Zeltstädte: Mikl-Leitner kritisiert "Sprücheklopfer"

In Österreich werden Zelte für Flüchtlinge aufgebaut (im Bild in Salzburg). Die Bürgermeister rund um das Erstaufnahmezentrum Thalgau kritisieren eine weitere Belastung.
In Österreich werden Zelte für Flüchtlinge aufgebaut (im Bild in Salzburg). Die Bürgermeister rund um das Erstaufnahmezentrum Thalgau kritisieren eine weitere Belastung.(c) APA/FRANZ NEUMAYR
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Man befinde sich bei der Asylunterbringung in einer Ausnahmesituation, betont die Ministerin. Die Länder wollen rund 1000 zusätzliche Plätze bereitstellen. Kritik kommt von Hilfsorganisationen.

Die Länder wollen etwas mehr als 1000 zusätzliche Plätze für Asylwerber bereitstellen. Das ist das einzige konkrete Ergebnis des heutigen Krisengipfels. Das Innenministerium bleibt bei seiner Notlösung, einige Flüchtlinge vorübergehend in Zelten unterzubringen.

Vertreter der Ministerien sowie der Hilfsorganisationen sprachen nach dem rund dreistündigen Treffen im Innenministerium von einem konstruktiven Klima. An den jeweiligen Standpunkten hat sich allerdings nichts geändert. So kritisierten etwa Caritas und Diakonie weiterhin, dass die derzeitige Asylsituation durch ein systematisches Problem verursacht sei. Vor allem die Tagsätze bei der Unterbringung gehörten erhöht. Zudem gebe es weiterhin genügend freie Plätze für Asylbewerber.

Das Innenministerium lässt das nur bedingt gelten. Es komme auch auf die unterschiedlichen Anforderungen an, argumentierte der Ministeriumsvertreter Peter Webinger. So brauche es etwa für Familien eigene Unterkünfte, man könne diese nicht etwa mit alleinstehenden Männern gemeinsam unterbringen. "Das ist der Unterschied zwischen Theorie und Praxis", so der Vertreter des Innenministeriums. 

"Explosionsartiger Anstieg" der Flüchtlingszahlen

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) war - entgegen anders lautender Ankündigungen - doch zu dem Gipfel erschienen. In ihrem Eingangsstatement rechtfertigte sie die Errichtung von Zeltstädten durch einen "explosionsartigen Anstieg" der Flüchtlingszahlen in den vergangenen Tagen. Die Zeltstädte - wie etwa jene in der Stadt Salzburg -  für die Asylwerber seien "als letzte Option" zu sehen, um die Kriegsflüchtlinge "vor Obdachlosigkeit zu schützen".

In einer Stellungnahme gegenüber der Austria Presse Agentur attackierte Mikl-Leitner nach dem Gipfel ihre Kritiker: "Offenbar ist jetzt die Zeit der großen Sprücheklopfer, eigentlich sollte aber die Zeit der konkreten Quartiervorschläge sein", erklärte sie. Bis jetzt sei aber wenig zu erkennen. "Da wird von manchen Realitätsverweigerung betrieben, die einfach nur unfassbar ist", so Mikl-Leitner. "Wenn manche meinen, wir hätten keine Ausnahmesituation bei der Asylunterbringung, dann leben sie vielleicht auf einem anderen Stern, aber sicher nicht in Österreich."

Kritik von Rotem Kreuz und Caritas

Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner erklärte nach dem Krisengipfel, die derzeitige Flüchtlingswelle aufgrund des Bürgerkriegs in Syrien sei lange absehbar gewesen. Er kritisierte auch, dass lediglich 20 Prozent der Gemeinden Asylwerber untergebracht hätten. "Wir wünschen uns als Caritas, dass die Zelte besser heute als morgen abgebaut werden", betonte er abermals.

