Der "Josef II." der Steiermark

Landeshauptmann Franz Voves
Landeshauptmann Franz VovesDie Presse
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In seiner ersten Periode als Landeshauptmann machte er sich einen Namen als Polterer. In seiner zweiten auch einen als Reformer. Wer ist dieser Franz Voves? Und vor allem: Was ist er nun – ein Linker oder ein Rechter?

Harun al-Raschid tat es. Der Kalif von Bagdad mischte sich undercover, als Kaufmann verkleidet, unter die Bürger. Auch Josef II. tat es: Der Habsburgerkaiser erkundete inkognito, was sein Volk so treibt. Auch er ein Mann der Reformen, die von den Untertanen nur widerwillig mitgetragen wurden.

Und ja, auch Franz Voves tut es: Unerkannt, den Kopf in den Händen verborgen, saß er in jenem Grazer Amt, das für Aufenthaltsgenehmigungen zuständig ist. „Es ist erstaunlich, was man dort erlebt.“ Wie Zuwanderer, die Frauen nicht als gleichberechtigt ansehen, mit den Mitarbeiterinnen umspringen würden. Solches habe ihn auch veranlasst, sich stärker in die Integrationsdebatte einzubringen.

Als Voves nach dem Terror von Paris Sanktionen bei Integrationsverweigerung forderte, waren Vertreter der Sozialistischen Jugend außer sich. „Rechte Rülpser“ seien das, und sie empfahlen ihm einen Parteiwechsel. „Ich bin sehr tolerant“, sagt Voves. „Aber Toleranz ist keine Einbahnstraße.“ Man müsse sich auch um die Integrationsunwilligen kümmern. „Sonst steigt das Unbehagen in der Bevölkerung.“

Was ist Franz Voves nun? Ein Linker oder ein Rechter? Hineingeboren wurde er in eine linke Familie, der Vater war Kommunist. Aufgewachsen ist er in der „Puch-Siedlung“ in Graz-Liebenau, der Vater arbeitete bei Steyr-Daimler-Puch, war dort auch Betriebsrat. „Dieses markante Umfeld vergisst man nie“ – so steht es auf der Homepage der Landesregierung, versehen mit einem Foto von „Klein-Pezi“.

Ostblock. Mit dem Kommunismus fing Franz Voves wenig an. Zu trist war das Bild, das sich ihm im Ostblock bei Eishockeyspielen und Trainingslagern bot. Voves spielte bei ATSE Graz, 75 Mal trug er das österreichische Nationaldress. Später studierte er Wirtschaft, brachte es bis zum Finanzvorstand der Merkur-Versicherung. Vom Werdegang ähnelt er Franz Vranitzky. Auch dieser war Sohn eines Kommunisten, Nationalspieler (Basketball) und machte zuerst Karriere in der Wirtschaft.

Voves sei gar kein wirklicher Sozialdemokrat, meint der von Voves im Unfrieden geschiedene, langjährige steirische SPÖ-Landesrat Kurt Flecker. „Das Wichtigste für ihn ist, wenn ihn jemand wie der steirische IV-Präsident dafür lobt, dass er Verständnis für die Wirtschaft hat.“ Wirtschaftskompetenz– damit wolle er wahrgenommen werden. „Den Arbeiterbua, den er so gern hervorstreicht, würde er in Wirklichkeit am liebsten vergessen machen.“

Vor einigen Jahren wurde Voves ganz anders wahrgenommen. Als Linker nämlich. Mit der Neuen Europäischen Wirtschaftspolitik legte er ein Konzept vor, das Vermögensteuern und Verstaatlichungen vorsah. „Das hat er sich von Markus Marterbauer von der Arbeiterkammer schreiben lassen. Er hat halt geglaubt, auch einmal in dieses Horn blasen zu müssen. Aber das war nicht er“, sagt Flecker.

Mit diesem linken Konzept zog sich Voves jedoch den Unmut der „Kronen Zeitung“ zu. „Kernöl-Sozialist“ war noch eine der harmlosen Zuschreibungen. Die „Krone“ kampagnisierte heftig gegen Voves im Landtagswahlkampf 2010. Mittlerweile sieht die Welt anders aus. Vorige Woche bat die „Krone“ Voves händeringend, doch endlich Präsident des maroden österreichischen Eishockeyverbands zu werden: „Herr Landeshauptmann, bitte übernehmen Sie!“

Ambivalent ist auch Voves' Rolle innerhalb der SPÖ. Er war mit Michael Häupl und Gabi Burgstaller einer der treibenden Kräfte hinter der Ablöse Alfred Gusenbauers und der Inthronisierung Werner Faymanns. Heute möchte er mit Faymann nicht mehr viel zu tun haben. Den SPÖ-Bundesvorstand hat er verlassen. Dafür lud er Faymann-Alternative Christian Kern demonstrativ in seine Loge beim Grazer Opernball ein.

