ÖVP-Parteitag: Programm und Anträge im Detail

Die wichtigsten Inhalte des neuen ÖVP-Parteiprogramms- und Statuts sowie die ergänzenden Anträge dazu, die beim Parteitag am Dienstag in der Hofburg aus unterschiedlichen Teilen der Partei eingebracht werden sollen.

GRUNDSÄTZE

Die ÖVP formuliert in ihrem neuen Programm sieben Kernwerte - Freiheit, Verantwortung, Nachhaltigkeit, Leistung, Solidarität, Subsidiarität und Gerechtigkeit. Ihr "Denken" definiert sie als "christlich-sozial, konservativ und liberal" mit einem Fokus auf "mehr Partizipation, Eigenverantwortung und einen differenzierten Gerechtigkeitsbegriff".

Anträge dazu:

- Die steirische VP, die im eigenen Bundesland gemeinsam mit dem Koalitionspartner SPÖ eine selbst ernannte "Reformpartnerschaft" gebildet hat, stellt einen Antrag auf ein "Anreizsystem für Reformen". Wie dieses genau aussehen soll, steht im Antrag nicht. Es ist lediglich davon die Rede, dass die Menschen ermutigt werden sollen "von Reformen nicht nur zu sprechen, sondern anzupacken, sie Realität werden zu lassen".

- Der Wirtschaftsbund beantragt ein Recht auf Selbstständigkeit. Der Kernpunkt dieses Antrags ist die Forderung, dass eine Zwangsumstellung in die Unselbstständigkeit, wie sie derzeit durch die Gebietskrankenkasse möglich ist, nicht mehr gegeben ist.

DEMOKRATIE UND STAAT

Die ÖVP will eine Umstellung des derzeitigen Verhältniswahlrechts auf ein mehrheitsförderndes Wahlrecht. Ein konkretes Modell wird im Parteiprogramm allerdings nicht formuliert. Außerdem soll das System der repräsentativen Demokratie um moderne Mitbestimmungs- und Partizipationsformen ergänzt werden.

Anträge dazu:

- Die Junge ÖVP bringt einen Abänderungsantrag für ein minderheitenfreundliches Mehrheitswahlrecht ein, wonach die stimmenstärkste Partei die Hälfte der Mandate minus eins bekommt. Dadurch sollen die Kleinparteien gestärkt werden, da die erstplatzierte Partei zur Mehrheitsbildung auf die Unterstützung einer weiteren Partei angewiesen wäre.

- Der Wirtschaftsbund beantragt eine Auslaufklausel für Gesetze und Verordnungen ("Sunset-Legislation"). Demnach sollen Gesetze und Verordnungen innerhalb von fünf Jahren auf ihre Sinnhaftigkeit und ihr Deregulierungspotenzial hin überprüft werden. Liegen keine Gründe für die Beibehaltung der Maßnahmen vor, treten diese automatisch außer Kraft.

- Die oberösterreichische VP verlangt nach Vorbild aus dem eigenen Land Maßnahmen zur Deregulierung, etwa eine Verfahrenskonzentration bei Mehrfachzuständigkeiten, eine Minimierung von Meldepflichten und eine Verlängerung (behördlicher) Kontroll- und Überprüfungsfristen.

- Die Beamten im ÖAAB fordern ihrerseits eine Verwaltungsmodernisierung und die Beibehaltung von Kernleistungen des Staates wie Wasserversorgung, Gesundheit, Bildung und Sicherheit in öffentlicher Hand. Sie verlangen in ihrem Antrag außerdem, dass "die unsachlichen und populistischen Angriffe gegen den Öffentlichen Dienst eingestellt" werden.

- Der ÖAAB fordert weiters unter dem Titel "Sicherheits-Agenda" eine Weiterentwicklung der Sicherheitspolitik, bei der neue Herausforderungen in den Bereichen Extremismus und Terrorismus, Daten- und Informationssicherheit, Cyber-Sicherheit, Cyberkriminalität, Schutz kritischer Infrastrukturen, illegale Migration, international agierende Kriminalität und Korruption sowie natürliche oder vom Menschen verursachte Katastrophen berücksichtigt werden.

