Was hätte ein Bruno Kreisky daraus gemacht?

1. Mai: Wegen der Reden muss man da nicht hin.

Was hätte ein Bruno Kreisky daraus gemacht?“, meinte ein bekannter Genosse, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will. „Er hätte die Gelegenheit genützt und sich etwas überlegt.“

Es ist nämlich so – alle Jahre wieder am 1. Mai: Die Genossen aus den Bezirken defilieren an der Ehrentribüne auf dem Rathausplatz vorbei, winken artig – und die meisten entschwinden dann auch schon wieder.

Die Reden hören sich nicht viele an. Warum auch? Wenn es nicht eine andersfarbige Regierung zu kritisieren gibt – und seit Schwarz-Blau gab es das nicht mehr –, wird dort jedes Jahr mit ein wenig anderen Worten dasselbe gesagt. Dass man für jene da sei, die nicht „mit dem goldenen Löffel im Mund“ geboren wurden, hört man von ÖGB-Chef Erich Foglar ungefähr jedes zweite Jahr (wenn nicht jedes). Neu war heuer: „Wir sind für jene da, die nicht in irgendwelchen Bobo-Kaffeehäusern herumsitzen“ (Renate Brauner). Das war zwar auf die Grünen gemünzt, wird aber die Latte-macchiato-Linke in ihrer Gesamtheit treffen. Die SPÖ kann nur hoffen, dass diese nicht so nachtragend sind wie die Lehrer.

Und sonst? Nicht viel. Tolle Stadt. Böse Konservative. Super Steuerreform. Mehr Urlaub. Weniger Privatisierung. Ein bisserl Zeitgeschichte. Und überhaupt: Ohne Partei wäre diese Stadt nichts. Der Rest ist Folklore – durchaus mit Charme.

Was ein Bruno Kreisky wohl daraus gemacht hätte? Mehr auf jeden Fall.

Emails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2015)

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