Die Innenministerin will mit der Novelle die "ständigen Streitereien" über die Verteilung von Flüchtlingen in den Bundesländern beenden. Die Opposition übt Kritik am "ewigen Flickwerk".
Mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Team Stronach ist am Donnerstag im Nationalrat eine Änderung des Asylsystems beschlossen worden. Künftig werden dadurch Erstabklärungen auch in den Außenstellen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vorgenommen, wodurch man sich eine Entlastung der Erstaufnahmezentren Traiskirchen und Thalham sowie eine bessere regionale Verteilung der Flüchtlinge erhofft.
Abgeändert wurde noch jener Passus, wonach Asylwerber aus der Grundversorgung fliegen können, wenn ihre Anträge nach Ablehnung in erster Instanz von der zweiten keine aufschiebende Wirkung erhalten. Nun soll zumindest eine Basisversorgung sichergestellt sein. Konkreteres wurde im Antrag der Koalition allerdings nicht ausgeführt
Hintergrund ist die steigende Zahl der Asylanträge in Österreich: Beantragten im Vorjahr rund 28.000 Personen Asyl in der Republik, gehen Prognosen für 2015 von 50.000 Anträgen aus. „Wir haben in den letzten Wochen sehr viele Quartiere geschaffen, aber wir brauchen noch mehr“, betonte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Donnerstag im Hohen Haus.
„Alleine 2014 gab es in der EU 626.000 Asylanträge, der höchste Wert, der je in einem Jahr verzeichnet wurde“, so die Ressortchefin. „Das heißt, nicht nur Österreich hat eine Ausnahmesituation, sondern ganz Europa.“ Gerade in einer solchen brauche es eine gesamteuropäische Lösung, bei der an erster Stelle die Rettung der Flüchtlinge, an zweiter UNHCR-Anlaufstellen in Nordafrika stehen sollten, „von wo aus die Menschen mittels Verteilerquote auf ganz Europa verteilt werden“. „Nur dann werden wir es schaffen, den Schleppern die Geschäftsgrundlage zu entziehen“, betonte Mikl-Leitner.
Mikl-Leitner: „Permanente Streiterei beenden“
In Österreich sei man schon weiter, verwies die Ministerin auf die Fremdenrechtsnovelle, die einen Verteilungsautomatismus enthält - „damit wir diese permanente Streiterei über die Verteilung der Flüchtlinge in den Ländern beenden und Asylmissbrauch bekämpfen können“. Weiters werde zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen unterschieden, sagte Mikl-Leitner, bevor sie durch laute Rufe und einen Regen von Zetteln („Österreichs Waffen, Österreichs Geld, morden in der ganzen Welt“, war darauf zu lesen) unterbrochen wurde. Zuseher auf der Galerie hatten diese in den Plenarsaal geworfen und skandiert: „Abschiebung ist Mord.“
Wie Mikl-Leitner verteidigte auch SPÖ-Sicherheitssprecher Otto Pendl die „schnellen und qualitativ hochwertigen Asylverfahren“. Der Opposition richtete er aus: „Reden wir nicht etwas schlecht, was in ganz Europa als Vorzeigebeispiel her genommen wird“. Auch zeigte er sich überzeugt, dass Verteilung der Flüchtlinge in Österreich problemlos möglich sein müsse.
Besonders umstritten war schon in der Begutachtung der Ausschluss von in erster Instanz gescheiterten Asylwerbern aus der Grundversorgung, wenn ihre Anträge keine aufschiebende Wirkung erhalten. Zwar hat die Koalition nun mittels Abänderungsantrag sichergestellt, dass es eine gewisse Form der Versorgung gibt. Konkreteres ist da aber nicht ausgeführt. Daher besteht für die Grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun unverändert die Gefahr, dass Flüchtlinge zu Obdachlosen gemacht werden. Auch Neos-Abgeordnete Nikolaus Scherak kritisierte das „ewige Flickwerk“ rund um das Thema Asyl. Immerhin habe man nun bereits die zwölfte Novelle vorliegen.
Freude mit der Situation hat auch Team-Stronach-Mandatarin Kathrin Nachbaur keine. Allerdings ist sie der Meinung, dass „wir uns nicht selbst die Schuld für das unfassbare Leid geben dürfen.“ In erster Linie handle es sich um ein Versagen Afrikas und der „äußerst korrupten Regime" dort. In Österreich aufgenommen werden sollten nur tatsächlich Verfolgte und „beste Köpfe aus aller Herren Länder.“ Mikl-Leitner hielt dazu fest, dass man Schnellverfahren für Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten mit der Novelle nun zur Regel mache.
FPÖ: „Illegalität unter dem Deckmantel von Asyl“
Abseits des zu beschließenden Fremdenrechtspakets stand am Donnerstag auch eine Dringliche Anfrage der FPÖ zum Thema „Asylchaos“ an die Innenministerin am Programm. Diese leitete Parteichef Heinz-Christian Strache mit einem Lob an Österreichs traditionell vorbildliche „Nachbarschaftshilfe“ ein. Heute habe man es jedoch „mit Menschen zu tun, die aus rein wirtschaftlichen Interessen zu uns kommen und nicht, weil sie verfolgt werden“. Als Beispiel nannte er die hohen Zahlen von Asylanträgen aus dem Kosovo. „Unter dem Deckmantel von Asyl wird Illegalität gelebt“, kritisierte Strache.
Innenministerin Mikl-Leitner betonte anschließend, dass sie keine neuen Zelte zur Flüchtlingsunterbringung aufstellen wolle. „Was wir brauchen, sind feste Quartiere", sagte sie. Zu den freiheitlichen Detailfragen meinte sie, dass derzeit 25.228 Asylverfahren anhängig seien, durchschnittlich betrage die Dauer 4,1 Monate. Dem Verfahren entzogen hätten sich in den ersten vier Monaten des heurigen Jahres 2228 Personen. 381 Personen sei 2013 der Asylstatus (bzw. der Status als subsidiär Schutzberechtigte) aberkannt worden. In Zelten untergebracht seien zurzeit (Stichtag 21. Mai) 129 Personen.
Fremdenrechts-Novelle
Die Novelle soll in erster Linie eine Entlastung der Erstaufnahmestellen und eine bessere Verteilung der Flüchtlinge bringen. Ferner darin enthalten ist die Korrektur diverser Schubhaft-Regelungen. Diese dürften zur Folge haben, dass künftig dieses Mittel wieder öfter verhängt wird. Das Innenministerium weist seit längerem darauf hin, dass nach Beschluss der entsprechenden Regelungen auch das derzeit fast nur noch als Flüchtlingsunterkunft genützte Schubhaft-Zentrum in Vordernberg wieder stärker belegt sein wird.
Donnerstagvormittag wurde von der Koalition noch ein Abänderungsantrag zur Novelle vorgelegt. Abgemildert wird dabei der Passus, wonach Asylwerber, die in der ersten Instanz scheitern, die Grundversorgung verlieren, wenn ihrem Antrag keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wird. Nunmehr wird den betroffenen Flüchtlingen doch zumindest eine Basisversorgung zugesichert.
(hell/APA)