Wie „Joschi II.“ Zu Wien ist Voves in guter steirischer Tradition von „Joschi II.“ – ÖVP-Landeshauptmann von 1981 bis 1996 und Sohn des gleichnamigen Landeshauptmanns Josef Krainer (1948 bis 1971) – schon länger auf Distanz. Kopfschüttelnd berichtet er im kleinen Kreis, wie frustrierend das sei mitzuerleben, wie in Bundespartei und in Bundespolitik nichts weiterginge. Daher ziehe er sein Ding in der Steiermark durch. Da ist er dann in seinem Element: Voves, der Pragmatiker mit der Wirtschaftskompetenz, den eigenen Apparatschiks entwachsen. „Ich habe in der Wirtschaft gelernt, konzeptionell zu arbeiten“, erklärte er vorige Woche in der steirischen Wirtschaftskammer.

Franz Voves ist ein Machtpolitiker. Oder wie „Die Zeit“ unlängst schrieb: Man könne sich mit ihm in der Mitte treffen – wenn er bestimmen könne, wo die Mitte liegt. Seine Stärke dabei ist: Er könnte auch loslassen. Er muss nicht. Lang hielt er die Öffentlichkeit und seine eigene Partei hin, ob er überhaupt wieder antreten werde. So kann er – innerlich relativ frei und unbelastet – seinen Weg gehen, ohne groß Rücksicht nehmen zu müssen. Werner Faymann, täglich darum bemüht, seinen Kopf zu retten, hat da sicherlich mehr Stress.

Einen klassischen Wahlkampf macht Voves heuer nicht. Er nützt vielmehr seine Landeshauptmann-Termine. Auch die Gitarre bleibt diesmal meist im Kasten. Auf den Plakaten steht: „Arbeitet für unser Land – nicht für den Applaus“. Oder: „Franz Voves und sein schärfster Kritiker“ (auf dem Bild ist zweimal Voves).

Am Donnerstagabend ist er beim „LH-Stammtisch“ in Leoben. Ein SPÖ-Logo sucht man vergeblich. Voves gibt hier mehr den Conférencier. 200 Stakeholder – wie Voves es nennt –, vom Unternehmer bis zum Feuerwehrkommandanten, sind geladen und sollen ihre Anliegen für die Region vorbringen. Die „Region“ ist nämlich – nach Gemeinde- und Bezirkszusammenlegungen – das neue Zauberwort. Sieben gibt es in der Steiermark. In diese soll nun schwerpunktmäßig investiert werden. „Die Zeit der Gießkanne ist vorbei“, erklärt Voves den Stakeholdern.

Von seiner ersten Periode als Landeshauptmann von 2005 bis 2010 blieb nicht viel mehr als sein Image als Polterer. Einem Unternehmer, der mit Absiedlung drohte, rief er „Nimm a Cola und schleich di!“ nach. Kanzler Gusenbauer, der mit ihm wegen einer Staatssekretariat-Besetzung telefonieren wollte, richtete er während einer Pressekonferenz aus: „Das interessiert mich jetzt nicht.“

Der Polterer ist mehr für die Öffentlichkeit bestimmt. Im persönlichen Umgang spricht Voves eher leise. Durchaus gewinnend im Auftreten, bleibt er doch auch immer auf Distanz. Mit dem Du-Wort geht er für einen Landeshauptmann recht sparsam um.

Beschwörend wird sein Ton, wenn er über seine Reformen redet. In der zweiten Amtszeit wurden Gemeinden und Bezirke zusammengelegt, in der Verwaltung wurde gespart, das Nulldefizit 2015 durchgesetzt. Wenn Schuldenmachen linke Politik sei, dann sei er nicht mit dabei, erklärte er einmal.

Franz Voves, der „Josef II.“ der Steiermark? Abgesehen davon, dass dessen Reformen weitreichender waren, ging dessen Eifer so weit, den Bürgern kirchliche Feiertage, Krippenspiele und andere Vergnügungen zu streichen. So weit würde Voves freilich nie gehen. So viel Populist ist er noch.

Steckbrief

Franz Voves
Geboren am 28.Februar 1953 in Graz. Er war Mittelstürmer in der Eishockey-Kampfmannschaft des ATSE Graz, nahm an 75Spielen für die Nationalmannschaft sowie an sieben Weltmeisterschaften und an den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck teil.

Voves studierte Wirtschaft, begann 1979 in der Merkur-Versicherung und brachte es bis zum Finanzvorstand.

2002 wurde er zum SPÖ-Landesparteivorsitzenden der Steiermark gewählt. 2005 wurde er Landeshauptmann, 2010 trotz Verlusten wiedergewählt.

Kommenden Sonntag, am 31. Mai 2015, stellt er sich erneut der Wahl.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2015)

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