Die eiskalte Eleganz schwedischer Haken

EISHOCKEY: WM IN PRAG / GRUPPE A: OeSTERREICH - SCHWEDEN
EISHOCKEY: WM IN PRAG / GRUPPE A: OeSTERREICH - SCHWEDENAPA/HELMUT FOHRINGER
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Der Überraschung gegen die Schweiz folgte im zweiten Spiel gegen Schweden schnell die Ernüchterung – 1:6. Es fehlte an Kraft, Tempo und Treffsicherheit.

Prag. Schweden gilt nicht umsonst als Eishockey-Nation. Neunmal gewannen die Tre Kronor die WM, 2006 siegten sie zuletzt bei Olympia und laut der Statistik sind sie die Nummer eins in der National Hockey League mit 72 Legionären und seit neun Jahren unangefochten in Führung auf der jährlichen Draft-Liste. Österreich gilt im Welt-Eishockey – trotz des Auftakthits gegen die Schweiz (4:3) – weiterhin als eine eher kleinere Größe. Klefblom, Forsberg, Lindholm etc. hatten am zweiten Spieltag der WM in Prag leichtes Spiel, siegten ungefährdet mit 6:1 (3:0, 3:0, 0:1).

Mit einer Sensation hatte im Lager der Österreicher keiner gerechnet. Es wäre vollkommen realitätsfremd gewesen, jedoch für knapp eine Viertelstunde hatte der Widerstand gehalten, blieben die erneut haarsträubenden Abspielfehler von Pallestrang, Schumnig und Mühlstein unbestraft. Und es geschah sogar Unglaubliches: Das Gros der 14.051 Zuschauer feuerte Österreich an. Die eigenen Fans waren nicht zu überhören. „Steht auf für Österreich“, hallte es durch die O2-Arena. „Wer nicht hüpft, der ist ein Schwede.“ Von den Skandinaviern hörte man zu diesem Zeitpunkt gar nichts.

Plumpe Fehlschüsse, ein Tor

Dann riss aber die Glücksserie, angeführt von dem groß aufspielenden Jungstar Filip Forsberg (21, Nashville) hatte Schweden Spaß am Toreschießen gefunden. Forsberg gelang dabei mit seinen eleganten Haken und Finten der erste Hattrick dieser WM.

Die Partie glich nur noch einer Exhibition, mit dem Tausch der Torhüter – Rene Swette durfte nach sechs Gegentoren Platz machen für den zuvor geschonten Bernhard Starkbaum – war auch Schwedens Angriffszauber (Schussverhältnis 40:14) beendet. Nicht nur, weil Starkbaum der bessere Schlussmann ist, sondern weil er auch viele Spieler und deren Tricks kennt. Er verdient in Brynas sein Geld, spielt in der schwedischen Liga.

Österreichs beste Chancen wurden entweder plump von Raffl („Gegen Schweden zu spielen ist kein Spaß“) und Geier vergeben oder vom Torhüter pariert. Der Ehrentreffer zum 1:6 gelang dennoch, er war Heinrich (54.) vorbehalten.

Heute hat das A-Team einen Ruhetag, am Dienstag aber wird es ernst mit dem ersten Spiel, in dem ein Sieg eingeplant werden muss im Kampf gegen den Abstieg. Gegen Frankreich (20.15 Uhr, live in ORF Sport+) muss Teamchef Dan Ratushny danach trachten, dass sich die Fehlerquote im eigenen Drittel, hinter dem eigenen Tor, minimiert. Dafür hat er sich Konzepte überlegt; zumindest am Torhüter gibt es keine Zweifel. „Was soll ich sagen? Solche Spiele sind brutal und schmerzhaft. Aber, wir können von ihnen lernen.“

„Den Nachwuchs forcieren“

Hinter der Bande läuft seit geraumer Zeit ebenfalls ein Aufbauprogramm, das Österreichs Eishockey pushen soll. Dafür sicherte sich der Verband die Dienste des Schweizers Roger Bader. Er ist Nachwuchsteamchef sowie Ausbildungs- und Entwicklungsleiter in Personalunion. Der 50-Jährige ist in Prag dabei, inspiziert und beobachtet. Er sprach auch über sein Mentoring-Programm. Im Mai ist geplant, verrät Basder, ein Kick-off-Meeting mit 120 Nachwuchsspielern zu starten. Es gehe nicht nur um Lehrgänge, sondern um Spielpraxis. Denn entgegen der Meinung mancher Kritiker sieht er viele Talente in Österreich. „Kritik ist nur im physischen Bereich zulässig. Kraft, Ausdauer, Schnellkraft – daran muss man schon im Nachwuchs arbeiten. Da sind wir hintendran.“ Er nennt auch eine Zahl, die den Abstand zur Weltspitze verdeutlichen soll. Das Beispiel hinkt zwar, Österreich besiegte ja die Schweiz 4:3, Bader fuhr dennoch fort: „Beim U20-Team wurde der Fünfsprung gemessen. Österreichern fehlten 40 Zentimeter, Schweizer trainieren härter und viel früher die Beine.“

Alle sieben Erste-Bank-Klubs signalisierten Bereitschaft, sich dem Programm anzuschließen. Bader bemühte auch das leidigste Thema: die Ausländerfrage. Er könne nichts anderes sagen, als Ausbildungschef sei er dazu gezwungen. Er wolle so viele Österreicher wie möglich in der Liga sehen. Zum Vergleich brachte er erneut die Schweiz ins Spiel, dort sind pro Klub maximal sieben Legionäre, vier in einem Spiel, erlaubt.

Rot-Weiß-Rot pflegt weiterhin in dieser Frage eine eigenwillige Linie. Pro Klub gibt es 60 Punkte, Legionäre sind mit vier Zählern bewertet, Teamspieler ebenso, erst U24-Cracks (etwa Penalty-Held Konstantin Komarek) laufen mit null Punkten auf. Nun erwägt man eine Änderung. Teamspieler bzw. lokale Leistungsträger sollen nicht länger für ihr Können bestraft, sondern unterstützt werden.

Für Ratushny klingt das alles vielversprechend, doch Richtung, Speed und Sinn wird vor allem durch den WM-Erfolg determiniert. „Österreich muss den Klassenerhalt schaffen, darum geht es.“

EISHOCKEY-WM

Gruppe A: Österreich – Schweden 1:6 (0:3, 0:3, 1:0). Tore: Heinrich (54.) bzw. Forsberg (14., 29., 32.), Klefbom (19.), Lander (20.), Lindholm (30.).

Österreichs nächste Spiele: Frankreich (5. Mai, 20.15 Uhr), Tschechien (8. Mai, 16.15 Uhr), Lettland (9. Mai, 16.15 Uhr), Deutschland (11. Mai, 16.15 Uhr), Kanada (12. Mai, 12.15 Uhr).

Gruppe B: Russland – Slowenien 5:3 (3:0, 1:2, 1:1), Slowakei – Dänemark 4:3 n. P. (0:0, 0:1, 3:2; 0:0, 1:0), Weißrussland – Slowenien 4:2 (2:1, 1:0, 1:1), Norwegen – USA 1:2 (1:1, 0:1, 0:0).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2015)

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