehöre nicht zu jenen, die ihn von Haus aus ablehnen.

Woher dieser Sinneswandel?

Ich habe mich mit dem Thema befasst und bin zu dem Schluss gekommen, dass das eine Aufwertung der Länder sein könnte. Deshalb sollten wir darüber diskutieren.

Welche Steuern könnten die Länder übernehmen?

Ich bin da offen. Der Finanzminister soll Vorschläge machen. Ich will nur nicht, dass es zu Steuerdumping kommt – dass es am Ende also neun verschiedene Steuersysteme gibt. Und auch die Verwaltung darf dadurch nicht aufgebläht werden.

Reden wir hier auch über die Einkommens- und die Körperschaftssteuer?

Man kann über alles reden, aber ich will wissen, was es bringen würde.

Wie stehen Sie zum Fall Kärnten? Soll der Bund mit neuen Krediten helfen, damit das Land nach der Hypo-Pleite liquide bleibt?

Es hat Schuldige in Kärnten gegeben. Aber ganz freisprechen kann man den Bund nicht. Es gibt eine Finanzmarktaufsicht und eine Nationalbank. Was haben die eigentlich getan? Und auch die ehemalige Finanzministerin Maria Fekter hat jahrelang zugesehen. Die Abwicklung der Hypo, wie sie jetzt gemacht wurde, hätten wir schon vor fünf Jahren haben können. Viel billiger.

Aber die Verstaatlichung im Jahr 2009 zweifeln Sie nicht an.

Diese Frage hat der U-Ausschuss zu klären. Aber es wäre nicht in Ordnung, Kärnten allein die Schuld zu geben und dem Bund einen Persilschein auszustellen. Auch er hat versagt, daher kann er nicht einfach sagen: „Ich zahle nichts.“

Sind Sie eigentlich froh, dass Sie Ihre Landesbank, die Bank Burgenland, 2006 an die Grazer Wechselseitige verkauft haben?

Ich kann sehr gut nachempfinden, wie es den Kärntner Kollegen geht. Im Kleinen haben wir das im Burgenland auch gehabt. Auch ich habe einen Bankenskandal geerbt, im Jahr 2000 von meinem Vorgänger Karl Stix. Das Land hat dadurch 400 Millionen Euro verloren.

Nicht ganz so viel, 340 Millionen, fehlen derzeit im Budget des Bildungsministeriums. Daneben gibt es etliche Probleme: Pannen bei der Zentralmatura, Streit mit den Lehrern etc. Sie haben als Teil der Bildungs-Arbeitsgruppe Einblick: Ist Gabriele Heinisch-Hosek die Richtige für den Job?

Die Frau Minister versucht, die Schwachstellen zu beseitigen. Und ich finde, sie ist am richtigen Weg.

Wo oder wer sind die Schwachstellen?

Wenn die Statistik Austria berichtet, dass zehn Prozent aus den Neuen Mittelschulen weiterführende Schulen besuchen – und das Bildungsforschungsinstitut Bifie hat das bei seiner Evaluierung nicht gesehen, dann frage ich mich: Was haben die überhaupt gesehen?

Was ist die Konsequenz daraus?

Für mich ist die Qualität des Bifie nicht so, wie ich sie mir vorstelle. Insofern ist diese Einrichtung ganz ernsthaft zu hinterfragen.

Was wurde aus den Strafen für integrationsunwillige Schüler, die Sie gemeinsam mit dem Kollegen Voves gefordert haben? War das bloß ein Wahlkampf-Strohfeuer oder hat die Bundespartei diesen Vorschlag abgewürgt?

Keines von beiden. Es herrscht Konsens darüber, dass alle die gleichen Rechte und Pflichten haben sollen: Österreicher, Menschen mit Migrationshintergrund und Ausländer. Daneben brauchen wir aber auch mehr Psychologen und Sozialarbeiter an den Schulen.

Wer soll das bezahlen? Das Ministerium hat kein Geld.

