Kasernen statt Zelte: Länder legen sich quer

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ARCHIVBILD: ASYL / KLUG BIETET 150 PL�TZE SOFORT, 650 IN DER FOLGE(c) APA/FRANZ NEUMAYR (FRANZ NEUMAYR)
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Rund 800 Asylwerber könnten in den kommenden Wochen in militärischen Liegenschaften untergebracht werden – wenn die zuständigen Gemeinden ihre Zustimmungen geben würden. Das zeichnet sich aber nicht ab.

Wien. Jetzt wird sogar der Platz in den Zelten knapp: In Salzburg sind die improvisierten Notquartiere mit 96 Flüchtlingen ausgelastet. Und in den anderen beiden Zeltstädten (in Linz und Thalham) stehen nur noch leere Betten für jeweils 30 Menschen bereit.

Umso dringlicher appellierte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Dienstag an die Bundesländer, fixe Plätze für Asylwerber bereitzustellen. Seitdem die Ressortchefin in der Vorwoche die Notunterkünfte hat aufstellen lassen, stellt sich die Frage: Ist es notwendig, dass in Österreich Flüchtlinge in Zelten schlafen müssen?

Die Antwort darauf lieferte am Dienstag – indirekt – das Verteidigungsministerium. Ebenfalls als Notmaßnahme könne man Plätze in Kasernen bzw. Arealen des Bundesheers anbieten, so der Vorschlag. Über die nächsten Monate könnten 1150 Menschen unterkommen. Zumindest in der Theorie: Bevor eine Liegenschaft nicht-militärisch genutzt werden darf, muss der jeweilige Bürgermeister seinen Sanktus geben. In der Kaserne Linz-Ebelsberg scheiterte eine solche Notunterkunft für Flüchtlinge bereits an Stadtchef Klaus Luger (SPÖ). Und auch gestern, Dienstag, formierte sich in betroffenen Ländern und Gemeinden Widerstand.

(C) DiePresse

Kurz- und langfristig: Die Angebote

Laut Vorschlag von Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) könnte man als „Sofortvariante“ die Tilly-Kaserne in Freistadt (Oberösterreich) als Quartier nutzen: Derzeit sind dort bereits 100 Menschen untergebracht. Der Vertrag mit dem Innenressort, der Ende Mai ausläuft, könnte verlängert – und um zusätzliche 50 Plätze erweitert werden. Auch in der Kaserne in Bleiburg (Kärnten) könnte man bis August 100 Menschen unterbringen.

In Liegenschaften, die in den kommenden Jahren verkauft werden, könnte auch bald Platz geschaffen werden: Das Verteidigungsressort bietet ab Sommer die Kasernen im Tiroler Vomp (150 Personen), im Salzburger Tamsweg (150 Personen) und im niederösterreichischen Horn (400 Personen) an. Bei letzterer Liegenschaft muss die Grundwehrdiener-Ausbildung der Garde an einen anderen Standort verlegt werden.

Außerdem könnten Wohncontainer aufgestellt werden. 350 Menschen könnten so in Kasernen in Fehring (Steiermark), Villach (Kärnten), Hörsching (Oberösterreich), Götzendorf (Niederösterreich) und an den Standorten in Vomp und Tamsweg sowie am Truppenübungsplatz Bruckneudorf (Burgenland/Niederösterreich) Unterkunft finden.

Bisher gab es zu den Plänen aus den Ländern und Gemeinden allerdings nur eine positive Rückmeldung. Und zwar aus Freistadt von Bürgermeister Christian Jachs (ÖVP). Dass seine Gemeinde in Zukunft 150statt 100 Flüchtlingen Unterkunft gewähren wird, ist für ihn kein Problem. In den anderen Ortschaften ist der Protest allerdings groß. Der Vomper Bürgermeister, Karl-Josef Schubert (ÖVP), kündigte gegenüber der Austria Presseagentur „schärfsten Widerstand“ an. In Bleiburg will Bürgermeister Stefan Visotschnig (SPÖ) um den „Erhalt der Kaserne“ kämpfen.

Mikl-Leitner: „Hickhack unerträglich“

Unterstützung bekommen die Gemeinden vom Kärntner Landeshauptmann, Peter Kaiser (SPÖ), der Kasernen als Unterkunft für traumatisierte Flüchtlinge ablehnt. Auch der Salzburger Wilfried Haslauer (ÖVP) will Tamsweg weiter militärisch nutzen.

Nach Kritik aus den Bundesländern (vor allem von der grünen Landesrätin Martina Berthold aus Salzburg) meldete sich Mikl-Leitner zu Wort: „Dieses Hickhack zwischen Bund und Land ist unerträglich“, sagte sie zur „Presse“. Wenn Landesräte ihre Kompetenzen nicht wahrnehmen möchten, müssten sie es nur sagen. „Wir haben die Kompetenzen schon einmal in einer Hand gehabt.“ Jetzt würden die Angebote des Heers auf dem Tisch liegen. „Es ist Aufgabe der Länder, mit den Gemeinden Gespräche zu führen“, sagt sie. Sobald ein Asylverfahren laufe, seien die Länder für Flüchtlinge zuständig.

Und die Bundes-SPÖ? Dort wurde zwar am Dienstag lobend hervorgestrichen, dass Klug nun doch Pläne vorgelegt hat. Am Rande des Ministerrats war dennoch unüberhörbar, dass die Androhung des Linzer Bürgermeisters, eine Klage bei der Nützung der Kaserne in Linz-Ebelsberg einzureichen, auf Unverständnis gestoßen ist. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder wurde am deutlichsten: Das sei ein Thema, bei dem die SPÖ aus Sorge etwa vor der FPÖ – wie in Oberösterreich vor der Landtags- und Gemeinderatswahl am 27.September – „vor niemandem in die Knie gehen darf“. „Es ist seine Haltung“, sagte Werner Faymann zu Luger. Linz habe allerdings in Summe schon mehr Flüchtlinge untergebracht. Faymann warnte aber davor, sich „Illusionen“ hinzugeben: Der Asylansturm werde nicht weniger werden.

AUF EINEN BLICK

Fixe Unterkünfte für Asylwerber sind derzeit in Österreich knapp. In den überfüllten Erstaufnahmezentren in Traiskirchen und Thalham warten Flüchtlinge darauf, ein fixes Quartier zu bekommen. Auch wenn es die Betreuungsquote für Flüchtlinge offiziell nicht mehr gibt, wird im Hintergrund über säumige Bundesländer Buch geführt. Ergebnis: Wien (111,9 Prozent), Niederösterreich (100Prozent) und die Steiermark (100,6 Prozent) kommen ihren Pflichten nach. Auch das Burgenland (98,3 Prozent), Oberösterreich (97,2 Prozent) und Tirol (95 Prozent) liegen gut. Vor allem Kärnten (91,1Prozent), Salzburg (91 Prozent) und Vorarlberg (89,2 Prozent) haben Aufholbedarf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2015)

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