Gegen jede Quote: Ein Haus, das Wien nicht brauchen wollte

ASYL: ZELTSTADT F�R FL�CHTLINGE IN SALZBURG
ASYL: ZELTSTADT F�R FL�CHTLINGE IN SALZBURG(c) APA/FRANZ NEUMAYR (FRANZ NEUMAYR)
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Auch Private wollen Asylwerbern helfen. Doch ihr Engagement scheitert oft an Behörden, Gesetzen – und an der Politik.

Wien. Schlussendlich hat sich Sepp Schellhorn durchgesetzt. Der Neos-Mandatar und Gastronom hatte angeboten, 40 Asylwerber in einem Personalwohnhaus in Badbruck bei Bad Gastein aufzunehmen. Das passte dem Bürgermeister von Bad Gastein nicht, der in einem Brief an Schellhorn ankündigte, das Vorhaben mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen. Verhindern konnte er es aber nicht, am Dienstag gab es seitens des Landes das Okay, wohl auch, weil der öffentliche Protest gegen die Haltung des Bürgermeisters massiv geworden war.

Doch Schellhorn ist nicht der Einzige, der mit Widerstand zu kämpfen hat. Immer wieder berichten Privatpersonen von massiven behördlichen und gesetzlichen Hürden, wenn sie Asylwerber oder Flüchtlinge unterbringen wollen. So wie Marianne Engelmann. Die Wienerin, Ex-Kulturmanagerin und als Trainerin und Coach im Sozialbereich tätig, wollte im Oktober 2014 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ein neues Zuhause geben. „Es war mir eine Herzensangelegenheit“, erklärt sie ihre Motivation. Mit vier Freunden gründete sie einen Verein und setzte sich mit dem Jugendamt, gemeinsam mit dem Fonds Soziales Wien für solche Projekte zuständig, in Verbindung.

Dort sah man die Sachlage aber anders: Obwohl damals (und bis heute) in Traiskirchen 900 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auf einen Platz in der Grundversorgung warteten, hieß es seitens der Stadt Wien, dass kein Bedarf bestehe. Wien erfülle bei der Unterbringung von Asylwerbern nämlich seine Quote. Damit gab es auch kein Okay für das Haus. „Wir hatten sogar schon das Haus gemietet und auf eigene Kosten renoviert“, erzählt sie. Erst als sie durch einen Brief Bundespräsident Heinz Fischer auf ihr Projekt aufmerksam machte, durfte sie es vorstellen. Seit 2.April wohnen acht Jugendliche, drei Syrer und fünf Afghanen, mit ihr und Sozialpädagogen in einer Villa im 19. Bezirk. Der Vermieter unterstützt das Projekt.

Geld für Pädagogen, nicht für Kinder

Die Kinder lernen jeden Tag vier Stunden Deutsch, werden von insgesamt fünf Sozialpädagogen (zwei davon in Ausbildung) betreut, und am Nachmittag gibt es ein umfangreiches Sozialprogramm. Möglich ist das nur, weil Engelmann mit dem Geld haushaltet, auch viel um Sachspenden bittet. „Der Gemeinde geht es nicht um das Schicksal der Menschen“, sagt sie. Im Tagsatz, den sie pro Jugendlichen erhält, sei abgesehen von Essen, Kleidung und Personal auch die Fortbildung für die Sozialpädagogen vorgesehen, nicht die Bildung und Freizeit der Kinder. Dass zwei der Kinder ins Gymnasium gehen dürfen, ist ihr zu verdanken. Seitens der Stadt habe man argumentiert, dass die Jugendlichen nicht mehr schulpflichtig seien und damit keinen Anspruch auf einen Platz hätten. „Sie wollen aber studieren“, sagt Engelmann und hat zwei Plätze in einer Schule gefunden. Demnächst will sie gemeinsam mit einer Gärtnerei minderjährigen Flüchtlingen eine Lehre ermöglichen. Ein weiteres Georg-Danzer-Haus, wie das Haus in Anlehnung an den verstorbenen Künstler heißt, wurde indes abgelehnt. Wieder hieß es: Es bestehe kein Bedarf. Auf Nachfrage der „Presse“ wies das Jugendamt darauf hin, dass doch Bedarf bestehe. Man werde eine Ausschreibung machen, bei der sich alle Vereine bewerben können. Auch der Verein Fluchtweg.

Mit Problemen müssen auch Privatpersonen kämpfen, die im Zuge der Zeltstadt-Debatte Wohnungen an Asylwerber vermieten wollen. Um als Asylwerber in der Grundversorgung zu bleiben, müssen sie einen gültigen Mietvertrag vorweisen. Befristete Mietverträge müssen aber mindestens auf drei Jahre abgeschlossen werden. Was mitunter Vermieter ihr Angebot zurückziehen lässt, weil sie die Wohnungen nicht so lang hergeben können, berichtet etwa die Caritas Wien. (win/ath)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2015)

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