Das Burgenland und die EU: Eine ziemlich schwierige Beziehung

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Kein Bundesland hat vom EU-Beitritt und der Ostöffnung so profitiert wie das Burgenland. Seit 1995 bekam es eine Milliarde Euro an Förderungen. Trotzdem wollen SPÖ und FPÖ den Arbeitsmarkt für EU-Ausländer beschränken.

Eisenstadt. Die dritte Strophe der burgenländischen Hymne „Mein Heimatvolk, mein Heimatland“ enthält zwei in Bezug auf die Geschichte des Landes vielsagende Sätze: „Mit Öst'reichs Länderbunde hält dich verknüpft das Bruderband schon manche gute Stunde. An Kraft und Treue allen gleich, Du jüngstes Kind von Österreich.“

Das Burgenland kam erst 1921, besiegelt durch den Friedensvertrag von St. Germain, zu Österreich. An Treue mag es allen anderen Bundesländern gleich gewesen sein, aber nicht an wirtschaftlicher Kraft. Es war zwar nie ein Armenhaus, aber ein vergleichsweise relativ armes Stück Österreich.

In den vergangenen beiden Jahrzehnten hat sich das grundlegend geändert. Kein anderes Bundesland hat vom EU-Beitritt Österreichs stärker profitiert. Eine knappe Milliarde wurde seit 1995 aus den Töpfen der Union ins Burgenland transferiert. Bund und Land haben die Projekte kofinanziert, was – bis dato – eine Gesamtfördersumme von rund 1,9 Milliarden Euro ergibt (siehe Grafik).

Das Geld floss – vor allem zwischen 1995 und 2006, als das Burgenland noch Ziel-1-Gebiet war – in nahezu alle Bereiche: in die Infrastruktur und in die Bildung, in Industrie und Wirtschaft, in den Tourismus und in die Landwirtschaft, insbesondere den Weinbau, in den Energiesektor und den Kulturbereich. Technologiezentren und Fachhochschulen wurden errichtet, Straßen und Radwege, Thermen und Windräder.

Der Süden hinkt hinterher

Die Auswirkungen sind sicht- und spürbar. Die Wirtschaft wuchs überdurchschnittlich, seit 2001 um 3,2 Prozent pro Jahr. Nach Salzburg war das, gemeinsam mit Oberösterreich und der Steiermark, der höchste Wert. Der Österreich-Schnitt lag im selben Zeitraum bei 2,8Prozent. Beachtliche Steigerungen gab es auch in anderen Statistiken: bei den Jahresbruttobezügen, bei den Nächtigungszahlen, bei der Maturantenquote. Seit zwei Jahren erzeugt das Land dank seiner Windparks außerdem mehr Strom, als es verbraucht.

Allerdings gibt es auch noch einiges zu tun. In der Forschung ist der Aufholbedarf nach wie vor groß. Die Arbeitslosigkeit stieg durch die Krise auch im Burgenland stark an, wiewohl man im April mit einer Quote von 8,4 Prozent noch unter dem Bundesdurchschnitt von 9,1 Prozent bilanzierte.

Und dann wären da noch drei negativ konnotierte Schlagworte, die viel miteinander zu tun haben: das Südburgenland, der öffentliche Verkehr und die Pendler. Ersteres hinkt in seiner Entwicklung dem Landesnorden und auch dem Mittelburgenland hinterher. Das Bahnnetz im Land ist alles andere als gut ausgebaut. Und von den rund 144.000 Erwerbstätigen pendelt ein knappes Drittel (49.000) – und zwar notgedrungen meist mit dem Auto – zur Arbeit in ein anderes Bundesland, vorwiegend nach Wien, Niederösterreich und in die Steiermark. Wie viele das Burgenland ganz verlassen haben, um Jobs zu bekommen, die es daheim nicht gibt, ist statistisch nicht erfasst.

Etliche Jobs gehen an Ungarn

Mit der Öffnung des Arbeitsmarktes für Osteuropäer kamen weitere Probleme hinzu, derer sich die Politik im Wahlkampf angenommen hat: Ein Großteil der neuen Arbeitsplätze ging an Ausländer, an die Nachbarn aus Ungarn vor allem. Außerdem werden etliche ungarische Firmen, Handwerker zum Beispiel, im Burgenland engagiert.

SPÖ, FPÖ und ehemalige Freiheitliche wie Liste-Burgenland-Spitzenkandidat Manfred Kölly klagen nun im Chor über Lohn- und Sozialdumping und wollen die Regeln auf dem Markt verschärfen. Kurz gesagt sollen burgenländische Arbeitnehmer und burgenländische Betriebe unter Ausreizung aller (EU-)rechtlichen Möglichkeiten in Zukunft bevorzugt werden. Inwieweit diese Versprechen nach der Wahl umgesetzt werden, wird auch davon abhängen, welche Koalition das Burgenland nach dem 31. Mai bekommt. Rot-Schwarz ist keine Bank mehr, denn der Proporz wurde abgeschafft.

Allerdings sind viele Branchen im Burgenland auf ausländische Kräfte angewiesen, allen voran der Tourismus und das Gastgewerbe, aber auch der Weinbau. Immer mehr Winzer berichten, dass sich für die Arbeit im Weingarten keine Österreicher mehr fänden. Außerdem beherrschen die meisten Ungarn, die im Burgenland beschäftigt sind, mindestens zwei Sprachen. Was sich nicht schlecht trifft: Es gibt ja auch viele Ungarn, die hier einkaufen und konsumieren, also ihrerseits die burgenländische Wirtschaft ankurbeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2015)

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