- Die Junge ÖVP beantragt eine Senkung der Zahl der Untauglichen, damit mehr junge Leute einen "Dienst an Österreich" leisten, sowie eine Weiterentwicklung des Grundwehrdienstes.

GESELLSCHAFT UND GENERATIONEN

In der Sozialpolitik will die ÖVP Selbstbehalte im Gesundheits- und Sozialbereich einführen, um die Eigenverantwortung zu fördern. Gesellschaftspolitisch definiert sie Familien mit Kindern (Vater, Mutter, Kind) als ihr "Leitbild", sie legt aber fest, dass sie auch andere Formen des Zusammenlebens respektiert und anerkennt. Weiters spricht sich die ÖVP für eine anonymisierte Abtreibungsstatistik aus. Im Bildungsbereich bekennt sich die ÖVP zum Gymnasium und fordert Sanktionen für jene, die die Zukunftschancen ihrer Kinder nicht unterstützen und zusätzliche Bildungsmaßnahmen für sie ablehnen. In Sachen Integration will die ÖVP strenger gegen jene vorgehen, "die sich gegen die in der Verfassung verankerten Werte stellen". Sie sollen keine Sozialleistungen erhalten.

Anträge dazu:

- Der ÖAAB wünscht sich eine Reform der in der ÖVP von Beginn an umstrittenen Mindestsicherung. Demnach soll der Bezug der Sozialleistung stärker kontrolliert und der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt stärker gefördert werden.

- Die oberösterreichische Volkspartei beantragt Maßnahmen zur dauerhaften finanziellen Absicherung der Pflege - "entweder indem der Pflegefonds über 2018 hinaus verlängert wird oder in anderer Form, die aber die finanzielle Leistungsfähigkeit der Länder und Gemeinden im Bereich Pflege nicht über das derzeitige Ausmaß hinaus belasten darf".

- Auch der Seniorenbund verlangt, dass der Pflegefonds nach 2018 mit Steuermitteln finanziert und das Pflegegeld jährlich an die steigenden Pflegekosten angepasst wird.

- Die Junge ÖVP wiederum fordert einmal mehr, dass das gesetzliche Pensionsantrittsalter an die Lebenserwartung angepasst wird, der Pensionsantritt durch ein Bonus-Malus-System flexibilisiert und Frühpensionierungen gebremst werden.

- Auch der ÖAAB und der Seniorenbund stellen Anträge in Sachen Pensionen. Der Arbeitnehmerbund wünscht sich Maßnahmen, um das staatliche Pensionssystem zu sichern. Der Seniorenbund verlangt u.a., dass die Pensionsbeiträge für erwerbstätige Alterspensionisten abgeschafft werden, Pensionisten einen Rechtsanspruch auf Rehabilitation und deutlich reduzierte Preise für die öffentliche Verkehrsmitteln erhalten.

- Die Junge ÖVP spricht sich im Bereich Bildung für die Einführung eines zweiten verpflichtenden Kindergartenjahres für alle jene, die es brauchen, aus. Schüler mit schlechten Deutschkenntnissen sollen vor Eintritt in den Regelunterricht entweder in eigene Vorschulklassen oder in eigene Deutschklassen kommen. Für alle jenen, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen, soll es einen verpflichtenden Ethikunterricht geben.

- Die ÖVP-Frauen verlangen in ihren Anträgen zum Thema Gesundheit Rehabilitationsmöglichkeiten für Kinder, Maßnahmen zur Früherkennung von Osteoporose sowie zur gendergerechten medizinischen Vorsorge. In einem weiteren Antrag verlangten sie, dass die Zuverdienstgrenze beim Bezug des Kinderbetreuungsgeldes abgeschafft wird und Kindererziehungszeiten und Pflegekarenzen besser für die Pension angerechnet werden.

