Schützenhöfer: "Die Wut über Wien wächst"

STEIERMARK-WAHL: PK OeVP STEIERMARK 'PRAeSENTATION DER LANDESLISTE FUeR DIE LANDTAGSWAHL 2015'/SCHUeTZENHOeFER
STEIERMARK-WAHL: PK OeVP STEIERMARK 'PRAeSENTATION DER LANDESLISTE FUeR DIE LANDTAGSWAHL 2015'/SCHUeTZENHOeFERAPA/ERWIN SCHERIAU
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Der steirische Vizelandeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) hat in genau vier Wochen eine Wahl zu schlagen. Im Interview drängt er auf Reformen im Bund.

Finanzminister Schelling versucht in den soeben gestarteten Verhandlungen über die Aufteilung der Steuern auf Bund, Länder und Gemeinden auch Reformen durchzusetzen. Findet er in Ihnen einen Unterstützer?

Hermann Schützenhöfer: Objektiv betrachtet muss man dem Bund recht geben, wenn er mit Bezug auf Kärnten sagt: Das geht in Zukunft nicht.

Es kommt nicht oft vor, dass ein Landespolitiker dem Bund recht gibt.

Die Zeche dafür, was die Blauen in Kärnten angerichtet haben, zahlen wir ja alle. Kärnten ist ein schreckliches Beispiel dafür, was passiert, wenn niemand Politikern auf die Finger sieht. Ich will in die Debatte ergebnisoffen eintreten, wie es so schön heißt. Ja, ich bin dafür, dass es neue Mechanismen gibt, dass man auf die Haftungen mehr achtet, dass man das tut, was wir in der Steiermark versuchen: dass man nicht mehr ausgibt, als man hat. Ich verstehe den Bund, dass er einen Anlauf nimmt, aber das kann nicht dazu führen, dass die Länder ihrer Aufgaben beraubt werden. Aber ich bin dafür, dass man Grenzen für die Verschuldung eines Landes, für die Haftungen einzieht. Aber das gilt auch für den Bund. Der ist ja am meisten verschuldet.

Sie sind also für eine Schuldenbremse der Bundesländer.

Ja, ich bin dafür, dass man bei der Pro-Kopf-Verschuldung zu einem österreichweiten Schnitt kommt, der nicht übertroffen werden darf. Bei den beginnenden Finanzausgleichsverhandlungen müssen sich die Länder zu einer gemeinsamen Linie zusammenraufen, damit der Bund kein leichtes Spiel hat, das eine Land gegen das andere Land auszuspielen. Derzeit werden beim Verteilungsschlüssel der Steuern Wien und der Westen bevorzugt. Was soll ein Steirer sagen, wenn er im Sinn des Finanzausgleiches 750 Euro wert ist, ein Wiener 1300 Euro? Da wird sich etwas ändern müssen, denn da haben sich himmelschreiende Ungerechtigkeiten eingenistet. Es werden sehr schwere Verhandlungen werden. Aber nach 2007 ist es an der Zeit, dass der Finanzausgleich gerechter geordnet wird.

Noch einmal zu den Haftungen. Da existieren die von Ihnen geforderten Obergrenzen bereits, nur werden die in der Praxis durch unterschiedliche Risikobewertungen unterlaufen.

Es muss sehr klare Regelungen geben, die man nicht umschiffen kann.

Das heißt, Haftungen sollten eins zu eins in die Landesbudgets durchschlagen?

Ja, Haftungen sollen eins zu eins durchschlagen. Ich bin ganz beim Bund, bei der Budgeterstellung zu einer Vereinheitlichung zu kommen. Das ist ja etwas, was starke Länder derzeit nicht bereit sind einzuführen (Wien; Anm.).Vergleichen kann ich nur Vergleichbares. Da müssen wir alle miteinander ehrlicher spielen, Bund und Länder.


Sie meinen wohl besonders Wien, wo ja mit den vielen ausgelagerten Bereichen und Beteiligungen ein finanzieller Überblick kaum möglich ist.

In Wien hat niemand mehr einen Überblick. Die Wut der Länder über Wien wächst, wenn man schaut, was wir alles machen, und Wien macht nichts: von der Nulllohnrunde bis zum Abbau von Stellen und der Pensionsdurchrechnung von Bediensteten. Der Wasserkopf Wien bleibt so vieles schuldig. In diesem Zusammenhang stehe ich eher aufseiten des Bundes als aufseiten mancher blockierender Länder. Wir haben die Blockaden in der Steiermark beseitigt und fahren ganz gut damit. Wir haben die Zahl der Abteilungen in dieser Periode von 50 auf 25 reduziert, die Posten von 7200 auf 6500, wir haben Landtag, Regierung verkleinert, Parteienförderung reduziert. Für Finanzminister Schelling werden diese Finanzausgleichsverhandlungen und die über eine Verwaltungs- und Aufgabenreform das Meisterstück werden. Das brauchen wir dringend. Wir sind in manchen Bereichen so weit, dass einander Gesetze aus Brüssel, dem Nationalrat und aus dem Land widersprechen. In der Aufgabenreform liegt sehr, sehr viel Geld. Dieses Dickicht zu beseitigen hilft auch Unternehmen.


