Gipfeltreffen: Neun Landeschefs und ein Partycrasher

LANDESHAUPTLEUTEKONFERENZ IN ST. P�LTEN: KAISER/HASLAUER/PR�LL/H�UPL/PLATTER
LANDESHAUPTLEUTEKONFERENZ IN ST. P�LTEN: KAISER/HASLAUER/PR�LL/H�UPL/PLATTER(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Die Landeshauptleute orten eine Benachteiligung beim Finanzausgleich. Bei den Steuern will man keine halbe Sachen.

St. Pölten. „Und die Leute wissen Bescheid?“ Überrascht, aber freundlich reagierte die Mitarbeiterin im niederösterreichischen Landhaus am Mittwoch, als ein Mann Zugang zur Landeshauptleutekonferenz forderte. Als Matthias Strolz hatte sich dieser vorgestellt. Angemeldet habe er sich nicht, gestand er ein. „Aber ich möchte eine Botschaft überbringen“, meinte der Neos-Chef. Die Mitarbeiterin des Hauses ging nachfragen, ob Strolz wirklich in die seit einer Stunde laufende Sitzung der Landeshauptleute platzen darf. Ein Landeshauptmann kam freilich nicht heraus, stattdessen betrat der legendäre Sprecher Erwin Prölls, Peter Kirchweger, das Geschehen. Als Strolz nun auch noch begann, seine Thesen für eine bessere Politik der Bundesländer im St. Pöltner Landhaus aufzuhängen, wurde es turbulent.

(c) NEOS

„Ich werde bewerten lassen, ob das legal ist. Jedenfalls haben Sie sich etwas herausgenommen, was den Grundregeln widerspricht“, sagte Kirchweger zu Strolz. „Und das unter dem Siegel einer privilegierten Immunität“, ärgerte sich Prölls enger Vertrauter – und spielte auf die strafrechtliche Immunität von Nationalratsabgeordneten an. „Ja, ich fühle mich sehr privilegiert“, meinte Strolz darauf ironisch. „Ich bitte um ein Rechtsgutachten“, erklärte der Neos-Chef ob seiner Tat und begann seine soeben angeschlagenen Anliegen (etwa Steuerautonomie für die Länder, Luxuspensionen abschaffen, Haftungen offenlegen) nun auch noch laut vorzulesen. 95 Thesen wie einst bei Martin Luther sind es freilich nicht geworden, sondern nur fünf. Und „angeschlagen“ wurden die reformatorischen Ideen diesmal auch nur mit Klebeband.

Landeshauptmann Erwin Pröll, aktuell Vorsitzender der Landeshauptleute, schenkte der Neos-Aktion erwartungsgemäß wenig Aufmerksamkeit. „Ich bin mir nicht sicher, ob es die Neos in fünf Jahren noch gibt“, sagte Pröll, der in der Pressekonferenz nach der Sitzung die Vorschläge der Pinken als „Demagogie“ einstufte. „Wir sind demokratisch gewählt“, entgegnete Pröll auch dem Neos-Wunsch, dass Landeshauptleute nur noch maximal zwei Perioden im Amt sein dürfen.

Asyl: Minderjährige besser aufteilen

In den aktuellen Fragen demonstrierten die Landeshauptleute Einigkeit. Beim Finanzausgleich betonte Oberösterreichs Landeshauptmann, Josef Pühringer, dass man den bisherigen Schlüssel wieder in die Praxis umsetzen müsse. Laut Berechnung der Länder würden diese nämlich durch neue Aufgaben (etwa durch die Kosten für Landeslehrer, Spitäler oder Pflege) weniger Geld zur Verfügung haben als gedacht. Pühringer sprach von einem „grauen Finanzausgleich“, sodass man de facto nun nur noch 20,8 Prozent der Steuersumme bekomme. Laut dem Schlüssel stehen den Ländern 22, den Gemeinden elf und dem Bund 67 Prozent zu. Der graue Finanzausgleich führt laut Pühringer dazu, dass die Länder 1,5 bis zwei Milliarden Euro weniger Geld hätten.

Auch in der Asylfrage soll nun etwas Entspannung eintreten. Alle Länder würden jetzt zumindest zwischen 90 und 100 Prozent der Quote erfüllen, sagte Innenminister Johanna Mikl-Leitner, die an der Landeshauptleutekonferenz teilnahm. Wien, das die Vorgaben bisher stark übererfüllt hat liege jetzt „nur“ noch bei 110 Prozent der Quote. Auch aus dem Kosovo kämen nach einer Aufklärungskampagne Österreichs vor Ort nur noch 20 statt 500 Asylanträge pro Woche. Ein wachsendes Problem ist beim Asylbereich aber die Zahl unbegleiteter Minderjähriger, die von knapp unter 1000 im vergangenen Jahr auf nun über 2300 stieg. Viele von ihnen sind in Traiskirchen, nun sollen die jungen Asylwerber besser auf die Bundesländer verteilt werden. Und man müsse mit weiteren Migrationsströmen aus Krisenregionen rechnen, so Mikl-Leitner.

Solidarität der Länder mit Kärnten

Solidarität bekundeten die Länder mit Kärnten, das im Zuge der Finanzprobleme (Stichwort: Hypo) Hilfe vom Bund einforderte. Kärntens Landeschef Peter Kaiser erklärte gegenüber seinen Kollegen aber, dass Kärnten „im Rahmen seiner Möglichkeiten“ den Schaden für die Steuerzahler so gering wie möglich halten möchte.

Zudem betonten die Länder, das Thema Steuerhoheit (also, ob die Länder eigenverantwortlich Steuern einheben sollen) mit dem Bund diskutieren zu wollen – aber nur, ob ja oder nein. Eine Alibilösung werde es nicht geben, sagte Pühringer. Und auch Pröll tat kund, von Ideen wie etwa einer geteilten Einkommensteuer (einen Teil hebt der Bund ein, einen zusätzlichen Teil die Länder in beliebiger Höhe) wenig zu halten.

Diese Idee hegen hingegen die Neos rund um Strolz. Er verließ St. Pölten übrigens, ohne einen Landeshauptmann zu Gesicht bekommen zu haben. Aber auch wenn Niederösterreich nun rechtliche Folgen für Strolz prüfen sollte, kommt dieser mit seinem Thesenanschlag wohl besser weg als einst Luther: Dieser ist nach dem Reichstag zu Worms für vogelfrei erklärt worden (jeder hätte ihm etwas antun dürfen). Ein Schicksal, das Strolz – Immunität hin oder her – seitens des Landtags zu St. Pölten wohl nicht droht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2015)

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