Neos: Und nun die Mühen der Ebene

Matthias Strolz ueberlegt
Matthias Strolz ueberlegtMarko Mestrovic / picturedesk.com
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Bedrängt von der Mitterlehner-ÖVP kommen die Neos nicht mehr so recht vom Fleck. Die Landtagswahlen 2015 entscheiden über die Zukunft der Partei.

Das waren noch Zeiten: Im Überschwang waren die Neos im Herbst 2013 in den Nationalrat eingezogen. Sie hatten zwar nur 4,96 Prozent der Stimmen erreicht, waren aber so etwas wie der gefühlte Gewinner dieser Nationalratswahl gewesen, nachdem ihnen zuvor nur geringe Chancen eingeräumt worden waren.

In den Umfragen ging es danach stetig bergauf, in der Stadt Salzburg erreichten sie bei der Gemeinderatswahl im März 2014 aus dem Stand 12,4 Prozent. Das pinke politische Lebensgefühl schien ein Selbstläufer zu sein. Manche Kommentatoren sahen die ÖVP ob der neuen bürgerlich-liberalen Konkurrenz schon ernsthaft gefährdet.

Mittlerweile hat sich die rosarote Welt ein wenig eingetrübt: Die EU-Wahl und Vorarlberger Landtagswahl brachten nicht die erhoffte Fortsetzung des Höhenflugs, die Ergebnisse bei der Wirtschaftskammerwahl waren durchwachsen. „Österreichs erfolgreichstes Polit-Start-up“ (© Matthias Strolz) plagt sich mit den Mühen der Ebene.

Am Dienstag dieser Woche veranstaltete Neos-Bundesgeschäftsführer Feri Thierry eine Pressekonferenz zum Thema „Regierung 500 Tage im Amt“: Lediglich 13 Prozent aller rot-schwarzen Vorhaben seien bisher umgesetzt worden, die Regierung befände sich im Wachkoma. Ähnliches lässt sich allerdings auch von den Neos sagen. Bezeichnend: Die Pressekonferenz fand medial kaum Resonanz. Wie vieles, was die Neos tun. Das meiste findet unter der Wahrnehmungsschwelle statt.

Höchstens die Social-Media-Teilnehmer bekommen noch etwas davon mit, was die Neos so treiben, wenn die Abgeordneten dort selbst ihre Aktivitäten lancieren: von Initiativen zur Start-up-Finanzierung über Hypo-Skandal-Aufklärung bis zur Gründung eines eigenen österreichischen Menschenrechtsinstituts.

Das betrifft im Besonderen auch Parteichef Matthias Strolz: Dieser ist zwar nicht mehr hyper-, aber immer noch hochaktiv. Aber es bleibt oft beim L'art-pour-l'art-Aktionismus. Diese Woche war Strolz beispielsweise in Schweden auf Fact-Finding-Mission in Sachen Bildung und Pensionen. Auch das nahm kaum jemand wahr. Das letzte Mal größer in den Medien vorgekommen sind die Neos mit der – auch aus Sicht der Partei – eher unseligen Cannabis-Debatte.

Joker Schelling. Bedrängt werden die Neos zusehends von der ÖVP. Die Neos waren anfangs die perfekte Antithese zur ÖVP – zur Spindelegger-ÖVP. Doch seit Reinhold Mitterlehner die Partei übernommen hat, haben die Neos an Anziehungskraft verloren. Denn der neue ÖVP-Chef setzte von Beginn an liberalere Akzente, vorwiegend im gesellschaftspolitischen Bereich. Die Unternehmer hat der frühere Wirtschaftskämmerer zuletzt wieder verärgert. Und dennoch: Vom Image her kommt die ÖVP heute wesentlich liberaler rüber als früher. Das hat mit Mitterlehner zu tun – und vor allem auch mit dem von ihm ausgewählten Finanzminister, Hans Jörg Schelling.

Entscheidend für die „Neos-Partei“ wie sie von der ÖVP gern despektierlich genannt wird, werden die kommenden Landtagswahlen. In Wien zweifelt zwar niemand am Einzug in den dortigen Gemeinderat. Wenn nicht hier, wo dann sollen die urbanen Bürgerlichen reüssieren? Allerdings könnte ein Negativsog bei den anderen Landtagswahlen, die allesamt davor stattfinden, die Aufgabe deutlich erschweren. Steiermark? Schwierig. Oberösterreich? Sehr schwierig. Burgenland? Einzug eigentlich ausgeschlossen.

Kinderbetreuung. Am vergangenen Mittwoch lud dann die Vize-Parteichefin der Neos, Beate Meinl-Reisinger, in ihrer Funktion als Wiener Spitzenkandidatin zu einer Pressekonferenz in das „Vollbunte Wohnzimmer“ im 5. Bezirk, einem schicken Indoor-Spielplatz für Kinder. Anwesend waren sage und schreibe zwei Journalisten. Meinl-Reisingers Anliegen: Der Betreuungsschlüssel in Kinderkrippen sollte auf 3:1 (Verhältnis Kinder zu Betreuer), in Kindergärten auf 1:8 gesenkt werden. Zudem sollten Kindergartenpädagogen auf Hochschulniveau ausgebildet werden. Schließlich stünden diese nicht zuletzt auch aufgrund des Umstands, dass in Wien zwei Drittel aller Kindergartenkinder eine andere Muttersprache als Deutsch hätten, vor besonderen Herausforderungen.

„Sachpolitische Pressekonferenzen in Wien sind halt schwierig“, meint Meinl-Reisinger, deren Konterfei bereits drei Wochen lang in Wien plakatiert war. Dass die Neos mittlerweile mit den Mühen der Ebene zu kämpfen hätten und eben kein Selbstläufer mehr seien, sieht sie nicht so: „Das waren wir vor der Nationalratswahl ja auch nicht. Im Vergleich dazu ist das heute ein Spaziergang.“ Auch Meinl-Reisinger, die selbst aus der ÖVP kommt, ist von Hans Jörg Schelling durchaus angetan. „Eigentlich ein Neos-Mann.“ So hätten es die Neos immerhin bereits geschafft, die ÖVP zu modernisieren.

Das ist nicht nichts. Für das eigene Überleben als Parlamentspartei aber möglicherweise zu wenig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2015)

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