Sozialbetrug: Jagd auf Scheinfirmen und falsche Krankenstände

Sozialbetrug: Jagd auf Scheinfirmen und falsche Krankenstände
Sozialbetrug: Jagd auf Scheinfirmen und falsche Krankenstände(c) Presse
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Koalition verschärft Gesetze: Aufnahmestopp in verdächtigen Firmen, verdeckte Kontrollore bei Ärzten. Bündel mit strengeren Maßnahmen geht in Begutachtung.

Auf heimische Unternehmen, die Finanz und Sozialversicherung betrügen, auf Ärzte und Personen, die elektronische Sozialversicherungsausweise (E-Cards) missbräuchlich verwenden oder beim Krankenstand schwindeln, kommen härtere Zeiten zu. Mit einem Bündel an gesetzlichen Maßnahmen wird künftig verstärkt gegen Sozial- und Krankenversicherungsmissbrauch in Österreich vorgegangen.

Die einschlägigen Gesetzesentwürfe, die unter Federführung von Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) ausgehandelt wurden, werden möglicherweise schon heute, Mittwoch, in Begutachtung geschickt. Voraussetzung dafür waren abschließende Gespräche zu letzten Details. Fix ist hingegen: Die strengeren Regeln sollen in Summe rund 200 Millionen Euro jährlich zusätzlich einbringen.

► Scheinfirmen: Im Mittelpunkt des Pakets, das als Arbeitsauftrag mit der Steuerreform von SPÖ und ÖVP grundsätzlich Mitte März vereinbart worden ist, steht die verschärfte Gangart gegen Scheinfirmen. Speziell wenn es um organisierten Sozialbetrug durch Betriebe geht, die Finanz und Sozialversicherung um Millionen an Einnahmen prellen. Nach Informationen der „Presse“ ist vorgesehen, dass über Betriebe, gegen die ein begründeter Verdacht vorliegt, ein Personalaufnahmestopp bis zur Klärung der Vorwürfe verhängt werden kann. Weiters wird die Zusammenarbeit bestehender Einrichtungen (darunter Finanzpolizei, Arbeitsinspektorat), die schon gegen organisierte Schwarzarbeit, Steuer- und Sozialbetrug vorgehen, ausgebaut und erleichtert. Dafür wird unter anderem gesetzlich ausdrücklich ein Austausch von Daten verankert.

► Krankenstände: Gleichzeitig werden die gesetzlichen Möglichkeiten ausgeweitet, um gegen Blaumachen mittels falscher Krankenstände, aber auch gegen Ärzte, die Sozialversicherte bei derartigen Missbräuchen unterstützen, strenger vorgehen zu können. Dazu zählt das sogenannte Mystery shopping bei Ärzten. Dabei geben sich verdeckte Kontrollore der Krankenkassen als Patienten aus und überprüfen, ob sie von den Medizinern krankgeschrieben werden, ohne genauer untersucht zu werden und ohne tatsächlich krank zu sein. Gegen diese Pläne hat es bereits im März heftige Proteste der Ärztekammer gegeben, probeweise ist diese Maßnahme in Wien bereits eingesetzt worden. Sanktionen bis hin zum Wegfall der Anstellung als Krankenkassenarzt sind vorgesehen. Verschärft wird außerdem gegen den Missbrauch von E-Cards vorgegangen.

► Grunderwerbsteuer: Auf Hochdruck arbeitete das Finanzministerium derzeit an dem Konvolut mit rund 40 Gesetzesentwürfen für das Steuerreformpaket. Dieses soll bis spätestens diesen Sonntag oder Montag fertiggestellt werden. Dabei gibt es noch Verhandlungen mit Wirtschaftsvertretern. Die Lösung bei der Grunderwerbsteuer soll so erfolgen, dass Betriebsübergaben, etwa bei Hotels, wegen der Verteuerung nicht sofort zum Schließen der Betriebe führen. An der Pflicht für elektronische Registrierkassen lässt die SPÖ trotz Protesten der Wirtschaft nicht mehr rütteln. Teil der Verhandlungen ist aber, ab welchem Umsatz diese Pflicht gelten wird.

► Neue Auflagen für Arbeitslose. Derzeit nicht in dem Gesetzespaket verankert ist eine andere Maßnahme, mit der Vizekanzler ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner liebäugelt: Wer arbeitslos ist, müsste sich rascher beim Arbeitsmarktservice zur Vermittlung eines Postens melden. Mitterlehner verwies dabei am Dienstag ausdrücklich auf Deutschland. Dort müssen sich Arbeitslose binnen drei Tagen melden, sonst drohen ihnen Sanktionen. Dieses System („early intervention“) gilt als Vorbild, weil bei rascher Kontaktaufnahme die Chance auf einer neue Beschäftigung steigt. In Österreich hat sich dagegen im April die Dauer der Arbeitslosigkeit auf im Schnitt 116 Tage verlängert. Minister Hundstorfer muss nun wegen der Rekordarbeitslosenrate über Auftrag der Regierung eine Enquete oder ein Gipfeltreffen zur Bewältigung der Probleme am Arbeitsmarkt abhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2015)

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