Ausbildung: Pflegepersonal zeigt der Regierung Rote Karte

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Vor der heurigen Serie an Landtagswahlen spitzt sich der Kampf um eine Reform und Geld für Pflegekräfte zu. Gewerkschaft und Pflegedirektoren legen sich mit Gesundheitsministerin Oberhauser an und warnen vor Verzögerungen.

Wien/Salzburg. Die Auseinandersetzungen um die reduzierten Arbeitszeiten für Spitalsärzte sind vor allem in Wien noch keineswegs ausgestanden, da verschärft sich jetzt an einer zweiten Front im Gesundheitswesen die Situation drastisch. Es geht um die Ausbildung und Entlohnung des Pflegepersonals. Die Pflegedirektoren und die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten erhöhen den Druck auf die zuständigen Politiker auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene. Einmütig warnen sie davor, dass die bis zum heurigen Sommer versprochenen Neuerungen im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) „auf die lange Bank geschoben werden“.

Vor dem Hintergrund der wachsenden Herausforderungen bei der Pflege in Österreich rückt damit am Internationalen Tag der Pflege heute, Dienstag, die Diskussion um die künftig bessere Ausbidung tausender teils diplomierter Pflegekräfte und deren höhere Entlohnung politisch in den Mittelpunkt. Diese Weichenstellungen sind entscheidend, weil in den kommenden Jahren der Bedarf an Pflegepersonal deutlich steigt. So werden etwa allein in Salzburg laut aktuellen Prognosen bis 2020 rund 600 diplomierte Pflegebedienstete und 300 Pflegehelfer zusätzlich gebraucht, um die Arbeit in Pflegeheimen, Spitälern und in der Hauskrankenpflege zu bewältigen.

Vor Rückkehr Oberhausers

Gefordert ist vor allem Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ), die auf ÖVP-Seite mit Gesundheitssprecher Erwin Rasinger den Entwurf für eine Reform der Gesundheits- und Krankenpflege ausarbeiten muss, wenngleich in der Regierung formal Justizminister Wolfgang Brandstetter als Spiegelminister das ÖVP-Gegenüber ist. Rasinger ist um eine möglichst rasche und für Betroffene zufriedenstellende Neuregelung der Ausbildung bemüht. Die Gesundheitsminsterin musste sich allerdings wegen ihrer Krebserkrankung eine Auszeit nehmen. Heute, Dienstag, könnte Oberhauser laut Auskunft ihres Ressorts die Arbeit, die sie zuletzt teilweise daheim erledigt hat, wieder von ihrem Ministerium aus aufnehmen.

Karl Schwaiger, Pflegedirektor am Krankenhaus Hallein und zugleich Vorsitzender der Pflegedirektoren in Österreich, wird trotz dieses menschlich berührenden Schicksals der Ministerin zusehends ungeduldig. Er befürchtet, dass sich das bis zum Sommer versprochene neue Gesetz verzögern wird.

Den Verantwortlichen in Bund, Ländern und Gemeinden, „die die nötige Entwicklung in der Gesundheits- und Krankenpflege behindern“, werde deswegen jetzt symbolisch die Rote Karte gezeigt, wie er der „Presse“ mitteilte. Seine Begründung: Es sei notwendig, „die Verunsicherung bei den Pflegekräften zu beenden“, um künftig ausreichend Bewerberinnen und Bewerber für den gehobenen Pflegedienst zu haben. Daher müsse das neue Berufsgesetz „so rasch als möglich beschlossen werden“, verlangt Schwaiger. Vor allem müssten auch die Finanzierung der weiteren Ausbildungsplätze von der Pflegehilfe zum Diplom und die notwendigen Mittel für das Arbeitsmarktservice (AMS) für Berufsumsteiger, die im zweiten Bildungsweg zur Pflegekraft umsatteln, bereitgestellt werden.

Druck für „faire Entlohnung“

Besonders bemerkenswert ist, dass die Gesundheitsministerin aus den eigenen Gewerkschaftsreihen nun verstärkt unter Druck gerät. Die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten, aus der die Ärztin Oberhauser selbst kommt, drängt zur Eile. Gewerkschaftsvorsitzender Christian Meidlinger, der wie Oberhauser Wiener und SPÖ-Politiker ist, erklärte am Wochenende wortident wie die Pflegedirektoren, die Reform der Gesundheits- und Krankenpflege sei ein wesentlicher Bestandteil der Gesundheitsreform und „darf nicht länger auf die lange Bank geschoben werden“.

Vordringlich ist aber auch das Gehalt. Nachdem die Vertreter der Gemeindebediensteten im Gegensatz zur Wiener Ärztekammer die Lösung der Stadt Wien für die Spitalsärzte nach der Reduktion der Arbeitszeiten akzeptiert hat, rüstet die Gewerkschaft nun für Verhandlungen für den Pflegesektor. Dieses Personal müsse ebenfalls „fair entlohnt“ werden, es dürfe nicht auf diese Gruppe „vergessen“ werden, weil auch Tätigkeiten und Verantwortung dieser Berufsgruppe ausgeweitet werden. Höhere Grundgehälter für die Ärzte und keine monetäre Verbesserung für die Pflegekräfte „werden wir bestimmt nicht akzeptieren“, warnte Meidlinger die Stadt Wien.

Klärung bis zum Sommer?

Die Kraftprobe wird nicht nur vor der Gemeinderatswahl am 11. Oktober in Wien zu einem wichtigen Wahlkampfthema. In Oberösterreich, wo am 27. September gewählt wird, ist die Situation ähnlich. Dort hat Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) im März nach dem Pakt mit den Spitalsärzten Verhandlungen über höhere Gehälter für das Pflegepersonal aufgenommen und eine Lösung bis zum Sommer und damit vor der Wahl versprochen.

In Oberösterreich verweisen Gewerkschafter und Betriebsräte auf deutlich höhere Gehälter in anderen Bundesländern. Für die Länder, die ohnehin mit steigenden Kosten im Sozialwesen kämpfen, geht es umgekehrt darum, die Mehrkosten durch höhere Löhne für das Pflegepersonal möglichst gering zu halten.
Die Pflege wird beim ÖVP-Bundesparteitag am Dienstag ebenfalls Thema. Der ÖVP-Seniorenbund verlangt mittels Antrags eine jährliche Erhöhung des Pflegegeldes. Eine eigene Pflegeversicherung wird abgelehnt.

Auf einen Blick

Pflegeausbildung. Bis zum heurigen Sommer wurde eine Gesetzesreform in Aussicht gestellt. Jetzt wächst die Sorge vor Verzögerungen. Zuständig ist Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ). Gewerkschafter, voran die Gemeindebediensteten, fordern in Wien, aber auch in Ländern wie Oberösterreich höhere Löhne für Pflegepersonal, weil es mehr Tätigkeiten und Verantwortung übernehmen müsse.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2015)

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