LEBEN UND UMWELT

Die ÖVP plant in ihrem Programm Schritte, um ihre Schwächen bei Wahlen im urbanen Raum zu beseitigen. So werden ein "Büro für Städtepolitik", ein Netzwerk der ÖVP-Stadtparteien und ein ÖVP-Städtesprecher geschaffen.

Anträge dazu:

- Der Bauernbund stellt wiederum einen Antrag auf Maßnahmen, damit der ländliche Raum weiterentwickelt und attraktiviert sowie bäuerliche Betriebe erhalten werden können.

- Die burgenländische und die steirische VP verlangen eine Neuaufteilung der Mittel aus dem Finanzausgleich. Konkret soll der "abgestufte Bevölkerungsschlüssel", der größere Städte und Gemeinden bevorzugt, aufgehoben werden.

- Der Seniorenbund stellte einen Antrag auf Erhalt der Hausapotheken sowie auf ein Stimmrecht der Seniorenvertreter in der Krankenversicherung und einen Ausbau der Versorgung mit Palliativ- und Hospizangeboten.

ÖKOSOZIALE MARKTWIRTSCHAFT

Anträge dazu:

- Die Junge ÖVP verlangt, dass die Digitalisierung rascher vorangetrieben wird, u.a. durch Wirtschaftsförderungen in diesem Bereich sowie den Einsatz von Informationstechnologie in allen Unterrichtsbereichen und Lernfeldern.

- Der Wirtschaftsbund und der Bauernbund stellen einen Antrag zum Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP). Darin fordern sie u.a., dass bei sensiblen landwirtschaftlichen Produkten Importkontingente eingeführt werden. Insbesondere bei Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch, Eiprodukten, Getreide, Stärke, Zucker, Bioethanol und Biodiesel dürfe es zu " keinem ungebremsten Freihandel" kommen. Sollte der heimischen Lebensmittelproduktion durch den Anstieg der Einfuhren einer bestimmten Ware ein erheblicher Schaden drohen, sollen Schutzklauseln zum Greifen kommen.

- Die oberösterreichische VP setzt sich für Maßnahmen zur Schaffung eines investitionsfreundlichen Klimas ein.

- Der ÖAAB verlangt Schritte, um Arbeitszeitflexibilität und Beschäftigungssicherheit in Einklang zu bringen (Stichwort: "Flexicurity").

EUROPA UND DIE WELT

In der Außenpolitik spricht sich die ÖVP für die Schaffung einer EU-Armee aus.

Anträge dazu:

- Der ÖAAB stelle einen Antrag für eine Agenda zur internationalen Zusammenarbeit mit den Kernthemen "Friedenssicherung, Armutsbekämpfung und Umweltschutz" sowie einen Antrag, wonach Europa als Friedensprojekt mit dem System einer ökosozialen Marktwirtschaft ausgebaut werden soll.

ORGANISATIONSSTATUT

Was die Partei selbst betrifft, will die ÖVP den Frauenanteil in den Organen und Gremien anheben. Deswegen soll eine 40-Prozent-Quote in allen gewählten Gremien eingeführt und zumindest bei Bundeswahlen - auf Bundes- wie auch auf Landeslisten - ein Reißverschlusssystem eingeführt werden. Dieser Wechsel zwischen weiblichen und männlichen Kandidaten könnte allerdings durch die ebenfalls geplante Einführung eines Vorzugsstimmensystems unterlaufen werden, denn dieses könnte die Listen durch das Vorreihen stimmenstarker Kandidaten durcheinanderbringen.

Eine weitere Änderung betrifft den Bundesparteivorstand, das formal wichtigste Entscheidungsgremium der Partei. Dieser wird von aktuell fast 40 Personen auf rund 20 halbiert. Künftig werden dort neben dem Parteichef, seinen Stellvertretern, dem Generalsekretär und dem Klubobmann nur mehr die Obleute der Landesparteien und Teilorganisationen vertreten sein. Ihren Sitz im Vorstand verlieren die Minister, Nationalratspräsidenten, EU-Fraktionsführer sowie Vertreter von Gemeinde- und Städtebund.

(APA)

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