Das meine ich mit Schulautonomie: Die Direktoren müssen die vorhandenen Ressourcen anders einsetzen. Vielleicht gibt es da eine Stunde weniger und dafür eine mehr mit dem Sozialarbeiter. Das wäre auch für die Integration wichtig.

Wie wollen Sie Integrationswilligkeit eigentlich messen?

Wer nicht zur Schule kommt, den muss man von der Wichtigkeit des Schulbesuchs überzeugen.

Man kann auch jetzt schon Geldstrafen für Eltern verhängen.

Die Frage ist, ob die Strafen hoch genug sind. Zuerst muss man es natürlich mit Gesprächen versuchen. Aber wenn das nichts nützt, muss es Konsequenzen geben.

Mit Konsequenzen haben Sie diese Woche auch der ÖVP gedroht, wenn sie Ihre Forderung, Arbeitsplätze im Land für Burgenländer zu reservieren, nicht mitträgt.

Arbeitsplätze für Burgenländer und Aufträge für burgenländische Betriebe sind Eckpfeiler unseres Programms. Wer das nicht mitträgt, kann kein Koalitionspartner sein.

Aber ist das nicht EU-rechtswidrig? Sie würden Nicht-Burgenländer und nicht-burgenländische Betriebe diskriminieren.

Als Landeshauptmann hat man dafür zu sorgen, dass die Arbeitslosen im Land einen Job bekommen. Wir werden da alle gesetzlichen Möglichkeiten ausreizen. Außerdem müssen wir unsere Betriebe gegen Lohndumping schützen. Viele ausländische Firmen zahlen unter dem Kollektivvertrag. Und die ÖVP nimmt das auf die leichte Schulter.

Jetzt, da der Proporz Geschichte ist, können Sie sich ja einen neuen Partner suchen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die FPÖ Ihre Forderungen mitträgt.

Ich werde nach der Wahl mit allen Parteien Gespräche führen.

Haben Sie eine Präferenz?

Nein, überhaupt nicht.

Sie haben unlängst das „freie Spiel der Kräfte“ als interessante Option bezeichnet, wenn die SPÖ 18 von 36 Mandaten behält.

Diese Variante sollten wir prüfen.

Sie haben diese ständige Mehrheitssuche im Landtag schon zwischen 2000 und 2005 praktiziert. Damals saß die ÖVP dank Proporz aber noch in der Regierung. Jetzt hätten Sie eine Minderheitsregierung oder, je nach Lesart, eine Alleinregierung der SPÖ.

Auch da gibt es mehrere Varianten. Man könnte das Wirtschaftsressort zum Beispiel mit einem Experten besetzen, der über die SPÖ hinaus breite Akzeptanz genießt.

Denken Sie an eine bestimmte Person?

Ich denke an mehrere Personen, aber ich nenne keine Namen.

Mehrheiten müssten Sie sich im Landtag aber trotzdem suchen.

Das wird kein Problem sein. Wenn ein Experte Wirtschaftslandesrat ist, möchte ich sehen, wer ständig gegen dessen Vorschläge stimmt. Dieser Partei wünsche ich bei der Wahl 2020 dann viel Vergnügen.

Apropos: Werden Sie dann noch einmal kandidieren?

Wenn ich gesund bleibe, schließe ich das nicht aus.

Die Kronprinzen-Frage kann ich mir also sparen.

Ich würde ohnehin keinen Namen nennen.

ZUR PERSON

Hans Niessl (63) ist seit dem Jahr 2000 Landeshauptmann des Burgenlandes. Davor war er Bürgermeister von Frauenkirchen und Landtagsabgeordneter, ab 1999 auch Klubobmann der SPÖ. Seinen größten Erfolg feierte er bei der Wahl 2005, seinen zweiten als Spitzenkandidat: Die SPÖ holte 52 Prozent. Fünf Jahre später verlor sie die Absolute wieder, hielt aber die Hälfte der Mandate – 18 von 36. Bei der Landtagswahl am 31. Mai (zeitgleich mit der Steiermark) will Niessl den Status quo verteidigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2015)

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