Auch Werner Kerschbaum, Generalsekretär des Roten Kreuzes, betonte, dass die Zeltstädte kein Wunschszenario seien und am besten gar nicht besiedelt werden sollten. "Das gefällt mir nicht", für den Notfall habe man dies aber zu akzeptieren. Zuversichtlich zeigte er sich bezüglich der mehr als 1000 von den Ländern angebotenen Plätze zur Unterbringung von Flüchtlingen, auch wenn man dringend eine Dauerlösung brauche. Kerschbaum erinnerte auch daran, dass es in Österreich leer stehende Kasernen gebe.

SP-Verteidigungsminister Gerald Klug hat dazu bereits den Auftrag erteilt, "zu prüfen, welche unserer Liegenschaften für die Unterbringung infrage kommen", wie er in einer schriftlichen Stellungnahme mitteilte. "Sollte es Ländern, Gemeinden und dem Innenressort nicht möglich sein, ausreichend Kapazitäten für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen, sind wir bereit, erneut Kasernen als Übergangslösung anzubieten", heißt es darin.

Bürgermeister wollen Ministerin sprechen

Die Bürgermeister der drei Attergau-Gemeinden haben die Errichtung einer Zeltstadt für Flüchtlinge in der Ortschaft Thalham in St. Georgen in einer gemeinsamen Pressekonferenz am Freitag weiter vehement abgelehnt. Sie planen eine nicht näher beschriebene öffentliche Veranstaltung für kommende Woche. Weiters fordern sie: "Wir wollen ein Treffen mit der Innenministerin".

Die Bürgermeister Ferdinand Aigner aus St. Georgen, Ernst Pachler aus Berg und Markus Bradler aus Straß (alle ÖVP) sowie die Gemeindevorstände oder Fraktionsobmänner aller Parteien im Gemeinderat von St. Georgen - ÖVP, Freiheitliche, SPÖ und Grüne - kritisierten, dass sie von einem Mitarbeiter des Innenministerium Donnerstagvormittag über die Errichtung des Zeltlagers in der Erstaufnahmestelle Thalham informiert worden seien. Der erbetene Rückruf von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sei bis Freitagvormittag nicht erfolgt.

"Nicht alles einer Region aufbürden"

Die kommunalen Volksvertreter zeigten Verständnis für das Los der Flüchtlinge und dass ihnen geholfen werden müsse. Aber man könne nicht alles einer Region aufbürden. Auch andere Gemeinden sollten ihren Beitrag leisten. Leer stehende Kaserne, andere Gebäude des Bundes sowie Firmengebäude könnten für die Unterbringung verwendet werden. Das sei menschenwürdiger als Zeltstädte.

Im Attergau habe man gelernt mit der Erstaufnahmestelle (EAST) in Thalham umzugehen. Die vereinbarte Belegung mit 120 Personen sei gerade noch verträglich. Doch gebe es laufend eine Überbelegung mit bis zu 200. Nun sollen weitere 100 dazukommen. Thalham habe schon jetzt weniger Einwohner als Flüchtlinge. St. Georgen mit seinen insgesamt an die 4.400 Einwohnern sei nicht vergleichbar mit Salzburg oder Linz, die auch jeweils zusätzlich 100 Flüchtlinge in Zelten aufnehmen.

Protest, aber "nichts Radikales"

Bürgermeister Aigner will sich noch mit seinen Politikerkollegen beraten, aber er kündigte für kommende Woche eine nicht näher beschriebene öffentliche Veranstaltung an. "Nichts Radikales, aber die Bevölkerung erwartet, dass wir ein Zeichen setzen". Außerdem fordert er Treffen mit der Innenministerin. In St. Georgen oder in Wien?: "Uns ist alles recht - wir wollen mit ihr reden." Außerdem will er mit dem Gemeindearzt überprüfen, ob in der EAST die sanitäts- und hygienerechtlichen Bestimmungen eingehalten werden. Er habe sich bei der Bezirkshauptmannschaft erkundigt und dort die Auskunft bekommen, dass der Arzt das Recht dazu habe.

(APA)

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