Länder als große Finanzgewinner

Wer erhält wie viel aus dem Geldtopf?
Wer erhält wie viel aus dem Geldtopf?
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Die Einnahmen der Länder aus dem Steuertopf - Stichwort Finanzausgleich - stiegen seit 2002 um 114 Prozent. Der Bund bekam "nur" 49 Prozent mehr.

Wien. Zur Verfügung steht ein jährlich mit 73 Milliarden Euro gefüllter Steuertopf. Wie viel davon künftig wer bekommt, darüber verhandeln derzeit Bund, Länder und Gemeinden. Am Mittwoch reiste deswegen Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) zur Konferenz der Landeshauptleute nach St. Pölten. Er drängt bei der ab 2017 fälligen Neuverteilung des Steuerkuchens darauf, die Einnahmen stärker nach den jeweiligen Ausgaben zu verteilen und die Steuerhoheit der Länder auszubauen.

Zuletzt wurde die Aufteilung der Steuereinnahmen 2007 paktiert: zwei Drittel zum Bund, ein Drittel an Länder und Gemeinden. Tatsächlich ergibt sich jedoch durch Verträge und Gesetze ein anderes Bild: Recherchen der „Presse“ im Finanzministerium zeigen, wer in der Vergangenheit am meisten von den beständig steigenden Steuereinnahmen profitiert hat: die Länder und mit ihnen wohl auch die Landeshauptleute.

Von 2002 bis 2014 stiegen ihre Einnahmen aus den Ertragsanteilen des Finanzausgleichs von sieben auf 15 Milliarden Euro. Das entspricht einem Zuwachs von 114 Prozent. Zum Vergleich: Die Überweisungen an Bund und Gemeinden stiegen zeitgleich um „nur“ jeweils 49 Prozent. Die Inflation betrug im gleichen Zeitraum 27 Prozent. Das monatliche Durchschnittseinkommen (Median) von Angestellten und Arbeitern wuchs von 2002 bis 2013 (aktuellster verfügbarer Wert) um 20 Prozent.

Starker Anstieg bestimmter Ausgaben

Gleichzeitig stiegen die Ausgaben der Länder in ausgewählten Sektoren stark an. Herausragend waren insbesondere die Bereiche Gesundheit, Soziales, Bildung und Verwaltung.


Auch im Ökonomie-Institut Agenda Austria wird hervorgestrichen, dass weitere Milliardenfinanzströme („grauer“ Finanzausgleich) existieren. Vereinfacht ausgedrückt, werden vom Bund, der den größten Teil der Steuern einhebt, für bestimmte Aufgaben von der Pflege über die Schulen bis zu den Krankenhäusern extra (Steuer-)Mittel überwiesen. Philipp Geymüller von Agenda Austria verweist im Gespräch mit der „Presse“ zu den Dimensionen auf die Daten des Finanzressorts selbst: 32,8 Milliarden flossen vom Bund an Länder und Gemeinden, umgekehrt waren es magere 0,04 Milliarden Euro.

Der „graue“ Finanzausgleich in Form von Transfers in Richtung Länder und Gemeinden ist beachtlich: Dazu zählen Zweckzuschüsse etwa für Spitäler, weiters frei verwendbare Finanzzuweisungen vor allem an finanzschwache Gemeinden sowie als größter Brocken die Kostenübernahmen, darunter jene des Bundes für die Pflichtschullehrer, die von den Ländern angestellt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2015)

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