Manche meinen ja, es gebe seit dem EU-Beitritt eine Ebene zu viel.

Diese Debatte kehrt immer wieder.


Vielleicht, weil ein wahrer Kern darin steckt.

Man kann Ebenen ja auch schlanker machen. Die Bundesländer-Debatte führe ich nicht.

Und die über eine Steuerhoheit für Länder?

Ich war bisher skeptisch, schließe die Steuerhoheit nicht aus und bin für eine ernsthafte Debate darüber. Eine volle Steuerhoheit hielte ich für problematisch, da ist Österreich zu klein. Aber ich halte einiges davon, dass es zwischen den Ländern Wettbewerb geben kann. Mit etwas Fantasie kann man da zu Modellen kommen.

In vier Wochen wird in der Steiermark der Landtag gewählt. Weshalb kommt die ÖVP nicht vom Fleck? Ist die Nummer eins unerreichbar?

Wichtiger ist mir, dass die Steiermark Platz eins erreicht. Der Abstand zwischen SPÖ und ÖVP ist in den Umfragen gewachsen. Streit schadet dem Ersten mehr als dem Zweiten, Harmonie nützt dem Ersten mehr. Wir haben genug gestritten in den vergangenen fünf Jahren, aber nicht öffentlich, so wie von der Bundesregierung vorgeführt.

Sollte sich da Reinhold Mitterlehner ein Beispiel nehmen?

Reinhold Mitterlehner ist mit Hans Jörg Schelling und Co. auf dem Weg, Reformen in Österreich zu wagen.

Sie wissen, was ich gemeint habe, oder? Dass der Vizekanzler öffentlichen Streit mit der SPÖ vermeiden soll.

Ich empfehle das der österreichischen Bundesregierung insgesamt.

Rechnen Sie damit, dass Werner Faymann zum Franz Voves wird, was Reformen betrifft?

Vielleicht gibt es eine Bewegung beim Herrn Bundeskanzler.

Prinzip Hoffnung also, was die SPÖ betrifft.

Prinzip Hoffnung.

Fühlen Sie Rückenwind aus der Bundes-ÖVP?

Der Gegenwind hat aufgehört. Reinhold Mitterlehner kommt bei den Menschen gut an und hat ein gutes Team. Die Hoffnung wächst, dass das Rückenwind wird. Aber ich bin vorsichtig, weil Stimmungen in der ÖVP rascher wechseln als das Wetter.

Die Steiermark war in der Vergangenheit nicht unbeteiligt daran.

Wir waren immer wieder mitbeteiligt. Heute schimpft Franz Voves auf die Bundespartei. Ich habe keinen Grund.


Eine Abschlussfrage: Passt das Anforderungsprofil des Bundespräsidenten eigentlich auf Erwin Pröll?

Sie hätten von Fangfrage sprechen sollen. Ich sage Ihnen auf diese Frage nichts. Nur: dass der Erwin Pröll ein Kaliber ist. Aber das heißt nicht, dass ich sage, er soll es werden.

Kampf um 964.689 Stimmen

Morgen, Montag, eröffnet die steirische ÖVP offiziell ihren Wahlkampf für die Landtagswahl am 31. Mai. Dabei wird auch Vizekanzler ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner mit weiteren Ministern nach Graz kommen. Insgesamt treten sieben Parteien landesweit an: die Landtagsparteien SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne und KPÖ sowie erstmals die Neos und Team Stronach.

Fast eine Million Wähler sind heuer bei der Steiermark-Wahl stimmberechtigt. Mit 964.689 Wahlberechtigten sinkt deren Zahl gegenüber der Wahl 2010 freilich um 2211. Es geht nach der Reform diesmal um 48 (bisher 56) Landtagsmandate.

Steckbrief

1952
Hermann Schützenhöfer wird am 29. Februar in Edlitz (NÖ) geboren. Nach einer kaufmännischen Lehre erklimmt er die politische Karriereleiter: Junge ÖVP, Landes-ÖAAB, ÖVP-Landtagsklubchef, Landesrat in der Steiermark.

2005
Nach der Wahl 2005, bei der die SPÖ mit Franz Voves die ÖVP überholt, folgt er als ÖVP-Landeschef auf Waltraud Klasnic. Der verheiratete Vater zweier Kinder wird stellvertretender Landeshauptmann.

2010
Voves und Schützenhöfer schließen nach der Wahl 2010 die sogenannte Reformpartnerschaft für die Steiermark ab – mit Sparkurs, Gemeindefusionen sowie kleinerem Landtag.
Gery Wolf

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2015)

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